Atari-Scene - Freax nach der st-computer

Mit der Einstellung der eigenständigen Publikation der ST-Computer schließt sich nun das einzige nahezu regelmässige Fenster zum ATARI-Underground in einem Printmedium überhaupt zumindest größtenteils. In der der PC-Welt beiliegenden Ausgabe werden wir natürlich weiterhin auch auf die Scene eingehen.

Als vor etwa neun Jahren mit der Falcon-Scene in der st-computer ein regelmäßiger Ausblick auf die Aktivitäten der Underground-Scene geschaffen wurde, wurde damit der Wichtigkeit dieser vormals oft auch ein wenig belächelten "Freax" in gewisser Weise Tribut gezollt. Nachdem sich Autoren in französischen und englischen Magazinen bereits immer wieder sporadisch mit dieser kreativen Spezie der Atari-Fans auseinandergesetzt hatten, "entdeckte" man nun auch in Deutschland diese kleine, merkwürdige "Subkultur".

Natürlich war der Begriff "Falcon-Scene" ziemlich treffend, lag doch die ST-Demo-Scene Mitte der 90er völlig am Boden, und alles gierte nach neuesten Spielen, Tools und vor allem auch Demos auf dem damals neuen Wundervogel. Vor allem aber führte die Falcon-Scene den Lesern vor, weiche Wichtigkeit dieser Untergrund für den Atari-Markt besaß, schließlich vollzog sich durch diese Freax und ihr nicht zu unterschätzendes Knowhow eine ähnlich geartete Revolution in der Atari-Software-Entwicklung wie Ende der 8oer Jahre auf dem ST. Wieder einmal waren es vor allem die Scene-Gurus, die jedes Eckchen der Falcon-Hardware ausloteten und somit für einen gewissen Sprung in der Qualität von FalconSoftware sorgten, im Vergleich mit alteingesessenen Software-Häusern.

Vor allem auf dem darbenden Spiele-Markt konnten die Leute aus der Demo-Scene Akzente setzen, doch interessanterweise wuchsen auch so einige Software-Perlen im Grafik- und Musik-Bereich auf dem "Mist" der sehr aktiven UndergroundCoder der Atari-Scene.

Scener als Geschäftsleute

Und somit war es nur eine Frage der Zeit, bis die ersten Scene-Mitglieder von bereits bestehenden Softwarefirmen rekrutiert wurden, um deren Knowhow auch professionell nutzen zu können. Aber es entschieden sich auch eine Reihe dieser Freax, diesen Schritt alleine zu gehen und stampften somit ihre eigenen kleinen Software-Schmieden aus dem Boden. Einige Beispiele für den deutschen Raum wären da Team Computer, die einige Leute von Inter ins Neon-Projekt einschleusten, oder auch Anvil Soft (das Label der Demogruppe Cruor, welches allerdings mit dem wirklich ambitionieren Spiele-Projekt "Painium Disaster" baden ging), oder auch Therapy (die mit dem Nachsatz Seriouz Software dann mit "Smurf" ein mächtiges Bildbearbeitungstool erschufen,) und auch WBW, die Leute von Absence rekrutierten und ein leider nur kurzlebiges Falcon-Spielelabel begründeten. Außerhalb der deutschen Lande machten vor allem Frontier Software und Black Scorpion Software von sich reden.

Leider eröffnete die Falcon-Plattform vielen Atari-Jüngern auch Möglichkeiten, die sie später nicht mehr für Atari-Projekte nutzen konnten. So waren vor allem die Grafiker, die mit den Möglichkeiten des Falcon endlich zeigen konnten, was sie wirklich drauf hatten - ein gefundenes Fressen für viele PC- und Konsolenorientierte Softwareschmieden, wobei das Knowhow der Abgworbenen in der Regel zwangsläufig für die Atari-Scene verloren ging.

Kommerzieller Overkill

Im Großen und Ganzen wurden diese im allgemeinen sehr verheißungsvollen Schritte jedoch von jemandem gebremst, der eigentlich bei richtigem Support den meisten Profit daraus hätte ziehen können: Atari selbst. Mit der Aufgabe der Falcon-Computerlinie wurden dem eh etwas schwächelnden Markt Mitte der 90er Jahre nicht nur jegliche weiteren Wachstumsmöglichkeiten genommen, sondern zumindest in kommerzieller Hinsicht eigentlich bereits ziemlich zeitig der Todesstoß versetzt. Clone-Projekte kamen und gingen, waren für den Consumer-Markt meist zu teuer, und vor allem die vielen gescheiterten Projekte nagten an der Geduld der Community und am eh schon von Resignation gezeichneten Markt.

Während die ins Schlingern gekommene Demo-Scene sich Ende der 90er Jahre wieder festigen konnte, und auch die ST-Demo-Scene eine kleine Renaissance erlebte, wurde der beschränkte Markt zur Falle für den (semi)professionellen Teil der Atari-Community. Dieser bis heute bestehende Abwärtstrend ist vielleicht zu bremsen, aber auf lange Sicht nicht zu stoppen. Neuestes Opfer ist nun leider die st-computer in ihrer gewohnten Form geworden, die dienstälteste noch existierende Zeitschrift auf dem Atari-Markt überhaupt.

