AT-Kompatible: Gute Karten für MS-DOS

Nahezu zeitgleich ziehen zwei renommierte Emulatorhersteller ihre Trumpfkarten. Die Asse im Poker um höhere Taktraten: AT-Speed C16 und ATonce Plus — 16-MHz-Emulatoren für den ST.

Zwei Karten im Gleichtakt: 16-MHz-Emulatoren AT Speed C16 (l.) und ATonce Plus

Wie kommen Emulatoren an Taktraten oberhalb der 8-MHz-Grenze? Auf zweierlei Arten: Durch Nutzung der ST-internen Ressourcen oder durch einen quarzgesteuerten Taktgenerator.

Auf solch unterschiedlichen Pfaden gelangen seit kurzem ATonce Plus von »Vortex« und AT Speed C16 von »Sack Electronic« allerdings noch lange nicht in Leistungsbereiche gleichgetakteter Original-ATs. Beim Performance-Test waren die Unterschiede zu den Vorgängermodellen der Emulatorplatinen eher gering. Vorerst noch muß man sich mit etwas weniger als der Leistung von IBM-Kompatiblen mit 8 MHz begnügen. Ob die bescheidene Steigerung bereits einen Aufstieg in die 16-MHz-Klasse rechtfertigt, hängt stark vom bisher verwendeten Emulator ab. Für Einsteiger und Besitzer von Platinen der ersten Generation eine durchaus erwägenswerte Anschaffung. Letzteren verspricht Sack Electronic sogar ein preisgünstiges Platinen-Update.

Die Wegbereiter der 16-MHz-Emulatorengeneration bieten — neben allen Features ihrer Vorgänger — nahezu identische Leistungsdaten. Auch blinkende Schrift wird zumindest vom ATonce Plus unterstützt. Der AT Speed C16 ist für diese Funktion noch gesperrt. Beide Emulatoren unterstützen unter DOS die Grafikerweiterung Autoswitch Overscan, den Atari-Laserdrucker und binden die Atari-Maus als serielle Microsoft-Maus ein.

Bei so vielen Gemeinsamkeiten verwundert es nicht, wenn die Entwickler mit mancherlei nützlichem Zubehör auf sich aufmerksam machen. Der AT Speed scheint dabei die etwas besseren Karten zu haben: Neben einem Steckplatz für einen mathematischen Coprozessor lockt Sack Electronic mit einem kompletten DOS-Betriebssystem: DR-DOS empfiehlt nebenbei auch Vortex zum Emulatorbetrieb.

Vortex hält mit dem Utility Hyperswitch dagegen, das sich bereits beim Vorgänger ATonce bewährte. Damit läßt sich bequem per Hotkey zwischen DOS und dem Atari-Modus umschalten. Voraussetzung sind allerdings mindestens 1 MByte Speicher. Bei Bedarf werden nötige Informationen in Swap-Dateien auf Festplattenpartitionen zwischengelagert.

Das Ganze ist kein Ersatz für echtes Multitasking: Applikationen, die per Hyperswitch verlassen werden, arbeiten nicht selbständig im Hintergrund weiter.

Seine Schrecken verloren hat mittlerweile der Hardwareeingriff, der beim Einbau der Platinen nötig wird: Das Gehäuse aufzuschrauben und den Sockel auf die CPU zu löten (für Mega STs und den 1040 STE gibt’s nebenbei auch eine reine Stecklösung) sind mittlerweile in der Praxis hinreichend erprobte Handgriffe. Zahlreiche Firmen bieten zudem zur Lösung des Problems ihre Serviceleistungen an.

Im abschließenden Arbeitsgang genügt es, die Platinen vorsichtig in den vorbereiteten Steckplatz einzusetzen. Anschließend läßt sich der AT Speed C16 sofort in Betrieb nehmen. Beim ATonce Plus sorgt ein Kabel, per Lötkontakt mit dem Video-Shifter (Pin 39) verbunden, für die 16-MHz-Taktfrequenz. Zum gleichen Zweck spendierte AT-Speed-Entwickler Hans Sack seinem Emulator einen mit 32 MHz getakteten Quarz, der gleiches durch eine Teilerstufe erreicht.

