Script: Signums kleiner Bruder

Optimale Druckqualität bei niedrigem Preis — Script zielt auf den schönen Schreibbedarf.

Eines der bekanntesten Textverarbeitungsprogramme für den ST ist »Signum« von Application Systems. Sein Erfolg gründet sich in erster Linie auf die außergewöhnliche Druckqualität, die das Programm durch die Ausnutzung der maximalen Druckerauflösung erreicht. Es gibt viele Anwender, die sich ihren ST nur gekauft haben, um mit Signum zu arbeiten. Trotzdem hat das Programm auch seine Schattenseiten. Vor allem bei längeren Texten wird die umständliche Handhabung schnell lästig. Application Systems hat das Problem erkannt und »Script« mit der gleichen Druckersteuerung, aber wesentlich einfacheren Bearbeitungsformen von Fließtexten ausgestattet.

Mit den Lineal-Icons formatieren Sie Ihre Texte sehr einfach per Knopfdruck

Erwartungsgemäß ist Script in GEM eingebunden und bietet alle Vorteile der grafischen Benutzeroberfläche. Daß die wichtigsten Funktionen auch über Tastatur erreichbar sind, zeigt ein Blick in die Menüs. Hinter den Einträgen stehen die jeweiligen Befehlskürzel, wodurch sich so manches Nachschlagen im Handbuch erübrigt. Das auffälligste Merkmal des Programms sind die Zeilenlineale. Wir sehen später, wie man mit Hilfe der Lineal-Icons sehr bequem formatiert.

Wer Texte bearbeiten und gestalten will, muß sie erst einmal laden oder eingeben. Script scheint diese triviale Tatsache nicht besonders ernst zu nehmen, denn es benimmt sich hier recht eigenwillig. Textdateien haben immer die Extension ,STX — anderslautende Benutzerwünsche ignoriert das Programm. ASCII-Dateien behandelt es grundsätzlich wie Fließtexte und formatiert sie nach dem Laden ärgerlicherweise automatisch um. Beim Speichern von Texten im ASCII-Format fügt es eigenmächtig hinter jeden Absatz eine zusätzliche Leerzeile als Endekennung ein. Dahinter steckt der Gedanke, Fließtext im ASCII-Format zwischen verschiedenen Programmen auszutauschen. Wir meinen, daß hier zumindest eine Gelegenheit zum Umschalten auf zeilenbezogenes Verhalten angebracht wäre.

Scrollen nur mit der Maus

Leider sind damit nicht alle Kritikpunkte vom Tisch. Wir sind sehr verwundert, daß Script zeilenweise nur mit der Maus (oder per Mausmakro), nicht aber direkt mit der Tastatur scrollt. Ist der Cursor in der Nähe des unteren oder oberen Bildschirmrandes, wandert der Text gleich um eine halbe Bildschirmseite weiter. Der Cursor und damit die aktuelle Zeile stehen dann in der Mitte des Bildschirms — sehr gewöhnungsbedürftig. Die Philosophie dahinter ist klar. Man sieht immer die jeweils letzten geschriebenen Sätze, dennoch für die ST-Welt ein völlig neues Konzept. Völlig unverständlich hingegen ist das unkontrollierbare Nachlaufen der Tastatur. Das sollte bei einem modernen Textprogramm für den ST nicht mehr passieren.

Zur bequemen Bearbeitung größerer Textabschnitte dienen die Blockfunktionen. Sie sind über ein Klemmbrett realisiert und arbeiten, wie man es von ihnen erwartet — problemlos gut. Blockteile markieren Sie einfach mit der Maus. Das Suchen und Ersetzen von Zeichen oder Wörtern funktioniert einwandfrei, und <UNDO> macht die letzte Löschoperation wieder rückgängig.

Das Zusatzprogramm »Protos« verhilft Script sogar zur Makrofähigkeit. Leider ist im Lieferumfang nur eine Miniversion vorhanden, mit der sich keine eigenen Makros programmieren lassen. Die gängigsten Makros sind bereits beigefügt, für eigene Makros benötigen Sie die Vollversion mit vielen weiteren Leistungsmerkmalen. Sie schlägt allerdings mit zusätzlichen 69 Mark zu Buche.

Bisher haben wir uns überwiegend kritisch geäußert, es ist jetzt an der Zeit, diese Kritik zu relativieren. Script ist kein Texteditor, sondern ein Programm zur Textgestaltung. Die bisher aufgezeigten Mängel verlieren somit an Bedeutung.