Die Scene nach der st-computer

Die vergangenen Jahre mit ihren vielfältigen Scene-Artikeln haben sicherlich dazu beigetragen, diesen Untergrund diese kleine Subkultur für den "seriösen" Atari-Nutzer begreifbar zu machen, und möglicherweise wurde bei dem einen oder anderen auch Interesse an mehr geweckt, ein Interesse, welches mit dem teilweisen Wegfall der st-computer unter Umständen nicht mehr ausreichend gestillt werden könnte. Nicht zuletzt wurde auch die Heimlichtuerei der Scene in die Öffentlichkeit gebracht, nur unter Pseudonymen bekannte Scene-Größen offenbahrten sich der breiteren Masse und machten ihr die jeweiligen Beweggründe nachvollziehbar.

Gäbe es das Internet in der heutigen Form nicht, würden all diese Leute und ihre Entwicklungen wieder in der Versenkung verschwinden - nur für Eingeweihte auffindbar, die Scene würde wieder zu dem autonomen Mikrokosmos werden, die sie einst war, und die Interessenten würden sich vielleicht lediglich hin und wieder an ihren Monitoren die Nasen platt drücken und über das eine oder andere Programm grübeln, ohne je die Chance zu haben, die Intention und die Leute, die dahinter stecken, kennenzulernen.

Somit möchte ich diese letzte Scene-Ecke in der "großen" stcomputer dazu nutzen, Wegweiser, Hints und Tipps zu geben, mit deren Hilfe sich an der Scene Interessierte auch in Zukunft über Gerüchte, neueste Software, Diskussionen usw. auf dem laufenden halten können.

Das Internet

Den größten Bekanntheitsgrad dürfte mittlerweile die Homepage der dead hackers society erlangt haben, die unter [1] zu finden ist und mehr oder minder DAS Sprungbrett in die Tiefen der AtariScene darstellt. Normalerweise wird hier alles an News aus dem Scene-Mikrokosmos geposted, es gibt die jeweils neuesten Programme aus der Scene zum Herunterladen sowie verschiedene Software-Archive und natürlich das Bulletin Board, das zum munteren Diskutieren mit jedermann über Scene-orientierte Themen einlädt. Dabei kann man sich bei Belieben mit nahezu allen Grössen der heutigen Demo-Scene im Smalltalk messen.

Ebenfalls nicht zu verachten ist [2]. Hier wird, wie der Name schon sagt, eines der größten Diskussions-Foren für die Atari-Scene betrieben, mit eigenen Abteilungen zu Spielen, Tools, Demos, ST und Falcon usw. Zwar ist der Informationsgehalt nicht immer bahnbrechend, doch dafür kann man sich sicher sein, über Gleichgesinnte zu stolpern oder Lösungen zu seinen Fragen zu bekommen. Auch hier finden sich überraschend immer wieder neue Programme, die sonst nirgendwo auftauchen. Momentan posten im Atari-Forum über 300 registrierte Atari-Freax aus etlichen Ländern neben einer unbekannten Zahl von Gästen. Bei Problemen ist somit ein großes Echo möglich.

Eine weitere Seite, die sich mehr und mehr mausert, ist die von 505/Checkpoint ins Leben gerufene Musik-Seite. Unter [3] bekommt man in hübschem Design einiges rund um das Thema - vornehmlich mit Trackern erstellte - Musik auf Atari-Maschinen geboten. Hier gibt es News um Tracker-Programme, Downloads zu Chipmusik-Programmen, wechselnde Module-Downloads, Interviews mit Musikern aus der Scene und natürlich ein Musikorientiertes Forum, welches natürlich stark Musiker-frequentiert ist.

Atari.Org: Einst so ziemlich das Zentrum für Atari-Interessierte im Netz mit Blicken auf alles, was Atari-Maschinen betrifft (inklusive großer und stark frequentierter Foren, News und Links-Listen) hat leider stark abgebaut, sicherlich auch bedingt durch immer wieder auftretende Server-Probleme. Dennoch ist die Seite nach wie vor empfehlenswert und ermöglicht ebenfalls einen recht unkomplizierten Einstieg in die Materie [4].

Etwas über den Tellerrand schauen Orange juice [5] und Pouet.Net [6]. Diese beiden Seiten bearbeiten alles zum Thema DemoScene und bleiben dabei völlig systemunabhängig. Während Orange juice vornehmlich jeden News-Schnippsel unter die Leute bringt, sieht sich Pouet.Net als Database für Scene-Produktionen jeder Art. Wer neugierig ist und seinen Horizont nicht mit Atari beschließt, sollte ruhig einmal einen Blick riskieren.