Beim Platineneinbau ist allerdings Vorsicht geboten: Den empfindlichen CMOS-Bausteinen drohen durch statische Aufladungen irreparable Schäden. Empfindliche Stromstöße werden bereits beim Berühren der Platine übertragen.

Zudem arbeiten in einigen Mega STs Bustreiber, die die Emulatoren ganz schön ins Schwitzen bringen. Preis der engen Kalkulation bei Atari: Hauptverursacher sind zwei 20polige ICs von Typ 74LS373 vom Hersteller Goldstar. Wer sie in seinem Rechner vorfindet, sollte auf Bauteile von Motorola umsteigen.

Die DOS-Umschaltung per Treibersoftware wurde bei beiden Emulatoren optimiert. Der AT Speed schnitt beim Betriebssystemwechsel per Autoboot von der Festplatte am besten ab. Ganze 3 Sekunden lagen zwischen TOS und DOS, wenn das Treiberprogramm als Accessory angemeldet wurde.

Ein Wert, den der ATonce-Treiber nur erreicht, wenn mit dem Hyperswitch-Utility zwischen TOS und DOS umgeschaltet wird. Ansonsten benötigt der ATonce vor dem Wechsel in den DOS-Modus einen zeitintensiven automatischen Reset.

Andererseits erleben Erstanwender des AT Speed C16 bei der Festplatteneinbindung unter DR-DOS eine faustdicke Überraschung: Die Atari-Partition C darf unter DOS nicht benutzt werden. Demgegenüber gelingt die Einbindung des Boot-Laufwerks C: unter DR-DOS beim ATonce problemlos und läßt sich bereits in der Installationssoftware vorbereiten.

Gleichzeitig ist die Partitionszuordnung bei der Vortex-Software aus Sicherheitsgründen wesentlich komplizierter: Durch Zuordnung einzelner Adapteradressen zu DOS-aktiven Partitionen (s. Abb.) wird eine Kollision beispielsweise von Netzwerken und Festplatten vermieden. Bei Fehlbedienung könnte ansonsten das Netzwerk unter DOS wie eine Festplatte angesprochen werden. Für künftige Software-Updates hat Entwickler Reinhardt Michel bereits mehr Bedienungskomfort versprochen.

Beide Karten verfügen über ein stattliches Arsenal an Grafikemulationen (siehe auch unsere Marktübersicht auf den Seiten 12 bis 14). Der ATonce bedient sich bei der Grafik übrigens vollständig der 68000er CPU, der AT Speed wechselt zwischen 80286er und 68000er. Zwangsläufig ergeben sich dadurch vor allem Probleme bei Computerspielen (s. »MS-DOS Games auf dem ST« in dieser Ausgabe). Zusätzliche Hürde: Beide Emulatoren unterstützen momentan noch nicht die Fähigkeiten der 80386er Prozessoren.

Kompatibilitätsprobleme haben dadurch zumeist eine einfache Ursache: Überprüfen Sie, ob Sie nicht versehentlich eine spezielle Programmversion für diese Prozessoren verwenden.

Partitionszuordnung: beim AT Speed völlig unkompliziert...

Natürlich können die trickreichen Karten nicht alles, was man bei ATs voraussetzt. Immer wieder gibt’s Programme, die nicht mit Emulatoren Zusammenarbeiten. Weder AT Speed noch ATonce sind gegen hartnäckige Inkompatibilitäten gefeit. Zumeist betrifft das weniger verbreitete Software, beim AT Speed vor allem eine Reihe Benchmarktester. Durch Nutzung der vorhandenen ST-Peripherie gibt’s zudem immer wieder Einbrüche bei hardwarenahen Programmen. So mußte der AT Speed beim Norton Editor (NE.COM) passen. Sack Electronic hat allerdings bereits für Abhilfe gesorgt und liefert beim nächsten Software-Update das Hilfsprogramm »REG_TOGG.COM« aus.

Viel wichtiger für Anwender ist, daß es mit weitverbreiteten DOS-Programmen keine Schwierigkeiten gibt. Neben Word, WordPerfect, Norton Commander und Norton Utilities laufen auch Windows, Pagemaker, Dr. Halo und vieles mehr.

