Von Pacman zu Superman

Animation — was verbirgt sich hinter dem Begriff, der vor wenigen Jahren ein neues, ebenso unvergleichliches wie faszinierendes Anwendungsgebiet für Heimcomputer erschloß? Wundern Sie sich bitte nicht, wenn Sie in der Welt der Animationen auch Pac-Man und Superman begegnen — Sie erfahren gleich, warum auch die beiden ungleichen Helder dort zu Hause sind.

Wer kennt ihn nicht, den runden, Punkte-fressenden Gelbling namens Pac-Man. Mit dem Atari VCS-Videospiel griff vor ein paar Jahren das in den Spielhallen schon länger tobende Pac-Man-Fieber auch auf den Heimbereich über. Die Punktehatz wurde zum Volkssport, der kleine gelbe Kerl war mit einem Mal in aller Munde.

Szenenwechsel. Panik in New York — eine Rohrleitung des zentralen Wasserversorgungs-Systems ist geborsten. Die Wassermassen schwemmen Autos von der Straße, drohen Wolkenkratzer zu unterspülen. Da stürzt ein Muskelpaket vom Himmel, reißt den Asphalt auf und die Rohrenden heraus, verknotet sie und verschwindet unerkannt. Comic-Leser und Ci-neasten wissen selbstverständlich, daß kein geringerer als der Dauerbrenner Superman diese Heldentat vollbracht hat.

Aber was haben Pac-Man und Superman — außer ihrer Berühmtheit und den letzten drei Buchstaben — gemeinsam? So merkwürdig es auch klingen mag, beides sind Animationen. Der Computer-Laie denkt bei diesem Wort wohl zunächst an »animieren« oder an den »Animateur« vom letzten Club-Urlaub. Wer sich mit Bits und Bytes ein bißchen auskennt, versteht darunter meist umherfliegende, dreidimensionale Raumschiffe und dergleichen, ein Wörterbuch schlägt die Übersetzung »Zeichentrickfilm« für den englischen Begriff »animation« vor. In jeder dieser Definitionen steckt ein Kernbegriff: Bewegung. Ob Urlauber, Raumschiffe oder Mickey Mouse: alle bewegen sich. Wenn man aber Animation mit Bewegung gleichsetzt, dann ist jede Textverarbeitung ein prima Animations-Programm. Der Text rollt nach oben und unten, Buchstaben wandern beim Einfügen und Löschen nach links und rechts — es rührt sich doch jede Menge, nicht? Trotzdem denkt niemand dabei an Animation.

Moment — wenn die Buchstaben hüpfen oder mit einem Punkt Fußball spielen würden, dann würde die Bezeichnung doch augenblicklich passen.

Animierte Gegenstände bewegen sich also nicht nur, sondern entwickeln zudem eine Art Eigenleben, fast so, als hätten Sie eine eigene Seele. Und genau das bedeutet der lateinische Ausdruck »animus«.

Um bei obigen Beispielen zu bleiben: Die Urlauber sollen von sich aus etwas unternehmen, das Raumschiff fliegt mit eigenem Antrieb und auch Mickey Mouse scheint selbst zu gehen.

Die meisten Spiele sind zugleich Animationen — interaktive Animationen, um genau zu sein. Denn Sie greifen ja mittels Joystick oder Maus fortwährend in das Geschehen ein. Auch unser guter alter Pac-Man läuft umher und knabbert unentwegt Pünktchen, er darf sich also ebenfalls »animiert« fühlen.

Kino-Filme sind die derzeit technisch besten Animationen. Naturgetreue Farben, exzellente Schärfe trotz Riesen-Format und ruckfreie Bewegungen faszinieren die Zuschauer. Ob als Spielfilm, Zeichentrick oder Computer-Spiel — wenn Superman so richtig animiert ist, geht's den Bösewichtern an den Kragen.

Animationen sind mit dem Computer auf verschiedene Art und Weise zu verwirklichen. Die Zeichensatz-Animation ist auf Computern sehr verbreitet, die nicht oder nur mit erheblichem Aufwand in der Lage sind, Grafik darzustellen. Dabei bilden ein oder mehrere Buchstaben, manchmal auch Sonderzeichen ein Objekt. Durch gleichzeitiges Verschieben dieser Zeichen und Austauschen einiger Buchstaben oder ständiges Umdefinieren des Zeichensatzes entsteht die Animation.

Sprites (Hardware-kontrollierte Grafikblöcke) und Shapes (Software-generierte Grafikblöcke) animieren Sie, indem Sie lie Position und Form des Sprites oder Shapes fortlaufend ändern. Dies ist die einfachste Animations-Art, da Computer und Betriebssystem die Programmierung erleichtern.

Beim Atari ST bietet es sich in, eine Animation zunächst üld für Bild zu berechnen und :u speichern. Dabei spielt es kei-|ne Rolle, wie groß der Rechenaufwand für ein Teilbild ist. Später laden Sie alle Grafiken und issen sie schließlich schnell hintereinander in Art eines Daumenkinos anzeigen. Dadurch entsteht auch bei komplexen Objekten und hoher Auflösung der Eindruck einer fließenden Bewegung. Diese Art der Animation wurde erst mit der Einführung des Atari ST für den Hobby-Bereich interessant, da sie sehr speicherintensiv ist.

CAD-3D-Autor Tom Hudson arbeitet zur Zeit an einer neuen Version dieses Animations-Software-Klassikers. »Cyber Scope«, so der Name des Nachfolgers, wird auch Video-Recorder mit Einzelbild-Aufzeichnung unterstützen. Cyber Scope berechnet dann ein einzelnes Bild, lässt den Recorder dieses aufzeichnen und so fort, bis alle Teilbilder der Animation auf Band verewigt sind. Dadurch wird garantiert jeder Ihrer Filme ruckfrei wiedergegeben.

Welche Qualitäten der Atari ST als Produzent von Computer-Animationen an den Tag legt, zeigen die Filmstreifen, die sich durch die folgenden Seiten ziehen. Sie wurden von dem Animations-Programm »CAD-3D« errechnet und teilweise mit »Cyber Paint« nachbearbeitet. Die brandneue Version 2.0 von Cyber Paint muß sich ab Seite 118 mit »Imagic« messen.

Den WDR beeindruckten die grafischen Qualitäten des Atari ST sogar derart, daß derzeit eine komplette Science fiction-Fernsehserie mit CAD-3D produziert wird. Schauen Sie mit uns ab Seite 132 hinter die Kulissen.

Diese und andere Beiträge zum Thema Animation finden Sie ganz einfach, indem Sie immer dem Filmstreifen folgen. Also dann: Film ab! (ts)


Toni Schwaiger
Aus: ST-Magazin 07 / 1988, Seite 116

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