Editorial: Von Mann zu Mann?

Neue Technologien sprießen wie Pilze aus dem Boden. Die Computer und das Zubehör werden immer besser und schneller, und die Anwender dieser »Supermaschinen« sind meistens Männer. Die Frauen, die die Tastatur ihres Computers nicht nur zum Tippen von diktierten Texten benutzen, sondern sich auch mit einem C-Listing oder einem brandneuen Programm auseinandersetzen" gelten meist als »Exoten«. Ganz schlimm wird es, wenn sich eine Frau mit einem Schraubenzieher und einem Lötkolben bewaffnet an das Innenleben ihres Computers macht. Bei solchen, in der Männerwelt völlig alltäglichen Situationen schütteln die »Herren der Schöpfung« leider nur allzuoft den Kopf. Kommentare wie »Frauen und Technik, zwei Welten prallen aufeinander« oder »... lassen Sie mich das lieber machen, das ist doch nichts für Frauen« sind da nicht selten. Dabei haben nicht nur Männer Verständnis und Wissen, was die Technik betrifft.

Es passiert mir häufig, daß Leserpost mit der Anredeformel »Sehr geehrte Herrn« auf meinen Schreibtisch flattert oder daß ich einen Anruf bekomme und ich die Bitte höre » ... könnte ich einen Kollegen von Ihnen sprechen?«. Ich freue mich ja über Leserpost und -anrufe" doch in solchen Situationen kommt in mir die Frage hoch, traut man der Frau von heute nichts zu? Die »Herren der Schöpfung« haben sich doch auch schon in die Küchen und Kinderzimmer vorgewagt und sind von den Frauen als Hausmänner akzeptiert. Wo als bleibt die Akzeptanz der Männer" daß auch Frauen in technischen Berufen Spitzenarbeit leisten? Wir müssen genau wie jeder Mann jeden Tag gute und saubere Arbeit abliefern, dies funktioniert sicher leichter" wenn die Männer uns nicht immer zweifelnd über die Schulter blicken wurden.

Herzliche Grüße, Ihre
Michaela Beckers
Redakteurin



Aus: ST-Magazin 06 / 1990, Seite 3

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