Lange hat sich Wolfgang Domröse für die dritte Version seines PDF-Darstellungsprogramms Porthos Zeit gelassen. Nachdem bereits eine Version 3 veröffentlicht wurde, musste diese aufgrund von Fehlern nochmals überarbeitet werden. Das Ergebnis trägt die erstaunlich hohe Versionsnummer 3.20, die wir uns auf unserem Rechner vorgeknöpft haben.
Porthos hat in seiner recht kurzen, jedoch eindrucksvollen Karriere in den letzten zwei Jahren ein Leck der Atari-Welt sicher schließen können: War das Darstellen von PDF-Dokumenten auf dem Atari vorher eine Qual, so konnte Porthos durch eine intuitive GEM-Oberfläche, eine hohe Kompatibilität und eine je nach Hardware absolut zufrieden stellende Arbeitsgeschwindigkeit überzeugen.
Was gut ist, kann immer noch verbessert werden. Dies weiß auch der Entwickler von Porthos, Wolfgang Domröse, und entwickelte sein Programm auch in den letzten Monaten eifrig weiter. Immerhin gab es auch Anwenderkreisen immer noch einige Wünsche und Unzufriedenheiten. So fehlte vielen Anwendern das Glätten von Zeichensätzen bei der Bildschirmdarstellung, außerdem traten immer noch PDF-Dokumente auf, mit denen Porthos die Zusammenarbeit konsequent verweigerte.
Da besonders eine Kantenglättung tief in die Darstellungsroutinen des Programms eingreifen würden, entschloss sich Wolfgang Domröse, diese nochmals fast komplett neu zu entwickeln, um die neuen Anforderungen sinnvoll zu erfüllen. Insofern ist Porthos 3.20 also als wirkliches Major-Update zu betrachten. Trotzdem benötigen bereits registrierte keinen neuen Matchcode, sondern können die neue Version frei aus dem Internet beziehen.
Nach der Neuprogrammierung hat sich an den Systemvoraussetzungen von Porthos allerdings nichts getan. Für einen Einsatz wird die Betriebssystemerweiterung NVDI ab der Version 5.0 benötigt. Zwingende Voraussetzung ist auch ein installiertes Multitasking-Betriebssystem. Nach wie vor wird Porthos für MagiC entwickelt, aber auch unter MiNT-Systemen sollte es keine Probleme geben. Als OnlineHilfsdatei wird die Sprechblasenhilfe BubbleGEM bzw. das kompatible gbubbie benutzt.
Zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses lag leider noch kein aktualisiertes Handbuch vor. Porthos bietet nach wie vor kein gedrucktes Handbuch, den Ausdruck des entsprechenden PDF-Dokuments muss der Anwender selbst erledigen. Allerdings beschreibt das Handbuch immer noch nur die Version 2.x, eine Anpassung an die Version 3.20 steht seit mehreren Wochen aus - kein guter Service für Neukäufer eines nicht gerade als günstig zu bezeichnenden Programms.
Auf der Webseite des invers Software-Ablegers DSD steht wie immer eine aktuelle Demoversion bereit, die durch einen kommerziellen Matchcode freigeschaltet werden kann. Die Demoversion kann jeweils nur die erste Seite eines PDF-Dokuments darstellen.
Wenn neue Versionen von Programmen erscheinen, dann hat der Entwickler zumeist an einer Geschwindigkeitsoptimierung gearbeitet. Dies ist bei der Version 3.x von Porthos nicht der Fall. Bei der Entwicklung der neuen Darstellungsroutinen hat Wolfgang Domröse folgende Gewichtung beachtet: Präzision und Kompatibilität vor Geschwindigkeit. Dies ist zumindest auf dem Atari ein auf den ersten Blick zumindest etwas kontraproduktiver Ansatz, da besonders klassische Atari-Hardware im heutigen Vergleich ja nicht gerade mehr zu den Rennern gehört. Auf den zweiten Blick ist eine hohe Darstellungsgenauigkeit besonders bei technischen Dokumenten natürlich nicht zu verachten, und so durften wir gespannt auf die Umsetzung des Ansatzes sein...
