Kaum ein Programm, einmal von Spielen abgesehen, kommt heute in einer endgültigen Fassung auf den Markt. Oft werden Fehler erst bemerkt, wenn sich schon eine Schar von Anwendern auf dieses Produkt gestürzt hat und in einen täglichen Kampf mit diesen Mängeln getreten ist.
Was sich in Sachen Verbesserungen seit der Einführung des ROM-TOS getan hat, ist wohl eher kläglich zu nennen. Lediglich für die Hardwareänderungen des Mega-ST (Blitter und Uhr) wurde eine neue Version des Betriebssystems geschaffen, in der man dann auch kleinere Bugs ausmerzte. Doch nun scheint es, als könnte das eintreten, woran kein ST-Benutzer mehr zu glauben vermochte. Atari liefert seit wenigen Wochen an einen kleinen Kreis von Journalisten und Softwareentwicklern eine neue Version des TOS aus, um diese einem Praxistest zu unterziehen.
Die Änderungen am neuen TOS sind derart vielfältig, daß eine stichpunktartige Auflistung fast vier Seiten in Anspruch nimmt. Der Beta-Test-Version liegt ein 23seitiges Dokument bei, das die Neuerungen kurz erläutert.
Die sichtbaren Änderungen sind im Desktop zu finden. So lassen sich Dateien jetzt nicht nur kopieren, sondern auch verschieben. Dies geschieht wie das Kopieren, nur daß dabei die Control-Taste zu drücken ist. Wendet man diese Funktion innerhalb eines logischen Laufwerks an, bedient sich das Desktop der Rename-Funktion des GEMDOS. Sie ist nämlich in der Lage, auch über verschiedene Pfadnamen umzubenennen. Es wird lediglich der Directory-Eintrag gelöscht und dann am gewünschten Ziel hinzugefügt. Überraschend ist, daß diese Fähigkeit schon in den alten TOS-Versio-nen schlummerte. Sind Quelle und Ziel nicht auf demselben Laufwerk, kopiert das Desktop erst die Datei und löscht anschließend die Quelldatei.
Das Desktop verfügt über eine neue Dialogbox zum Kopieren, Verschieben und Löschen. Außer den bisherigen Anzeigen (Anzahl der Ordner und Dateien), sind auch der aktuelle Zielordner und Name der momentan bearbeiteten Datei in der Dialogbox aufgeführt. Leider ist das Kopieren von Dateien immer noch ein Job für Diskjockeys. Zwar ist das Wechseln der Disketten auf einmal pro Datei reduziert, aber es wäre doch zu wünschen, daß das Desktop mehrere Dateien mit einem Rutsch verarbeitet. Ist beim Kopieren eine Datei gleichen Namens schon vorhanden, erscheint jetzt eine Box mit drei statt bisher zwei Knöpfen. Der neue Schalter gestattet es, den Kopiervorgang endgültig abzubrechen. Diese Abfrage läßt sich im Menü »Voreinstellungen« abschalten.
Das Kopieren ganzer Disketten geschieht jetzt mit einem Wechsel, vorausgesetzt, es steht genügend freier Speicher zur Verfügung. Auch hier präsentiert sich eine neue Dialogbox. Aus dieser Box heraus formatiert man nun eine Diskette. Umgekehrt läßt sich aus der Formatierbox das Diskcopy-Menü aufrufen. Anzumerken ist, daß das Format der Atari-Disketten weitgehend an das der MS-DOS-Rechner angepaßt wurde. Insbesondere PS/2-Rechner von IBM und PC-Ditto sind jetzt in der Lage, ST-Disketten zu lesen und zu schreiben.
Unter »Applikation anmelden« hat sich auch einiges getan. Die bedeutendste Änderung ist allerdings nicht sichtbar. Jedem Programm kann man schon seit jeher einen Dateityp zuordnen. Klickte man nun im Desktop eine Datei des entsprechenden Typs an, wird das Programm gestartet und der Dateiname übergeben. Leider wurde bisher nur der reine Programmname gespeichert und nicht der Pfad. Daraus ergab sich, daß Datei und Programm im gleichen Ordner liegen mußten. Das neue TOS speichert auch den Pfadnamen. Bevor nun das Desktop das Programm startet, wechselt es erst den Pfad. Das Programm findet so die Dateien, die es benötigt (beispielsweise Resourcen). Einmal angemeldete Applikationen meldet man jetzt auch auf diese Art ab.
Völlig neu ist, daß man eine Applikation als Autostart-Datei anmelden kann, die nach einem Reset oder einem Neustart des Computers gestartet wird, bevor ^ das Desktop erscheint. Anders als bei Programmen im AUTO-Ordner, darf es sich hier auch um eine GEM-Applikation handeln. Wie bei der Dateityp-Anwahl, wird vor dem Start der Pfad gewechselt. Nun gestaltet man sich sein System so, daß das Hauptprogramm nach dem Einschalten sofort startet.
Völlig neu ist der Programmteil, mit dem man Dateien druckt und auf dem Bildschirm ausgibt. Zum einen wurde die Ausgabe erheblich schneller, zum anderen läßt sich das Listen und auch das Drucken jederzeit durch Tastendruck abbrechen. Bisher ist es so, daß die Bildschirmausgabe nur am Ende einer Seite und ein Druckerlisting gar nicht zu stoppen sind.