Sieht man einmal von reinen DTP-Programmen ab, gibt es am ST kaum eine Textverarbeitung, in der das WYSIWYG-Prinzip besser als bei Script realisiert ist. Von der Darstellung verschiedener proportionaler Schriften c samt Attributen über Absatz- und Seitenformate bis hin zu Kopfzeilen, Fußzeilen und Fußnoten erscheint am Bildschirm alles genauso wie später auf dem Papier.

Die angenehme Überraschung setzt sich bei den verwendbaren Schriften fort. Je nach Speicherausbau ist die Verwendung von bis zu 255 beliebigen, proportionalen Signum-fonts in einem Dokumeht erlaubt. Leider liefert Application Systems nur Rockwell in einigen Größen und Abwandlungen mit. Durch die Teilnahme am Sifox-Pool von Application Systems oder das Angebot auf dem Public-Domain-Markt kann man sich problemlos mit guten Fonts eindecken.

Gute Fonts per Public Domain

Für die Gestaltung von Absätzen oder Textteilen stehen Zeilenlineale zur Verfügung, die sich per Doppelklick zwischen Zoll und Zentimeter umschalten lassen. Damit legen Sie linke und rechte Ränder eines Dokumentes sowie negative oder positive Absatzeinzüge fest. Die Formatierung in Flattersatz, Blocksatz etc. ist geradezu ein Kinderspiel. Ein Lineal anklicken, der aktuelle Absatz ist automatisch markiert, und schon der nächste Klick auf das entsprechende Icon löst die gewünschte Aktion aus. Zusätzlich stehen über ein eigenes Menü die üblichen Schriftattribute zur Verfügung wie fett, italic, unterstrichen, groß, klein, hochgestellt, tiefgestellt. Alles funktioniert einwandfrei und mit beachtlicher Geschwindigkeit (ungefähr 7 KByte/s). Man muß es sich ausdrücklich bewußtmachen, daß alles im Proportionalschriftmodus passiert. Es gibt Programme, die mit dem normalen 8 x 16-Zeichensatz langsamer arbeiten.

Wer Wörter oder Zahlen an bestimmten Positionen ausrichten will, freut sich über vier verschiedene Tabulatoren. Links-, Zentrier-, Rechts- und Dezimaltabulator lassen keine Wünsche mehr offen. Ein Leckerbissen sind die Schalter zur Einstellung des Zeilenabstandes. Im Normalfall übernimmt dies eine Automatik. Sollte das Ergebnis nicht zufriedenstellend sein, hilft die pixelgenaue manuelle Kontrolle. Diese Funktionen sowie sämtliche Schriften, Attribute und sonstige Formate stehen auch im Kopf-und Fußzeilenbereich sowie in den Fußnoten zur Verfügung. Damit ist also die bekannte Vorschrift, den Haupttext eineinhalbzeilig, die Fußnoten jedoch nur einzeilig zu drucken, ohne Probleme erfüllbar.

Bei den Kopf- und Fußzeilen fiel uns positiv auf, daß Script sie über ein Steuerzeichen in den normalen Text einstreut. Dadurch verschieben sie sich nach dem Einfügen oder Herauslöschen von Textteilen automatisch an die richtige Position. Der einzige Nachteil dieser Methode: Es besteht die Gefahr, die Steuerzeichen beim Löschen eines Blockes versehentlich mitzulöschen.

Ein erwähnenswertes Detail ist die Anzeige des aktuellen Zeichensatzes und seiner Tastaturbelegung sowie die Zuweisung beliebiger Kombinationen von Schriften und Attributen an die Funktionstasten. In der Praxis schaltet man damit z. B. von »Schrift A normal« auf. »Schrift B fett, unterstrichen, groß« mit einem einzigen Tastendruck um. Die Auflockerung von Schriftgut mit Grafiken ist sozusagen das »Salz in der Suppe« des Textgestalters. Selbstverständlich zeigt Script auch in dieser Beziehung Flagge. Es versteht die Formate .IMG, STAD sowie Signum und erlaubt die Verwendung von Bildausschnitten und deren vertikale und horizontale Verzerrung. Nützlich für einen sauberen Druck ist auch die Optimierung der Bildgröße auf den angeschlossenen Drucker. Als Schwachpunkt empfinden wir die mangelnde seitliche Beschriftungsmöglichkeit. Script behandelt Bilder wie sehr große Buchstaben, so daß sich leider höchstens eine Textzeile neben einer Grafik befindet.