Wer hingegen sein Glück im direkten Kontakt sucht, läuft auf Atari-Scene-Pages leider oftmals in Leere. Zwar bieten viele Gruppen auf ihren Seiten Foren, Guestbooks und Bulletin Boards an, doch eine Vielzahl der Atari-Scene-Pages glänzt leider durch lange updatelose Zeiten und Schweigen in den Boards. Wohlgefällige Ausnahmen sind die YM Rockers [7] sowie Cream [8], die beide auf einem Server gehostet sind.

Wer neben den allgemeinen Atari-News auch die Scene nicht ausklammern möchte, der ist natürlich auf der Webseite der st-computer nach wie vor gut aufgehoben, die wohl die aktuellste Atari-Nachrichtenquelle im deutschsprachigen Raum ist und weitergeführt wird.

Neue Veröffentlichungen etc. werden auch hier angezeigt [9].

Die Diskmags

Abseits vom Internet mit seinen Reizen sollte eine wichtige Informationsquelle nicht außen vor gelassen werden: Diskmags. ja, es gibt sie noch. Zwar hat die Stagnation in der Atari-Welt auch hier ihre Spuren hinterlassen, doch bislang sind noch drei Projekte aktiv.

Als High-End-Lösung ist das Chosneck Magazin anzusehen, welches nur auf Falcons mit mindestens 14 MBytes RAM läuft, dafür aber in Hochglanzoptik daher kommt und ziemlich viel Scene-Orientiertes zum Besten gibt. Gerüchteweise soll die neue Ausgabe im Sommer erscheinen, außerdem sind wohl auch PDF-Versionen der Mags geplant. Leider gibt es bis dato keine eigene Seite zum Mag im Netz, und man sollte für die neueste Ausgabe immer mal wieder die dhs -Seite aufsuchen.

Außerdem gibt es immer noch die Alive! Zwar scheint die zeitweilige Resignation in der Scene selbst, einen der beiden Editoren zu demotivieren, doch CIH gibt an, das Mag weiterhin betreiben zu wollen. Mit einer neuen Ausgabe dürfte jeden Moment zu rechnen sein. Alive verfügt über eine Homepage mit eigenem Bulletin-Board. Diese ist zu erreichen unter [10]. Eine lang geplante Online-Version ist bis dato nicht erschienen und inzwischen wieder zweifelhafter. Alive läuft vom ST aufwärts auf jeder erdenklichen Atari Hardware und deckt den gesamten Bereich von Informationen aus der Atari-Welt ab, natürlich ziemlich Sceneorientiert. Nicht zu kurz kommt der vom alten Maggie bekannte Humor-Part , es gibt also immer etwas zu Schmunzeln.

Last but not least: Undercover, das sich anschickt, dieses Jahr 10 Jahre alt zu werden. Ebenfalls von den langen Durststrecken in der Scene gekennzeichnet, ist es dennoch nicht abgeschrieben, und bei Erscheinen dieser Zeilen hier, sollte Ausgabe 24 endlich zu haben sein. Undercover ist bislang auch das einzige Atari SceneMag, das über eine Online-Version verfügt. Wie Alive setzt es einen simplen ST zum Starten voraus und bedient ebenso vorrangig die Atari-Scene-Ecke. Im "brigen habe ich zum zehnjährigen Bestehen einige Specials geplant (Werbung ... ) - haltet einfach Augen und Ohren im Herbst offen. Finden kann man die Disk und Online-Version unter [11].

Fazit

Auch, wenn sich das Scene-Fenster in der st-computer teilweise schließt, Auswirkungen auf die Scene selbst sind nicht zu befürchten, dafür ist diese Subkultur zum Glück zu autonom. Natürlich ist hervorzuheben, dass ein leider ein kleiner Teil der AtariScene mit diesen Artikeln sterben wird, schließlich haben sich hier vor allem Leute aus der Scene selbst die Klinke in die Hand gegeben. Wenn immer einmal wieder Scene-Artikel in der Atari-Beilage der PC Welt erscheinen, mag dieser Vorgang aufgefangen werden.

Wer die Scene nun nicht aus den Augen verlieren will, kann sich mittels der erwähnten Links schnell mitten hinein in diesen abgefahrenen Mikrokosmos voll merkwürdiger Typen katapultieren, denn: Der Untergrund lebt und - wie einige ehrgeizige Projekte zeigen - stellt sich an, zum Motor der Atari-Community zu werden.

Stay cool - stay Atari! STC

[1] http://www.dhs.nu
[2] http://www.atari-forum.com
[3] http://tracking.atari.org
[4] http://www.atari.org
[5] http://www.ojuice.net
[6] http://www.pouet.net
[7] http://ymrockerz.atari.org
[8] http://www.creamhq.de
[9] http://st-computer.atariuptodate.de/
[10] http://alive.atari.org
[11] http://www.tscc.de


Eric Henschler aka moondog/.
Aus: ST-Computer 06 / 2003, Seite

Links

Copyright-Bestimmungen: siehe Über diese Seite