Herzstück des "neuen" Porthos ist die FreeType-Bibliothek, die von Wolfgang Domröse entwickelt wurde. Diese ist für die Darstellung von Text innerhalb des PDF-Dokuments zuständig und zeichnet sich auch für die erwähnte Kantenglättung verantwortlich. Diese für die Atari-Welt neue Library ist wichtiger, als es zunächst den Anschein hat: Zuerst einmal bietet sie die Unterstützung von CID-TrueType-Schriftsätzen. Für Porthos bedeutet dieser Umstand konkret, dass TrueType-Fonts, die in einem PDF-Dokument vorhanden sind, auch mit Porthos dargestellt werden können. Somit müssen PDF-Dokumente also nicht mehr zwingend mit PostScriptSchriftsätzen erstellt worden sein.
Zweitens macht die FreeType-Bibliothek Kantenglättung systemtransparent verfügbar, da sie auch in anderen Programmen frei eingesetzt werden kann. Interessierte Entwickler sollten sich an Wolfgang Domröse wenden. Allerdings wird eine der kommenden Versionen des freien VDI-Ersatzes FVDI die FreeType-Bibliothek quasi ins Atari-Betriebssystem integrieren, sodass nicht jeder Entwickler das Rad immer wieder neu erfinden muss...
An der grundlegenden Bedienung von Porthos hat sich nicht nachhaltig viel geändert. Das Programm nutzt also immer noch gern den ganzen Bildschirm, wobei für eine Veränderung der Größe des Darstellungsfensters nach wie vor eine Tastenkombination genutzt werden muss. Dies ist umso ärgerlich, da Porthos ansonsten perfekt in GEM eingebunden ist. Das Argument des Entwicklers, dass durch einen Resize-Button wichtiger Platz auf dem Bildschirm verloren geht, ist aus heutiger Sicht unserer Meinung nach nicht ganz nachvollziehbar, da sich Porthos sowieso an anspruchsvollere Atari-Anwender wendet und zudem gern im Verbund mit Calamus SL als PDF-Importer agiert. Hier dürfte Platzmangel auf dem Desktop nicht unbedingt an der Tagesordnung sein. Und ein Programm wie CAB beweist darüber hinaus, dass ein Resizer nicht störend wirkt.
Über den Fortschritt des Seitenaufbaus informiert in Porthos 3.20 ein Fortschrittsbalken. So kann der Anwender stets abschätzen, wie lange die Darstellung noch braucht. Außerdem wurde ein Wunsch vieler Anwender erfüllt: Beim Aufbau der Seite wird ab sofort die Busybee angezeigt - Systemkonformität ist eben auch wichtig.
Wichtigstes Kriterium bei der Erstellung von Porthos 3 ist wie erwähnt die Darstellungsqualität von PDF-Dokumenten. Wichtigster Schritt ist hier die Kantenglättung bei der Darstellung von Schriftsätzen. Wer das erste PDF-Dokument lädt, wird sich über den zu "zahlenden" Preis im Klaren sein: Die Darstellung von PDF-Dateien ist nicht nur etwas, sondern merklich langsamer geworden. Selbst auf schnellen Betriebsumgebungen wie MagiCMac auf einem G4Macintosh schreitet die Darstellung recht zäh voran. Gar nicht mehr zu genießen ist Porthos daher objektiv gesehen auf der klassischen Atari-Hardware besonders, wenn Grafiken und Farben ins Spiel kommen.
Zum Vergleich: Wir stellten das Inhaltsverzeichnis der Porthos-Bedienungsanleitung dar. Auf einem Apple Power Macintosh mit 400 MHz benötigte Porthos unter MagiCMac X 14 Sekunden. Unter MagiCMac 6.2 reduzierte sich diese Zeit auf immerhin 7 Sekunden. Ein Atari Falcon 030 mit 32 MHz brauchte hingegen in einer Auflösung mit 16 Farben unter MagiC 6.1 fast 2 Minuten. Porthos 2.x benötigt für dasselbe Dokument unter MagiCMac X hingegen nur 8 Sekunden, unter MagiCMac 6.2 sogar nur 4 Sekunden. Der Falcon ist mit immerhin knapp 50 Sekunden dabei. im Vergleich stellt der Power Mac/400 die Inhaltsübersicht in weniger als 2 Sekunden mittels der PDF-Darstellung des Mac OS X dar.
