Computer statt Lötkolben: Simulation digitaler Schaltungen mit dem Atari ST

Ein Doppelklick offenbart das Innenleben der Makros

Heutzutage stellt die Simulation einer digitalen Schaltung auf einem Computer eine durchaus übliche Methode dar. Hier prüft der Entwickler sie dann einfach auf Funktion, Plausibilität und Unempfindlichkeit gegen äußere Einflüsse. Ein Simulationsprogramm muß dabei möglichst praxisnah arbeiten. Das Programm muß die Berechnung frequenzabhängig durchführen — auch logische Schaltkreise verhalten sich bei Hochfrequenz anders als bei niedriger Frequenz. Ebenso muß es die gegebenenfalls erforderlichen Pull-Up-/Down-Widerstände in der Berechnung berücksichtigen. Weitere Gesichtspunkte stellen einfache Handhabung (also Plazierung der Bauteile mit Maus oder Joystick) und die einfache Konzipierung einer Schaltung auf dem Computer dar. Die Möglichkeit, eigene Bauteile zu definieren und Impulsdiagramme anzufertigen, spielt bei diesen Anwendungen eine große Rolle.

»ST-Digital« vom Heim Verlag ist ein Vertreter dieser Logiksimulationsprogramme. Mit seinem Preis von 89 Mark ist dieses Programm in die untere Preisklasse von Simulationssoftware einzuordnen. Wir haben untersucht, ob ST-Digital in der Praxis von Nutzen ist und ob es die oben angeführten Forderungen erfüllt.

Auf den ersten Blick

Nach dem Start des Programms steht dem Entwickler eine ansehnliche Anzahl von vordefinierten Bauteilen und ein Makro-Konzept zur Schaffung eigener Schaltkreise zur Verfügung. Der Bildschirm gliedert sich bei der Schaltungseingabe in ein Bauteilefenster und ein Arbeitsfenster (Hauptschaltung oder Makroschaltung) auf. Per Maus entnehmen Sie die benötigten Elemente aus dem Bauteilefenster, um Sie dann im Arbeitsfenster zu plazieren und zu »verdrahten«. Funktion, Lage, Anschlußbelegung und interne Programmierung der Bausteine (zum Beispiel bei ROMs) legen Sie mit Doppelklick am Bauteil fest.

Baukasten

Die vorhandenen Bauteile gliedern sich in fünf Gruppen auf:

Da diese Bibliothek sich also auf die Grundbauelemente der digitalen Schaltungstechnik beschränkt, muß der Entwickler schon ein ordentliches Stück Arbeit leisten, um eine einigermaßen gut bestückte Bauteilebibliothek per Makro zu erhalten. Eine Datei, bestehend aus allen Grundbausteinen der 74er-TTL beziehungsweise CMOS-Serie sowie vordefinierte Linearbausteine (wie es in Profisystemen üblich ist) würde den Anwender deutlich entlasten. Einige Systeme arbeiten hier sogar mit gemessenen, realistischen Werten und dem Schaltverhalten von Originalbauteilen. Bedenkt man allerdings den Preis dieses Programmes, wäre dies wohl zuviel verlangt.

Impulsdiagramm und die zugehörige Schaltung
Die Zustandsdarstellung der Leitungen

Verdrahten per Maus

Haben Sie eine Schaltung oder ein Makro mit ihren Bauteilen auf dem Arbeitsfenster plaziert, so verdrahten Sie die einzelnen Pins der Bauelemente mit der Maus, die bei dieser Prozedur sinnigerweise die Form eines kleinen Lötkolben annimmt. Hierbei achtet das Programm auf folgende Fehler:

Unterläuft Ihnen eine solche Fehlverbindung, so gestattet ST-Digital das Löschen und Neuzeichnen der Verdrahtung. Auch das Beschriften der Schaltung zu Dokumentationszwecken ist kein Problem.

Wählen Sie die interaktive Simulation aus der Menüleiste, testet das Programm die Schaltung in ihrem Ablauf. Hierbei gestattet es das Simulationsprogramm, sich die Zustände der Verbindungsleitungen anzeigen zu lassen. Die Ausgabebausteine (Lampe oder Ton) reagieren dann gemäß ihrer Beschaltung.

Mittels eines Doppelklicks »sehen« Sie während der laufenden Simulation in die Makros hinein, um einen Eindruck vom Funktionsablauf zu gewinnen.

Auch an die Darstellung als Impulsdiagramm dachten die Programmierer von ST-Digital. Bei dieser Art der Simulation sehen Sie den Signalverlauf in Rechteckdiagrammen. Sie definieren die Eingangssignale in ihrem zeitlichen Verlauf und erhalten danach das vom Computer errechnete Ausgangssignal. Dabei stellt das Programm für jeden Ausgabekanal eine Zeile zur Verfügung. Leider läßt die Zuordnung der Diagramme zu den einzelnen Kanälen etwas zu wünschen übrig. Auch die etwas spartanische Bildschirmdarstellung der Diagramme fällt negativ auf.

Druckerei

Die Druckausgabe ist auf Epson FX-80 kompatiblen Druckern vorgesehen. Besitzen Sie einen NEC P6/P7, so finden Sie im Ordner »Drucker« auch den passenden Treiber. Leider sieht das Programm nicht vor, den Treiber während des Programmlaufs zu wechseln. Vor dem Start des Programms müssen Sie umständlich den richtigen Treiber in das Root-Verzeichnis kopieren und in »PRINTER.DRV« umbenennen. Für andere Drucker führt das Handbuch mehr schlecht als recht einige Hinweise zur Anpassung auf. Bei der Qualität des Ausdrucks wählen Sie zwischen verschiedenen Auflösungsstufen. Ebenso wählen Sie den Schaltungsausschnitt, den Sie drucken wollen.

Mit seinen 44 Seiten wirkt das Handbuch eher abschreckend auf Neulinge. Zwar weist der Autor ausdrücklich darauf hin, daß das Begleitbuch keine Einführung in die Schaltungstechnik sein soll, doch wären genauere Beschreibungen über Funktion und Wirkungsweise von Bauelementen angebracht.

Daß dieses Programm keinesfalls den Testaufbau einer digitalen Schaltung ersetzen kann, liegt auf der Hand. Hierfür fehlen ganz entscheidende Funktionen und Berechnungsverfahren sowie angepaßte Bibliotheken. Doch speziell für Anwender, die sich mit den Grundbegriffen der digitalen Schaltungstechnik vertraut machen wollen, empfiehlt sich dieses Programm wegen seiner einfachen Bedienbarkeit und Verständlichkeit. Auch der Preis zielt eindeutig auf diese Zielgruppe. Erwarten Sie jedoch einen »Profi-Simulator«, so sollten Sie sich nach anderer Software umsehen. (uw)

Heim Verlag, Heidelberger Landstraße 194, 6100 Darmstadt-Eberstadt

Wertung

Name: ST-Digital
Preis: 89 Mark
Lieferumfang: Programmdiskette, Handbuch

Stärken:
□ einfache Bedienbarkeit □ Grundlagen der Digitaltechnik werden deutlich

**Schwächen: ** □ kein praxisgerechtes Arbeiten möglich □ kleine Bauteilbibliothek □ schlechte Impulsdiagrammdarstellung □ zu knappes Handbuch

Fazit:
für Schulungszwecke geeignet


Hans Hoffmann
Aus: ST-Magazin 05 / 1989, Seite 30

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