Spätestens beim Ausdruck des fertigen Textes zieht Script alle Register seines Könnens. Es arbeitet wie sein großer Bruder Signum im Grafikmodus mit der höchstmöglichen Druckerauflösung und erzeugt eine Schriftqualität, die derzeit die Spitze des technisch Machbaren darstellt. Darüber hinaus steht sogar der wesentlich schnellere Draft- oder Proportionalschriftmodus des Druckers zur Verfügung. Dieser Druckmodus nimmt keine Rücksicht auf verschiedene Schriftarten oder Zeilenabstände, er ist zur schnellen Kontrolle des Textinhaltes gedacht.

Gut gefallen uns die vielen Funktionen zur Steuerung des Ausdrucks. Ein Umschalter zwischen Einzelblättern und Endlospapier ist genauso vorhanden wie die Wahl der auszudruckenden Seiten und deren Anzahl. Die linken Ränder lassen sich beim Ausdruck für gerade und ungerade Seiten getrennt festlegen. Wer schon einmal Druckvorlagen für eine Dokumentation abgeliefert hat, weiß dies zu schätzen. Bleibt eigentlich nur „noch die vordefinierbare Seitenlänge für Endlospapier und der wahlweise letzte Seitenvorschub zu erwähnen, um das Kapitel Drucken positiv abzurunden.

Wirklich bemerkenswert ist die Betriebssicherheit von Script. Programmfehler oder gar Abstürze lassen sich selbst mit gemeinen Testmethoden nicht herbeiführen.

Alle Befehle lassen sich auch über die Tastatur steuern

Betriebssicherheit großgeschrieben

Oft genug ein arger Kritikpunkt bei vielen Programmen ist das Handbuch. Im ersten Augenblick möchte man das auch beim Script-Handbuch vermuten. Sein billiger Pappumschlag mag zwar originell gestaltet sein, aber die Bezeichnung »solide« darf er nicht für sich in Anspruch nehmen. Ganz anders sieht es dagegen mit den »inneren Werten« aus. Man findet sowohl ein aussagekräftiges Inhaltsverzeichnis als auch ein sorgfältig ausgewähltes Stichwortregister. Auf den Neuling wartet im ersten Teil eine leicht lesbare Einführung, an die sich im zweiten Teil eine ausführliche Programmbeschreibung anschließt. Das dritte Kapitel ist alphabetisch geordnet und dient als Referenzteil für die Fragen der erfahreneren Anwender. Sehr lobenswert Finden wir die Tips und Tricks aus der Praxis sowie die informative Beschreibung der Fehlermeldungen und Druckertreiber. Wer Script wirklich nutzen will, der sollte das Handbuch unbedingt lesen.

Fassen wir die einzelnen Ergebnisse noch einmal zusammen. Script ist kein alltägliches Programm. Seine Funktionen sind zumeist gut durchdacht, manchmal für ST-Verhältnisse jedoch etwas ungewohnt. Das gilt vor allem für die Dateizugriffe und die Texteingabe. Die Ausstattung mit Funktionen ist nicht unbedingt üppig, vor allem fehlt eine automatische Silbentrennung. Sie würde die Formatierungsarbeiten wesentlich erleichtern. Dennoch ist das Programm für das Bearbeiten von Fließtexten gut geeignet. Elegante Textformatierung in Verbindung mit Signum-Zeichensätzen und Grafiken sind auf einfachste Weise nutzbar. Alles, selbst Kopfzeilen und Fußnoten, stellt Script am Bildschirm so dar, wie es später am Papier erscheint. Mit Ausnahme der DTP-Systeme bietet derzeit kein anderes ST-Programm ein derart konsequentes WYSIWYG.

Wer in der Preisklasse bis 200 Mark ein einfach zu bedienendes Programm sucht, das Proportionalschrift im Blocksatz beherrscht und optimale Druckqualität bietet, der kommt an Script nicht vorbei. (uw)

Wertung

Name: Script
Preis: 198 Mark
Hersteller: Application Systems

Stärken: □ verwendet beliebige Signum-Fonts □ sehr einfache Formatierungsfunktionen □ vollständiges WYSIWYG-Prinzip □ überlegene Druckqualität □ gut durchdachtes Handbuch □ hohe Betriebssicherheit

Schwächen: □ eigenwillige Dateifunktionen □ gewöhnungsbedürftiger Editor □ keine automatische Silbentrennung

Fazit: als günstige Textverarbeitung mit einfacher Bedienung und hoher Betriebssicherheit sehr zu empfehlen

Application Systems Heidelberg, Englerstr. 3, 6900 Heidelberg 1


Rywald Oktober
Aus: ST-Magazin 04 / 1990, Seite 53

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