Multi Emulator für den Mac: OpenEmu

Um keinen Emulator gab es vor seiner Veröffentlichung einen solchen Hype wie um OpenEmu für OS X. Wie M.E.S.S. und RetroArch ahmt OpenEmu gleich mehrere Systeme nach und ist modular aufgebaut. Die Vor- und Nachteile von OpenEmu im Test.

Um die Aufregung um OpenEmu zu verstehen, reicht ein Blick auf die übrigen Emulatoren für OS X. Ein Großteil stammte von Richard Bannister, der über ein Dutzend Emulatoren portierte. Diese waren zwar grundsätzlich kostenlos, benötigten aber sein Shareware-Programm Emulator Enhancer zur Unterstützung von USB-Gamepads, Vollbild und Netzwerkspiel. Während Bannisters Emulatoren wenigstens noch über eine echte Benutzeroberfläche verfügten, war dies bei vielen direkt aus der Unix-Welt portierten Emulatoren nicht der Fall. Schließlich gibt es auch noch ein Problem mit der Aktualität und Auswahl: Für Windows gibt es einfach die besten und aktuellsten Emulatoren.

Offener Emulator?

Multi-Emulatoren gibt es schon seit Jahren. Sie können unterschiedliche Prozessoren, Grafik- und Soundchips nachahmen, statt mehreren Emulatoren reicht einer, um alle alten Spiele zu spielen. Die Bündelung mehrerer Systeme bietet Vorteile bei der Weiterentwicklung: Wird z.B. die Z80-Emulation verbessert, profitiert davon jedes emulierte System, welches diese CPU verwendet. Zudem stehen Zusatzfunktionen wie Videoaufzeichnung, Effekte und Spielstände bei jedem System zur Verfügung. Auf der anderen Seite ist es allerdings eine Herausforderung, alle Eigenschaften des zu emulierenden Systems in einer Oberfläche unterzubringen – ein Atari 800 hat ganz andere Möglichkeiten und Anforderungen als ein Sega Master System.

MESS, mittlerweile in den Arcade-Emulator MAME integriert, ist einer der wenigen Emulatoren, die den Spagat zwischen den unterschiedlichsten Computern und Konsolen wagen. OpenEmu beschränkt sich zumindest in der aktuellen Version noch auf die Konsolen. Intern ist OpenEmu modular aufgebaut, die Entwickler sprechen hier von „Kernen“ (Cores). Ein Kern kann ein oder mehrere Systeme unterstützen, jeder der Kerne ist eine Portierung eines bekannten Emulators: Der Atari-2600-Kern basiert zum Beispiel auf Stella, der SNES-Kern auf SNES9x. Etwas verwirrend ist die Unterscheidung zwischen Bibliotheken und Kernen: Wer die experimentelle Version von OpenEmu herunterlädt, kann zwar die Jaguar-Bibliothek aktivieren, aber trotzdem keine Jaguar-Spiele starten, da der entsprechende Kern noch nicht verfügbar ist.

Schön sortiert

Bei der Verwaltung haben sich die Entwickler an iPhoto orientiert: Links ist die Liste der Fotoalben (Systeme), rechts die Fotos (Spiele). Cover werden automatisch heruntergeladen und sind in hoher Qualität verfügbar. ROM-Dateien kopiert OpenEmu automatisch in die eigene Bibliothek, kann sie aber auch an ihrem ursprünglichen Ort belassen.

Um Spiele zur Bibliothek hinzuzufügen, werden sie auf das OpenEmu-Fenster gezogen. Nicht immer erkennt das Programm das richtige System, sortiert Spiele falsch ein oder fragt beim Benutzer nach. Hier hilft manchmal nur, dem Emulator durch Änderung der Dateiendung manuell auf die Sprünge zu helfen.

Ansonsten ist die Spielesammlung im virtuellen Regal durchaus visuell ansprechend, wird aber schnell unübersichtlich – zum Glück können beliebige eigene Sammlungen erstellt werden, um die Lieblingsspiele zu bündeln.

Emulierte Ataris

Etwa zwei Dutzend Konsolen werden derzeit emuliert, hier soll es nur um die Atari-Konsolen gehen. OpenEmu emuliert die drei VCS-Konsolen und den Lynx. Die Zusatzfunktionen sind für alle Systeme identisch: OpenEmu-Nutzer können Spielstände sichern, Screenshots speichern, in den Vollbildmodus wechseln und verschiedene Videofilter auswählen. Im schön gestalteten Controller-Fenster lässt sich die Tastenbelegung oder die Verteilung der Funktionen auf die Buttons eines USB-Gamepads oder der Wiimote einstellen. Dort sind auch die Hardware-Schalter der Konsole zu finden. Lynx-Fans werden den Flip-Button vermissen: Bisher gibt es keine Möglichkeit, in OpenEmu die Bildschirmdarstellung zu drehen. Außerdem werden nur die Standardcontroller emuliert: Lightgun-Shooter, Paddle-Spiele oder Spiele mit eigenem Controller sind nur eingeschränkt, oder gar nicht spielbar.

Was die Kompatibilität angeht, bewegen sich die OpenEmu-Kerne auf dem Niveau der Emulatoren, auf denen sie basieren. Allerdings sind die Kerne nicht auf dem aktuellen Stand, der Arcade-Kern basiert auf dem zwei Jahre altem MAME 0.149, auch die jüngsten Verbesserungen in Mednafen (Lynx), Atari800 (VCS5200) und Stella (VCS2600) sind nicht implementiert. Gerade mit aktuellen Homebrew-Titeln hat der Emulator daher Probleme.

Die Probleme mit einigen Atari-Spielen und -Hardwarefunktionen lassen sich insofern erklären, dass der Fokus bei OpenEmu zunächst auf den Systeme von Sega, Nintendo und NEC lag. Über den aktuellen Stand der Entwicklung informiert der GitHub-Account von OpenEmu: Die Portierung eines Jaguar-Kerns (auf Basis von Virtual Jaguar) ist abgeschlossen, ein ST-Kern (auf Hatari-Basis) geplant. Die Quelltexte der OpenEmu-Shell und der Kerne sind frei verfügbar und lassen sich mit Xcode compilieren, allerdings gelang es nicht, einen funktionsfähigen Jaguar-Kern zu generieren.

Fazit

Die zwei Alternativen sind MAME/MESS und RetroArch, beide bieten jedoch keine OS-X-native Oberfläche und sind dementsprechend umständlich zu bedienen. Zumindest für MAME gibt es Shells, welche den Bedienkomfort erhöhen. Leider ist momentan nicht klar, wie es mit OpenEmu weitergeht: Viele der Kerne wurden seit Monaten nicht gepflegt, über Twitter kündigte das OpenEmu-Team zwar eine Integration des Watari-SuperVision-Emulators an, aber die Atari-Emulatoren in OpenEmu haben offenbar keine Priorität.

http://openemu.org/


Mia Jaap
Aus: ST-Computer 06 / 2015, Seite 32

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