Noch lange nicht am Ende: Interview mit Konstantinos Lavassas, einem der Programmierer von Graffiti

ST-Magazin: Herr Lavassas, Sie studieren das Fach Bauingenieurwesen. Wie kamen Sie zum Programmieren auf dem Atari ST?

Lavassas: Ziemlich spät. Vorher habe ich auf dem C64 Programme geschrieben, kleine Anwendersoftware wie z.B. Adreßverwaltung zum Hausgebrauch — aber keine Grafik.

In der FH standen im Labor der Bauphysiker damals noch die guten alten PETs als Meß-Computer herum. Der C 64 war dieser Maschine nicht unähnlich.

Doch weil die Rechenzeit (und natürlich die Speicherkapazität) bei diesen Geräten nicht mit moderneren Rechnern zu vergleichen war, bin ich auf den Atari ST umgestiegen.

Darauf habe ich zuerst für das Studium verschiedene Zeichnungen angefertigt. Doch das Bildformat war einfach zu klein für die großen Pläne, die für einen Bauingenieur notwendig sind. Also habe ich ein erstes Grafikprogramm für den Atari geschrieben, damals schon in GFA-Basic. Seitdem habe ich an der Realisierung mehrerer Generationen von »Lavadraw« mitgearbeitet.

ST-Magazin: Heute zählen Sie zu einem der führenden Köpfe, wenn es um Computergrafik auf Atari-Systemen geht.

Ihr neuestes Werk, »Graffiti«, stellen wir in dieser Ausgabe vor. Damit verwirklichen Sie eine Art Benutzeroberfläche, die künftig vom Grafikeditor bis zur Finanzbuchhaltung alles enthält, was man zu professionellen Zwecken benötigt. Wie kamen Sie eigentlich auf die Idee, das Grafikprogramm zu einer Benutzeroberfläche zu erweitern?

Lavassas: Ich arbeitete damals an der Konzeption von Graffiti, was damals noch als reines Zeichenprogramm geplant war. Da gab es Probleme mit der Übergabe der Zeichenfläche an die verschiedenen Module, so daß ich auf die Idee kam, dem Grafik-Modul eine Art Shell vorzuschalten, die dann quasi als Brücke zwischen den verschiedenen Anwendungen dient. Denn mein Ziel ist es, ein Programm zu entwickeln, das den Wünschen der Anwender möglichst weit entgegenkommt. Und dazu ist weitgehende Modularisierung der Software unumgänglich.

Wir erfragen mit jedem verkauften Programm die Interessen und Wünsche, die die Anwender von Graffiti haben. Und in Abhängigkeit davon werden wir weitere Module entwickeln.

ST-Magazin: Welche Probleme haben Ihnen bei der Programmierung von Graffiti zu schaffen gemacht?

Lavassas: Eindeutig die Fehler im GFA-Basic. Zum Beispiel gibt es mehrere Funktionen, die im Interpreter gut arbeiten, in der compilierten Version aber nicht.

Dazu die sehr knappe Dokumentation der System-Eigenheiten des ST — da kann man manchmal lange suchen, um Klarheit zu bekommen. Das ist auch einer der Gründe, warum die Programmentwicklung auf dem ST oft so elend lange dauert.

ST-Magazin: Werden Sie für den TT Programme entwickeln?

Lavassas: Erst mal muß der TT auf dem Markt sein, und zwar so, daß ihn wirklich jeder kaufen kann, der ihn haben will. Dann können wir uns über TT-Software unterhalten.

ST-Magazin: Was halten Sie vom TT?

Lavassas: Schon an anderer Stelle habe ich gesagt, daß der TT zu sehr wie ein »verdrahteter Joghurtbecher« aussieht. Der Preis ist für den jetzigen Stand (16 MHz Systemtakt, 2 MByte RAM) zu hoch. Entweder die Geschwindigkeit der Maschine wird deutlich erhöht oder der TT schafft es meines Erachtens nicht, gegen die Konkurrenz anzutreten. (Anmerkung der Red.: Es verdichten sich Gerüchte, daß Atari gerade diese Kritikpunkte berücksichtigt und z. B. die Taktfrequenz heraufsetzen will.)

ST-Magazin: Und der STE?

Lavassas: Schon beim Betriebssystem gibt es Probleme, weil zu viele Programme nicht darauf laufen.

Und dann hat der STE zuviel von einer Spiel-Konsole an sich, für den es keine Spiele gibt. Denn die ST-Spielsoftware kommt leider immer noch in zu vielen Fällen mit dem STE nicht zurecht.

ST-Magazin: Wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft aus?

Lavassas: Jetzt ist erst mal mein Studium dran. Das Examen wird einiges an Zeit beanspruchen. Und dann — man wird sehen. Es kommt ganz darauf an, wie die ST-Gemeinde unser Graffiti annehmen. Außerdem möchte ich auch mal etwas anderes als Grafik-Software programmieren, z.B. Kalkulations- und Statistiksoftware.

ST-Magazin: Wir danken für das Gespräch und wünschen Ihnen für die Zukunft alles Gute.

(Ulrich Hilgefort/uw)

Steckbrief

Name: Konstantinos Lavassas
Alter: 28 Jahre
Beruf: Student Bauingenieurwesen
Software: Lavadraw, Graffiti

Programmiersprachen: GFA-Basic, Pascal, ein wenig C

Hobbys: Außer Programmieren (»ich bekomme immer noch Entzugserscheinungen, wenn ich länger als drei Tage keine Tastatur unter den Fingern habe«) Auto fahren und reisen, Messebesuche machen.



Aus: ST-Magazin 08 / 1990, Seite 28

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