ST-Event-Editor (Folge 1) - STEVE: Darf's ein bißchen mehr sein?

Eingangslogo: Im Grafikteil von Steve entworfen

Textbearbeitung total: Steve - der ST-Event-Editor - vereint viele Funktionen in sich, die man sonst nur einzeln in verschiedenen Programmen findet.

Die erste Version von Steve, einer in Jugoslawien entwickelten Software, erschien bereits 1986. Seither folgten einige Updates. Es liegt nun ein Programm vor, das den unterschiedlichsten Anforderungen gerecht wird. Mit Steve bekommt das Büro, der Händler, der Lehrer oder der Wissenschaftler ein mächtiges Werkzeug. Das von Primoz Jakobin entworfene Konzept des Programms zeigt auch heute noch den Weg der Zukunft: Bei möglichst einfacher Handhabung werden viele verschiedene Funktionen für die Bearbeitung von Text, Daten und Grafik zur Verfügung gestellt. Ein Wechsel zwischen Programmen wird unnötig. Dabei soll der Anwender die Möglichkeit haben, das Programm bis zum kleinsten Detail seinen Wünschen entsprechend anzupassen. Erstaunlich, daß Steve trotz der vielfältigen und verblüffenden Fähigkeiten relativ unbekannt geblieben ist.

Die Maus hat dazugelernt

Ein ganz ungewöhnliches Erlebnis ist die Bedienung der Maus. Entgegen aller Norm »klebt« der Cursor an der Maus, d.h. jede Bewegung verändert sofort die Lage des Cursors auf dem Bildschirm. So ist es nicht mehr nötig, den Cursor durch einen Mausklick zu positionieren. Für den ungeübten Steve-Benutzer bedarf es hier der Gewöhnung, denn ein kurzer Stoß gegen die Maus läßt den Cursor über den Text wandern. Die Maus besitzt aber noch weitere gut durchdachte Funktionen:

Je nach Position des Cursors kann ein Klick auf die linke Maustaste eine Leerstelle oder eine Leerzeile in den Text einfügen. Entsprechend wirkt ein Klick auf die rechte Maustaste umgekehrt: Es kann ein Buchstabe unter dem Cursor gelöscht werden oder gar eine ganze Zeile. Ebenfalls mit Hilfe der Maus kann zeilen- oder bildschirmweise gescrollt werden. Nach einer kurzen Gewöhnungszeit zeigen sich die enormen Vorzüge dieser Konzeption. Ein Wandern und Korrigieren im Text wird durch eine so konzipierte Maus nicht nur bequemer, sondern auch viel schneller.

Die beiden Maustasten lassen sich aber auch nach eigenen Wünschen belegen. Da kann man Texte, aber ebenso komplexe Makroprogramme auf die Maustasten legen. Allerdings sind hierbei die oben beschriebenen Funktionen, abgesehen vom Scrollen, außer Kraft gesetzt.

Normale Textverarbeitung?

Innerhalb einer sog. Startsequenz kann festgelegt werden, was Steve nach dem nächsten Programmstart machen soll. Daher hängt das Erscheinungsbild vom jeweiligen Benutzer ab. Beim Start des Originalprogramms erscheint zunächst ein Diskettenmenü. Sofern kein Dokument geladen werden soll, genügt ein Mausklick, und es erscheint das Arbeitsfenster. Ganz entgegen der üblichen Fenster mit Rollbalken und Knöpfen zeigt sich hier je nach Einstellung ein weißer oder schwarzer Bildschirm. Der obere und untere Bildrand ist durch zwei Linien begrenzt, die ausgeblendet werden können.

Wer gerne nichts anderes als seinen Text auf dem Bildschirm sieht, liegt hier genau richtig. Eine Menüleiste klappt herunter, wenn die Help-Taste gedrückt oder der Cursor an die oberen Bildschirmecken bewegt wird.

Steve kann bis zu zehn Dateien gleichzeitig bearbeiten, jedoch ist jeweils nur ein Text auf dem Bildschirm zu sehen. Für das Springen zwischen den Texten ist eine Control-Sequenz zuständig: die Control-Taste plus eine Zahlentaste (von 1 - 0). Natürlich kann Steve alles, was eine ganz normale Textverarbeitung auch kann. Textblöcke lassen sich auch zwischen Dateien problemlos und bequem verschieben oder kopieren. Das Suchen und Ersetzen vollzieht sich, wie fast alles bei Steve, rasend schnell, da die Software in Assembler geschrieben ist.