DOS-Betriebssystemen wird immer wieder angelastet, daß sie lediglich mit einer maximalen Speichergröße von 640 KByte arbeiten. Damit Sie Ihre Speichererweiterung auch im DOS-Modus nutzen können, bieten ATonce und AT Speed den Extended Memory Mode (XMS). Dabei wird der zusätzliche ST-Speicher als RAM-Disk unter DOS genutzt. Die RAM-Disk läßt sich übrigens beim ATonce bequem im Installationsprogramm unter TOS einstellen. AT Speed benötigt dafür ein DOS-Utility, das über »COMMAND.COM« aufgerufen wird.

Zusätzlich arbeiten beide Emulatoren im Protected bzw. Standard Mode. Der Speicher wird dabei nicht als Datenspeicher, wie bei einer RAM-Disk, sondern als Programmspeicher benutzt. MS-Windows z. B. greift auf den gesamten Speicherbereich zu und profitiert bei Speichererweiterungen von mehr als 1 MByte vom RAM oberhalb 640 bzw. 704 KByte. Das AT-Speed-Handbuch schweigt sich allerdings zu dem komplizierten Verfahren aus. Dagegen findet man im Vortex-Manual, wie auch zu anderen Themen, detaillierte Informationen. Zusätzlich gestattet das ATonce-Installationsprogramm Voreinstellungen für den Extended Memory Mode.

... beim ATonce undurchsichtig

Eine Reihe von Programmen nutzen zusätzlichen Speicher auch, um Programmteile ständig im Erweiterungsspeicher (Expanded Memory Mode) präsent zu halten. Dafür wird allerdings ein EMS-Treiber mit LIM-4-Standard benötigt, den es u.a. gegen eine geringe Kopiergebühr im PD-Handel gibt.

Die Installation ist auch bei handelsüblichen ATs durchaus nicht unproblematisch. Zudem zeigte sich im Test, daß zusätzlicher Speicher bei DOS-Anwendungen, die überwiegend für Geräte mit maximal 640 KByte ausgelegt sind, allenfalls schmückendes Beiwerk ist. Beide Emulatoren arbeiten im Festplattenbetrieb mit Geschwindigkeiten, die sich durch Nutzung des erweiterten Speichers durch ausgelagerte Programmteile nur unwesentlich erhöhen lassen.

Der Geschwindigkeitstest mit dem Norton Integrator (System Information, SI) brachte z.T. stark differierende Werte. Je nach Konfiguration (Grafikemulation, ANSI.SYS) ergaben sich beim ATonce Spitzenwerte von 8.0. Beim AT Speed lag der Rechenindex mit einem Wert von 8.4, in der Hercules-Emulation sogar noch höher. (em)

WERTUNG

AT Speed C16

Hersteller: Sack Electronic

Preis: 589 Mark

Stärken: DOS-Betriebssystem im Lieferumfang, 16 MHz on board, schnelles Umschalten zwischen TOS-und DOS-Modus

Schwächen: umständliche Festplatteneinbindung unter DR-DOS 5.0, Kompatibilitätsprobleme bei Benchmarktest-Programmen und dem Norton Editor

Fazit: die teuerere der beiden Testplatinen. Die Mehrkosten rechtfertigen sich allerdings aufgrund des Softwareumfangs und eines Coprozessor-Steckplatzes.

Sack Electronic, Bleichstr. 49, 4792 Bad Lippspringe

WERTUNG

ATonce

Hersteller: Vortex Computersysteme

Preis: 498 Mark

Stärken: hohe Kompatibilität, aufwendige Dokumentation, blinkende Schrift in der CGA-Hercules-Emulation wird unterstützt, umfangreiche und klare Dokumentation

Schwächen: 16-MHz-Takt wird per Kabel am Video-Shifter abgegriffen, umständliche Zuordnung der Festplattenpartitionen

Fazit: der Preisbrecher; geringfügig komplizierterer Einbau, dafür komfortablere Konfiguration des Erweiterungsspeichers

Vortex Computer Systeme, Falterstr. 51-53, 7101 Flein


Egbert Meyer
Aus: ST-Magazin 07 / 1991, Seite 16

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