Supercharger - Superflop? Zweifel an Beta Systems MS-DOS-Emulator

Es war im September des vergangenen Jahres, als die Frankfurter Beta-Systems AG eine aufsehenerregende Erweiterung für den Atari ST vorstellte: Ein kleines Kästchen in Zigarrenschachtel-Größe sollte jedem ST zur MS-DOS-Kompatibilität verhelfen. Nach fast einjähriger Wartezeit mehren sich die Zweifel an der Existenz des Produktes.

Das junge Team der Beta-Chip-Designer sollte die gesamte Logik des »Supercharger« genannten Emulators in einem einzigen Custom-Chip integrieren, 1 MByte zusätzlicher Arbeitsspeicher gehörten zur Serienausstattung. Die Auslieferung des ursprünglich 650 Mark teuren Hardwareemulators war für Oktober 1987 geplant.

Als im Dezember ’87 nicht einmal Prototypen in Sicht waren, teilte die Beta-Systems auf Anfrage mit, daß sich die Auslieferung bis Februar ’88 verzögere. Entgegen der ursprünglichen Planung würde die Produktion aus Kostengründen nach Japan ausgelagert. Der Februar verging und vom Supercharger war bis zur CeBIT kein weiteres Lebenszeichen zu vernehmen. Dort bekam der interessierte Kunde dann einen offensichtlich unfertigen Prototypen vorgeführt. Weitere drei Monate später geht das ST-Magazin nun Gerüchten nach, die hinter dem Projekt Supercharger eine »betrügerische Firma« vermuten. Einziges Interesse soll die »Entgegennahme von Vorauszahlungen« gewesen sein, um anschließend »spurlos zu verschwinden«.

Dr. Gisbert Fischer, Vorstand der Aktiengesellschaft Beta Systems, weist derartige Vorwürfe empört zurück: »Wir hatten technische Probleme mit dem Custom-Chip. Nachdem das Gerät mittlerweile serienreif ist, steht uns nun Deutschlands größter NEC-Vertragshändler als Vertrieb zur Seite.« Laut Fischer durchlebte das Gate-Array eine Odyssee durch die Fertigungsabteilungen namhafter Elektronikkonzerne, die sich alle als »unfähig« erwiesen hätten. »Wir fingen bei Fujitsu an, die für den Chip ein zu kompliziertes Testverfahren mit sehr hohen Testkosten einsetzten. NEC machte uns dann einen guten Preis, war aber zu langsam und unflexibel.«

Nachdem NEC die ersten Chip-Muster lieferte, lokalisierten die Beta-Entwickler zwei Design-Fehler auf dem Gate-Array, deren Beseitigung das Projekt erneut verzögerte. Eine weitere Station markierte anschließend die französische Chip-Firma »ES2«, die für Fischer heute nur noch ein »Lügengebäude« ist, gegen das die Beta Systems prozessiere. Auch Siemens erwies sich für die Herstellung des Gate-Arrays als ungeeignet. Der letzte Stand sei, so Fischer, daß der japanische Konzern Okidata den problematischen Baustein fertige. Eine »Risiko-Produktion«, bei der noch nicht alle Funktionen des endgültigen Musters überprüft wurden, läuft angeblich. Fischer hält es für eine »Frechheit« von allen genannten Firmen, sich überhaupt für die Herstellung des Gate-Arrays anzubieten: »Ich habe sechs Jahre in den USA gearbeitet und dort große Teams geführt. Das Testmuster eines Chips bekommt man dort in ein paar Tagen. Bei uns dauert das manchmal ein halbes Jahr. Als Chipentwickler sitzen Sie in Deutschland am Ende der Welt. Bei uns gibt es keine Firma, die über das nötige Know-how und die Geräte zur Herstellung von Custom-Chips verfügt.«

Gleichwohl kann Fischer den Verdacht veruntreuter Vorauszahlungen nicht beseitigen. Die Beta Systems sei, so Fischer, nur für die Entwicklung des Superchargers zuständig. Fischer verweist auf die bisherige Vertriebsfirma ABD.

Bis vor kurzem hätte sich die Stuttgarter ABD um die europäischen Vertriebsrechte bemüht. »Nachdem uns die ABD bis heute einen Beweis schuldig blieb, daß sie zur Vorfinanzierung der ersten 10000 Geräte in der Lage ist, haben wir die Vertriebsrechte exklusiv an die SEH in Erlensee vergeben.«

Die SEH wird den Europavertrieb außer England und Skandinavien übernehmen, bestätigt Beta-Systems zukünftiger Vertriebspartner. Voraussetzung sei jedoch, daß der vertraglich vereinbarte Auslieferungstermin für Ende September '88 eingehalten würde. Über die 50 überfälligen Vorseriengeräte verfügte die SEH bei Redaktionsschluß allerdings immer noch nicht.

Die ABD zeigte sich vom neuen Exklusivvertrieb überrascht. Ihr Kommentar: »Wir werden das nicht zulassen.« Nach eigenem Bekunden hat die ABD den Supercharger zu keinem Zeitpunkt gegen Vorauszahlungen angeboten. Vorbestellungen lägen nicht in großer Zahl vor, auch Schecks seien nicht eingelöst worden. Jeden berechtigten Anspruch würde die ABD zurückerstatten.

Auch wenn sich die technische Entwicklung des Superchargers nunmehr dem Ende nähern sollte, bleibt die pünktliche Lieferung des Emulators zweifelhaft: Der voraussichtliche Verkaufspreis von 798 Mark rechnet bereits das Ende der DRAM-Krise ein. Doch diese Rechnung ist ohne den Wirt gemacht. (am)


Tarik Ahmia
Aus: ST-Magazin 08 / 1988, Seite 8

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