Aber bei den meisten Funktionen hat der Programmierer noch ein wenig mehr getan. Es läßt sich z.B nicht nur ein markierter Block löschen, sondern auch das Blockkomplement. So wird alles außer dem Block gelöscht. Neben den zeilenorientierten Blockoperationen kann Steve auch noch den Rechteckblock. Es werden der obere linke und der untere rechte Punkt des Blocks bestimmt und alles zwischen diesen beiden Punkten als Block markiert. Solche Rechteckblöcke lassen sich dann auch gesondert formatieren.

Ein anderes Beispiel ist die Suchfunktion. Zusätzlich zur üblichen Art des Suchens gibt es noch die sog. Binärsuche. Hierbei wird in einer sortierten Liste in enormer Geschwindigkeit nach einem Begriff gesucht. Steve kann auch schon während der Eingabe des Begriffs suchen, so daß oft das gesuchte Wort anzeigt wird, bevor die Eingabe des Suchbegriffs in die Dialogbox beendet ist. Dies eignet sich besonders für große Wörterbuch- oder Datenbankdateien, die im nächsten Artikel beschrieben werden sollen. Aber damit nicht genug. Im Suchmenü finden wir einen Eintrag mit der Bezeichnung " Zeichentausch ".

Mit dieser Funktion werden einzelne Zeichen im Verhältnis 1 : 1 getauscht, beispielsweise alle werden durch e ersetzt, alle durch a usw.

Entgegen aller Voraussagen hat sich durch die Verwendung des Computers in der Textverarbeitung der Papierverbrauch wahrscheinlich nicht wesentlich verringert. Viel Papier wird nur einseitig beschrieben. Steve ist ökonomischer. Ein einfacher Befehl sorgt dafür, daß alle geraden oder ungeraden Seiten aus dem Speicher gelöscht werden. So ist ein bequemer beidseitiger Ausdruck möglich. Der Druckertreiber kann vollständig vom Anwender selbst verändert oder gar neu erstellt werden. Diese Arbeit ist etwas komplizierter, aber nach kurzer Einarbeitung sind wirklich alle Druckerfunktionen erreichbar. Selbst Kombinationen von Schriftattributen wie etwa kursiv, proportional und hochgestellt können auf einen einzigen Befehl gelegt werden. Allerdings ist hier ein Aspekt zu erwähnen, den manche als negativ empfinden werden. Steve stellt, abgesehen vom DTP-Modus, die Texte nicht im berühmten WYSIWYG auf dem Bildschirm dar. Alle Druckerbefehle sind auf dem Bildschirm als spezielle Zeichen zu sehen. Dies hat jedoch den großen Vorteil, daß sämtliche Schriftattribute durch den Zeichentausch auch nachträglich noch global verändert werden können.

Die Tastaturbelegung darf, abgesehen von Sondertasten und Zahlenblock, vollkommen frei gestaltet werden. Der Zahlenblock ist für spezielle Editierhilfen reserviert. Alle 256 Zeichen sind für die Tastaturbelegung erlaubt. Dazu werden die Zeichen (jedes Zeichen ist durch ALT-d plus den ASCII-Code zu erreichen) einfach an die gewünschte Stelle innerhalb der Tastaturtabelle gesetzt.

Steve stellt drei Tastaturen (plus jeweils eine Shift-Belegung) zur Verfügung: die normale, eine Alternate-Tastatur und schließlich eine dritte, die über die Tastenkombination <Control-Leertaste> aktiviert wird.

Wenn die Control-Taste als Befehlstaste ausgeschaltet wird, kommt sogar noch die Control-Tastatur hinzu. Inklusive Control-Tastatur sind so alle 256 Zeichen des ASCII-Code erreichbar.