Der Grund dieser Geschwindigkeits-Misere im Vergleich zum Vorgänger dürfte in dem Rechenaufwand liegen, den die Kantenglättung betreibt. Da diese durch die FreeType-Library geliefert wird, scheint der wahre Schuldige hier gefunden zu sein. Die FreeType-Library wurde aus der Unix-Welt übernommen, der Port scheint nicht der schnellste zu sein.
Aber nicht in jedem Punkt fiel die Darstellungsgeschwindigkeit der -qualität zum Opfer. So werden gefüllte Vektor-Objekte nun durch eigene Ausgaberoutinen statt durch das NVDI ausgegeben, womit zumindest in diesem Punkt eine zum Teil erhebliche Geschwindigkeitssteigerung möglich wurde.
Die Kantenglättung soll für eine erhöhte Darstellungsqualität sorgen. Auf schnellen Systemen ist dafür ein gewisser Leistungseinbruch durchaus hinzunehmen. Trotzdem kann das AntiAlias von Porthos in der vorliegenden Version noch nicht wirklich überzeugen. Besonders im Vergleich mit den auf PC und Mac etablierten Lösungen des Acrobat Reader wirkt die Kantenglättung von Porthos unausgereift. Zu grob erscheinen immer noch die Schriften, während Acrobat keine Kanten mehr erkennen lässt. Im Vergleich zur Vorgängerversionen ist der Fortschritt jedoch auch innerhalb von Porthos sichtbar. Es steht zu hoffen, dass hier noch einiges an Qualität herauszuholen ist.
Die Kompatibilität in der Darstellung von PDF-Dokumenten hat weiter zugenommen. Somit ist die Summe der korrekt angezeigten Dokumente stark angestiegen. Allerdings gibt es auch Probleme. So ließen sich zum Beispiel in der Bedienungsanleitung des SoftwareSynthesizers ACE die integrierten Grafiken nicht darstellen. Anderen Anwendern zufolge soll dieses Problem auch mit anderen Dokumenten auftauchen, sodass auch hier kein abschließend grünes Licht gegeben werden kann.
An der Stabilität von Porthos ist spätestens seit der Version 3.20 nicht mehr zu rütteln. Weder unter Emulationen noch auf dem Falcon 030 kam es in unserer Praxis zu wesentlichen Problemen. Nur unter MagiCMac X stürzte das Atari-Betriebssystem zum Beispiel bei der Darstellung der ISDN-Bedienungsanleitung von T-Online wiederholt ab - dieser Fehler könnte jedoch auch an der frühen Version des Emulators liegen.
Porthos 3.20 ließ uns recht unglücklich zurück. Die im Vergleich nicht allzu hohe Darstellungsqualität der Kantenglättung des Programms wiegt die zum Teil drastischen Geschwindigkeitseinbußen einfach nicht auf. Insofern hat sich Porthos besonders für Betreiber klassischer Ataris fast verschlechtert - hier ist ein Downgrade zu empfehlen.
Wer mit mehr Leistung gesegnet ist, sollte sich die Version 3.20 von Porthos ruhig installieren - immerhin ist auch dieses Upgrade frei. In vielen Fällen wird er jedoch auf die Version 2.X zurückgreifen, da diese auch hier deutlich schneller ist.
Gelungen ist hingegen die Integration von TrueType-Fonts. Damit ist die korrekte Darstellung von viel mehr PDF-Dokumenten garantiert.
Es steht zu hoffen, dass die neue PDF-Engine von Porthos 3 noch in sehr vielen Punkten optimiert werden kann. Besitzer klassischer Ataris sowie Betreiber von Emulationen (hier erledigt das Hostsystem die Kantenglättung sowieso) würden sich sicher zumindest über die Möglichkeit freuen, das Anti-Alias abzuschalten. stc
Preis: € 35.-
http://www.dsd.net/prod/atari/Porthos.php