Editorial: Sie brauchen keine Textverarbeitung

Gewagte Aussage? Nein. Ich bin sogar sicher, daß niemand mit einem klassischen Textprogramm eine Seite so gestalten kann, wie er sich das vorstellt. Vielmehr ist Desktop Publishing die Universallösung für alle Textprobleme.

»Oh nein«, werden Sie jetzt vielleicht stöhnen, »das DTP-Zeugs ist mir doch viel zu umständlich. Mit meiner guten alten Textverarbeitung geht das viel einfacher und schneller.«

Moment. Daß DTP-Programme häufig durch einen komplizierten Funktions-Dschungel verwirren, ist doch nur eine von - zugegeben - vielen Kinderkrankheiten, die das Desktop Publishing noch nicht überwunden hat. Mangelnde Benutzerfreundlichkeit und unzureichende Geschwindigkeit: Waren das nicht auch die gravierendsten Nachteile, die den ersten Textverarbeitungen anhafteten?

Sehen Sie sich doch mal ein »modernes« Textprogramm an. Ohne Mehrspalten-Satz, Grafik-Einbindung und verschiedene Zeichensätze als Rückendeckung wagt sich keines mehr in die aufreibende Schlacht um die Gunst der Käufer. Gehören diese bei Textverarbeitungen hochgejubelten Features aber nicht schon längst zu den selbstverständlichen Grundfunktionen eines jeden DTP-Programms?

Der Computer soll Ihnen bei Ihrer Arbeit helfen, anstatt Sie dabei zu behindern. Wenn Sie ein Druckwerk - ob ansprechender Geschäftsbrief, Einladung, Schülerzeitung oder was auch immer - optimal gestalten wollen, dann müssen Texte und Grafiken an beliebiger Stelle in frei wählbarer Größe und Ausrichtung ohne Schwierigkeiten zu plazieren sein. Das gelingt mit einer Textverarbeitung - wenn überhaupt - nur mit größtem Aufwand.

Geben Sie den Autoren von Desktop Publishing-Programmen noch etwas Zeit, sich in die Problematik der neuen Materie einzuarbeiten.

Aber dann.

Ihr
Toni Schwaiger,
Leitender Redakteur


Toni Schwaiger
Aus: ST-Magazin 08 / 1988, Seite 3

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