Das A und O ist die Optik

Wer viel Mühe und Arbeit in die Aufbearbeitung seiner Texte investiert, der möchte natürlich auch ein ansprechendes Äußeres für sein Dokument schaffen. Sicherlich, ein normaler Ausdruck wirkt schon professionell, doch die Möglichkeiten des Desktop Publishing bleiben unübertroffen. Steve unterstützt solche Aktivitäten mit einem relativ einfach zu bedienenden DTP-Teil. Schon im normalen Modus erlaubt Steve das Mischen von Text und Grafik in einem Dokument, jedoch dürfen hier Grafik und Text nicht in derselben Zeile stehen. Im DTP-Modus ist dies aber möglich. Text und Grafik können beliebig gemischt werden. Außerdem lassen sich ebenso einfach sogar verschieden formatierte Absätze nebeneinander plazieren. Eine Seitenvorschau erlaubt in neun verschiedenen Maßstäben einen Blick ins Dokument, wobei Schriftattribute nicht mehr als Sonderzeichen erscheinen, sondern direkt ins korrekte Schriftbild umgesetzt werden. Zeichen- und Zeilenabstand lassen sich pixelgenau verändert werden. Die Anzahl verschiedener Schrift-Fonts ist nur durch die Speicherkapazität begrenzt. Solche Fonts werden schon mitgeliefert, es sind deren zwei in je vier verschiedenen Größen. Zur Gestaltung eigener Fonts liefert Steve einige Hilfsmittel. Es gibt drei Möglichkeiten, einen neuen Font zu schaffen: selbst ganz neu anzufangen, die schon vorhandenen Fonts seinen eigenen Wünschen entsprechend zu verändern oder aber mit Hilfe eines Scanners auf schriftliche Vorlagen zurückzugreifen. Es werden mehrere Scanner unterstützt. Nehmen wir als Beispiel die Bearbeitung eines gescannten Fonts. Voraussetzung ist, daß alle gewünschten Buchstaben eingescannt werden. Das Programm verfügt über zwei verschiedene Grafikteile, mit deren Hilfe die eingescannten Bilder weiterbearbeitet werden können. Der erste Grafikteil ist besonders auf die Gestaltung von Fonts hin ausgelegt. Mit ihm können nun die Buchstaben gemäß ihren ASCII-Codes nebeneinander auf einer Ebene kopiert bzw. verschoben werden. Dort werden sie mit aktiver Unterstützung von Steve verändert. Sie können vergrößert, verkleinert oder gestreckt werden. Es sind Funktionen vorhanden, um die Buchstaben zu glätten, zu verstärken oder sie als Outlined-Fonts zu gestalten. Nach erfolgreicher Arbeit wird der neue Font als Bitmap abgelegt und kann so in einer Font-Tabelle permanent gespeichert werden. Jedem Buchstaben eines Fonts werden in dieser Tabelle in einer weiteren Zeile über die Tastatur die entsprechenden ASCII-Zeichen in aufsteigender Reihenfolge zugeordnet.

Im normalen Textmodus darf eine Zeile 1800 Zeichen lang sein, einer Grafik werden 16 Bildschirmbreiten zugestanden. Nach unten hin gibt cs nur die Speicherplatzbegrenzung. Natürlich ist DTP auch in Steve ein Speicherfresser. Wer nur über 1 MByte Speicher verfügt, kann leider lediglich DIN-A5-Seiten aufs Papier bringen.

Zwei Steve DTP-Fonts zum Übernehmen und Selberbasteln

Makros

Der Programmierer von Steve hat auch Routinearbeiten nicht vergessen. Nahezu alle Funktionen von Steve können über Control-Befehle aktiviert werden. Zusätzlich sind aber auch noch sämtliche Systemeinstellungen wie rechter und linker Rand, Druckereinstellungen, Bildschirmfarbe usw. über Control-Befehle zugänglich. All diese Befehle lassen sich in Makros zusammenfassen, die dann auf Tastendruck die gewünschten Arbeitsschritte automatisch durchführen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, solche Makroprogramme ablaufen zu lassen. Die einfachste Methode ist, sie auf die Funktionstasten zu legen. Genau 1000 (eintausend) mal können die jeweils zehn Funktionstasten mit Texten oder Makroprogrammen belegt werden. Zu erreichen durch einen Control-Befehl plus einer Zahl von 000 bis 999. Eine andere Möglichkeit, Makroprogramme zu aktivieren, besteht in einem sog. Abkürzungswörterbuch, das in der nächsten Ausgabe dran ist.

Zum heutigen Abschluß noch ein kurzer Hinweis auf einige wichtige Funktionen, die leider nicht besprochen werden konnten. Zum Programmumfang gehört ein Rechtschreiblexikon, mit dem die Texte im On-line-Modus oder als Datei insgesamt auf die korrekte Schreibweise untersucht werden. Steve besitzt einen Terminalteil, der die Kommunikation über ein Modem erlaubt, es ist ein sog. CAI (Computer Aided Instructions) integriert, mit dem sich z.B. eigene Vokabelabfrageprogramme konzipieren lassen. Über ein Disklabor lassen sich Dateien in Rohform einlesen, d.h. man kann Dateien so wie sie Byte für Byte auf der Diskette gespeichert sind, editieren, also auch fremde Programme.

Die nächste Folge wird sich hauptsächlich mit der Datenbank von Steve und anderen Besonderheiten des Software-Pakets befassen, (bs)

Computer Technik Kieckbusch, Baumstammhaus, 5419 Vielbach

Zeichenhilfe zur Font-Erstellung

Detlef Fabian
Aus: ST-Magazin 03 / 1991, Seite 34

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