Public Domain wurde mit den 16/32-Bit-Computern zu einem Massenphänomen. Entwickler waren nicht länger von Softwarefirmen oder Magazinen abhängig, sie bestimmten die Nutzungsbedingungen – auch wenn letztlich oftmals andere von ihrer Arbeit profitierten. An PD führte auf dem ST kein Weg vorbei und der Heim Verlag sah eine Nische für das Atari PD-Journal.
Mit der Ausgabe 6/89 startete das Magazin und der überdimensionale „PD“-Schriftzug, der fast die Hälfte des Titels belegte, konnte nicht übersehen werden. Da fielen die skurrilen Titelbilder der ersten drei Ausgaben kaum auf: Frau im Sommerkleid, Menschen im Cabrio, Urlauberin mit Butler am Sandstrand. Formal ähnelte der Aufbau anderen Magazinen, allerdings war das PD-Journal mehr noch als alle anderen Atari-Magazine anwenderorientiert: Keine Listings oder Grundlagenartikel für Programmierer, sondern Soft- und Hardwarevorstellungen pur.
Spätestens bei den News war klar, dass Public Domain die DNA des PD-Journals war. In der Ausgabe 9/89 gab es beispielsweise eine Spalte reguläre News, der Rest der News-Strecke stellte neue PD-Disketten verschiedener Serien vor. Es gab sogar – fast sechs Jahre bevor die ST-Computer die große Mac-Offensive startete – PD-Software für den Mac. Mac-Software in einem Atari-Magazin Jahre vor MagiCMac? Richtig, nur handelte es sich um Programme, die mit den Emulatoren Aladin und Spectre 128 getestet wurden. Bei der Bestellung musste die Nummer und der Emulator mit angegeben werden, die Emulatoren verwendeten verschiedene Diskettenformate.
Der Katalogteil war schließlich so konzipiert, dass er aus dem Heft entfernt und abgeheftet werden konnte. Bis zur Doppelausgabe 7-8/91 wurde extra etwas mehr Platz am Rand gelassen, um die Seiten problemlos lochen zu können. Wie der News-Teil berichtete das Magazin auch im Katalog über verschiedene Serien wie PD-Pool, ST Vision, ST-Computer und natürlich die hauseigene Journal-Serie. Alle Disketten konnten direkt beim Heim Verlag bestellt werden. Gute PD-Programme wurden gerne auf zwei, drei oder gar vier Seiten getestet, undenkbar bei den anderen Atari-Magazinen. In der Anfangszeit des Magazins machte die PD-Berichterstattung gut 3/4 des Heftes aus, selbst die Anzeigen wurden von PD-Händlern dominiert. In der Ausgabe 9/89 wurden nur zwei kommerzielle Produkte getestet, PC-Speed und ST-Math 2.1, beide im Vertrieb vom Heim Verlag.
In der Anfangszeit war das PD-Journal also mehr Ergänzung als Ersatz für die ST-Computer. Letztere betreute der Heim Fachverlag zwar ebenfalls, aber die Redaktion war unabhängig. Beim PD-Journal saß die Redaktion hingegen dort, wo auch der Heim Verlag seine Zelte aufgeschlagen hatte, in der Heidelberger Landstraße in Darmstadt.
Ohne Frage hatte der Heim Verlag selbst genug Produkte auf dem Markt, um mühelos ein Magazin komplett mit Eigenberichterstattung zu füllen. Neben der J-Serie und dem PD-Journal wurden Bücher veröffentlicht, eine Serie mit günstigen kommerziellen Programmen etabliert, teurere Programme wie ST-Math auf den Markt gebracht und auch noch PC-Speed in den Vertrieb aufgenommen. PC-Speed verdrängte dank überlegener Geschwindigkeit schnell den Software-Emulator PC-ditto. Wie hieß der deutsche Vertrieb von PC-ditto? Maxon, die Redaktion der ST-Computer.