Mega-ST-Besitzer wird es sicherlich freuen, daß das Betriebssystem einen Reset über die Tastatur zuläßt. Die Kombination < Control Alternate Delete > führt einen Warmstart aus. Drückt man zu der oben genannten Kombination noch die rechte Shift-Taste, wird vor dem Reset erst der Speicher gelöscht. Nach dem Reset befindet sich der Computer in einem Zustand, wie nach dem Einschalten. Diese Methode heißt Kaltstart.
Das Betriebssystem hat einiges an Verbesserungen erhalten. Während BIOS und XBIOS bereits in den alten TOS-Versionen weitgehend fehlerfrei ist, sind im GEMDOS zum Teil erhebliche Mängel zu beklagen. Die Atari-Programmierer haben deshalb auch an diesem Teil gravierende Änderungen vorgenommen.
Die alten TOS-Versionen haben eine sehr langsame FAT-Behandlung. Besonders bei Festplatten fällt dies unangenehm auf, wenn man eine Datei oder einen Ordner anlegt. Dies brachte mehrere Sekunden Wartezeit mit sich. Mit dem neuen TOS gehören diese Probleme der Vergangenheit an. Die Arbeit mit Festplatte ist fast so schnell wie mit Turbo-DOS. Benutzt man das mitgelieferte Cache-Programm, ist auch diese kleine Differenz kompensiert. Die Zuverlässigkeit ist allerdings um einiges höher als bei Turbo-DOS.
Das sogenannte »40-Ordner-Pro-blem« ist jetzt auch weitgehend aus der Welt geschafft. Nicht mehr aktive Ordner entfernt das Betriebssystem nun aus dem Speicher. Probleme gibt es jetzt nur noch, wenn die Verschachtelung der Ordner zu tief ist.
Viele wünschten sich, Ordner vom Desktop aus umzubenennen. Beim neuen TOS wurde die GEMDOS-Funktion »Frename« derart geändert, daß sie nun auch bei Ordnern ihre Wirkung zeigt. Diese neue Eigenschaft nützt das Desktop. Wie einer normalen Datei verpaßt man jetzt einem Ordner unter Datei-Info einen neuen Namen.
Für Anwender, die häufiger ein Festplatten-Backup machen, ist es sicherlich von Interesse, daß das sogenannte »Archivbit« im Dateiattribut (Bit # 5) jetzt korrekt verarbeitet wird. Nach dem Anlegen oder Ändern einer Datei setzt TOS Bit #5. Ein Backup-Programm erkennt nun, welche Dateien neu sind oder geändert wurden. Anschließend löscht das Programm dieses Bit und die Datei wird beim nächsten Backup nicht gesichert.
Einiges getan hat sich auch bei AES und VDI. Am auffälligsten ist die neue Datei-Auswahlbox. Sie enthält jetzt 16 Knöpfe zur direkten Laufwerksanwahl. Die ewige Tipperei im Pfadstring hat jetzt ein Ende. Wer trotzdem seine Eingaben von Hand machen möchte, schließt diese jetzt mit < RETURN > ab, ohne die Box zu verlassen. Wechselt man das Laufwerk mit einem der Knöpfe, wird der aktuelle Pfad des gewünschten Laufwerks eingestellt und nicht wie bisher das Hauptverzeichnis. Außerdem läßt sich der Datei-Auswahlbox in eigenen Programmen ein Titel geben, der beim Aufruf oben in der Box erscheint. Zu diesem Zweck gibt es einen neuen AES-Aufruf mit dem Namen »FSEL____EXINPUT« und dem Opcode 91.
Eine weitere neue Funktion wurde mit »WIND___NEW« (Opcode 109) ins AES übernommen. Sie schließt und löscht alle Fenster. Außerdem setzt Sie die Maus in ihren ursprünglichen Zustand zurück. Eine neue Funktion hat auch die WIND____GET-Routine zu vermelden.
Wird der Parameter WF_____SCREEN übergeben, erhält man Adresse und Größe des Menü-Puffer vom AES zurück.
Während der Testphase traten keine nennenswerten Kompatiblitätsprobleme auf. Fast alle Programme, die mit dem Blitter-TOS laufen, verrichteten auch auf dem neuen Betriebssystem tadellos ihren Dienst. Lediglich einige Programme, die tief ins Betriebssystem eingreifen, versagten unter dem neuen TOS. Von solchen Programmen sollte man auch getrost Abstand halten und auf Produkte zurückgreifen, die »sauber« programmiert sind. Außerdem sind die meisten Softwarehäuser im Besitz des neuen TOS, so daß zu dessen Einführung die Probleme behoben sein sollten. Für den Festplattenbesitzer ist das neue TOS sicher ein Muß. Das Tempo, das jetzt erreicht wird, übertrifft jeden Hard-Disk-Beschleuniger um einiges. Zudem verurteilt es noch einige residente Tools, wie Tastaturreset, erweiterte Fileselect-Box und Turbo-DOS zur Arbeitslosigkeit. Auch für »Nur-Disketten-Anwender« enthält es sicher genügend neue Features, die den Kauf der neuen ROMs rechtfertigen. Bleibt nur noch zu sagen, daß das neue TOS Ende November verfügbar sein soll und 149 Mark kostet. (uh)