Aber nicht nur bei den PC-Emulatoren waren Maxon und Heim Konkurrenten: Noch 1989 erschien die PD-News. Nur halb so teuer wie das PD-Journal, aber ebenfalls ganz im Zeichen der Public Domain. Dafür wurde in das Heft aber auch weniger Aufwand gesteckt: A5-Format, Artikel-Recycling aus der ST-Computer und ein Katalogteil, der ebenfalls von der großen Schwester übernommen wurde. Da blieb im Testteil nur Platz für wirklich massentaugliche Ware, etwa den Virenkiller Sagrotan, die Tabellenkalkulation ORSpread oder Fileselect, ein früherer Ersatz für die Atari-Dateiauswahl.
Das PD-Journal öffnete sich wiederum für andere Themen: Mit der Januar-Ausgabe 1990 schrumpfte das PD-Logo, kommerzielle Programme wie Adimens oder Becker Page wurden getestet und auch die Messeberichterstattung wurde zum Pflichtprogramm des Magazins. Selbst kommerzielle Spiele kamen in den Testteil. Gleichzeitig wuchs aber auch der Umfang des Hefts von anfänglich 68 Seiten auf 108 Seiten mit der letzten Ausgabe. Für den Katalog, der selbst in der 1/93 noch gut 30 Seiten stark war, blieb also genug Platz. Mit der Öffnung des Magazins wurde das PD-Journal/Atari Journal jedenfalls interessanter für Werbekunden.
Trotz Themenerweiterung blieb die PD-Berichterstattung der „USP“, der „Unique Selling Point“, des Magazins. Zwar war das Layout von Beginn an professionell und die Redaktion des Journals kompetent, aber für Tests von Interface, Kobold oder Calamus SL kauft sich kaum ein Atarianer ein zweites Magazin.
So war und ist der PD-Teil – mittlerweile optisch stärker in das Magazin integriert – der interessantere Teil des Magazins und auch der Heft-Bestandteil, in dem gerne experimentiert wurde. Ein Texteditor-Test (CED) ist sicherlich massentauglich, aber wie wäre es mit einem ZX81-Emulator auf zwei Seiten? Oder einem Programm zum Visualisieren von Wahlergebnissen (Wahlgraf)? Oder einem neuartigen Lernprogramm, welches Vokabeln für den Bruchteil einer Sekunde bei laufendem Betrieb einblendete (Invisible Teach)? In jeder Ausgabe leistete sich die Redaktion ein, zwei solcher Exotentests.
Eigentlich wäre der PD-Teil ein Grund, das Journal in guter Erinnerung zu behalten, doch da gibt es noch die berüchtigte Ausgabe 1/93, die letzte Ausgabe des Atari Journals. Auf dem Titelblatt heißt es noch „Quo vadis, Atari? Tips für den Umstieg auf Mac und PC“, der entsprechende Artikel ist betitelt mit „Bitte umsteigen!“. Nur zur Einordnung: Anfang 1993 steckte die Atari-Emulation noch in den Kinderschuhen, ein Systemwechsel bedeutete also, auch die gewohnte Software aufzugeben.
Als Begründung wurde die wirtschaftliche Situation im Atari-Markt und die Versäumnisse und Fehler der Firma Atari genannt. Gründe für die Frustration gab es genug: Lieferprobleme beim TT, Falcon und sämtlichen Software-Projekten, langsame Weiterentwicklung und ein fehlendes Bekenntnis zum professionellen Markt.
Dennoch waren die Umstiegstipps höchst ungewöhnlich, denn die Abonnenten sollten schließlich zur ST-Computer wechseln und der Heim Verlag war mit seinen vielen Produkten sehr stark vom Atari abhängig. Auf der vorletzten Seite, gleich neben der Verabschiedung der Journal-Redaktion, warb auch noch einmal Atari – für den Lynx. Schalt um auf Farbe!
Offiziell wurden „Informationen, Konzepte und Ideen“ an die ST-Computer weitergegeben. Davon war in der ST-Computer nichts zu sehen – eine richtige PD-Rubrik wurde schon in der Ausgabe 2/91 eingeführt.
Erstausgabe: 06/1989
Letzte Ausgabe: 01/1993
Verlag: Heim Fachverlag
PD-Serie: Journal 1-335
Diskette zum Heft: nein