MS-DOS-Games auf dem ST

Die PC-AT-Emulatoren für den ST haben Beachtliches an Leistung zugelegt, speziell, was die Emulation von Grafik und Sound angeht. Uns hat interessiert, ob es sich lohnt, als ST-Besitzer nach beliebten PC-Spielen zu schielen.

JOBST RICKE UND HARTMUT ULRICH

Warum eigentlich PC-Games? Warum nicht gleich die entsprechende ST-Version spielen? Wer die Szene kennt, wird längst bemerkt haben, daß sich der ST (zumindest auf dem deutschen Markt) mehr und mehr zum Stiefkind der Spieleprogrammierer entwickelt. Um die größten Brocken am Umsatzkuchen streiten sich Amigas und PCs. Der Amiga, weil er konsequent als Spielmaschine konzipiert und vermarktet wurde, der PC, weil leistungsfähige Grafik- und Soundkarten die Grenzen zwischen reinem Busineß- und Freizeitcomputer längst verwischt haben. Viele Neuerscheinungen werden erst gar nicht mehr auf den ST konvertiert und kommen, wenn überhaupt, erst Monate nach der PC-Version auf den Markt. Die Umsatzzahlen von ST-Spielen auf dem deutschen Spielemarkt bewegen sich stetig in den Keller. Während sich Atari Deutschland um ein ernsthafteres, professionelles Image bemüht, schwimmen im Computerspielbereich die Felle davon.

»Ultima VI« mit AT-Speed in Monochrom, CGA mit 4 und 16 Farben

Wer auf seinen ST nicht verzichten und trotzdem Spaß an PC-Spielen haben möchte, die es für den ST nicht gibt, fährt mit einem der PC-AT-Emulatoren gar nicht so schlecht. Eine Reihe bemerkenswerter PC-Games, speziell Rollenspiele, Adventures und einige Simulationen lohnen den Versuch, sie auf Ataris 68000er in Gang zu bringen. Daneben wimmelt natürlich auch der PC-Markt von mehr oder weniger gewalttätigen bzw. fantasielosen Baller-, Militär- und Actiongames. Die haben uns aber nicht weiter interessiert, da es davon auch genügend ST-Versionen gibt (speziell in England sind Militärsimulationen, Brutalo- und Ballerspiele für den ST immer noch sehr stark gefragt. Der ST ist im UK als Spielmaschine dem Amiga gleichzusetzen).

Getestet wurde auf einem 1040 STE (1 MByte RAM) mit ATonce und einem 1040 ST (1 MByte RAM) mit AT-Speed. Dazu zwei Festplatten, da viele PC-Games ohne Harddisk nahezu unspielbar werden. Außerdem spart man beim Booten der Emulationssoftware und MS-DOS-Systemdateien von Festplatte viel zeitraubendes Diskettenjonglieren. Weiterhin sollte ein 5,25-Zoll-Laufwerk zur Hardwareausrüstung des Emulator-Users gehören: Die meisten Neuerscheinungen liegen der Packung zwar in beiden Diskettenformaten bei, zahlreiche (vor allem ältere) Spiele und viele PC-Anwenderprogramme erscheinen aber noch immer ausschließlich im 5,25-Zoll-Format.

Grundsätzlich läßt sich feststellen, daß beide Emulatoren zwar einen sehr positiven Eindruck hinterließen (fast alle getesteten Spiele liefen ohne größere Startschwierigkeiten), die Probleme jedoch, die letztendlich den Spaß vermasselten, lagen meist im Detail. Beispielsweise bieten weder AT-Speed noch ATonce eine PC-Joystick-Emulation. Baller- und Actiongames verlieren über Tastatur oder Maus gesteuert (wenn überhaupt möglich) viel von ihrer Spielbarkeit. Unabhängig von der Joystick-Misere eignen sich Spiele mit schneller bewegter Grafik, vor allem Simulationen und scrollende Action-Games (z. B. »Flight of the Intruder« oder »Wing Commander«), grundsätzlich nur sehr eingeschränkt zum Einsatz auf dem ST, da die Arbeitsgeschwindigkeit und Grafikausgabe der Emulatoren das Spielgeschehen haarsträubend ausbremst. Der legendäre Microsoft-Flugsimulator z.B. wird auf dem ST zur lahmen Krücke. Die neuesten 16-MHz-Produkte ATonce Plus und AT-Speed C-16 (standen zum Test noch nicht zur Verfügung) ändern leider wenig am lendenlahmen Geruckel.

Was die Joystick-Misere angeht, lohnt ein Blick in die Zukunft: Es sind bereits Emulatoren in Entwicklung (neuer Beta-Systems Supercharger, Omega Delta-Modul), die zwischen ein und sieben Steckplätzen für echte PC-Karten bieten. Dann steht dem Einsatz einer Joystick-Karte inklusive Analogjoystick nichts mehr im Weg. Vielleicht bieten ATonce oder AT-Speed bald vergleichbare Lösungen.

Die neu eingebaute Grafikkartenemulation von EGA und VGA/Monochrom des AT-Speed und ATonce ließen sich bei keinem der Testkandidaten einsetzen. Trotzdem gibt es einen interessanten Aspekt in Sachen Grafikausgabe speziell für Besitzer des SM 124: Der Monochrombildschirm kann CGA und Tandy in Schwarzweiß darstellen. Games wie »Ishido« oder »Harpoon«, deren Wirkung nicht sehr von detailreicher Grafik abhängt, machen auch in Schwarzweiß Spaß. Das Bildergebnis ist meist sogar besser als unter Hercules-Emulation. Bei vorwiegend grafisch orientierten Programmen leidet die Spielbarkeit jedoch sehr unter der bescheidenen CGA-Bildqualität.

»Secret of the Silver Blades« mit AT-Speed vierfarbig und monochrom

Die meisten Spiele unterstützen CGA im Modus 320 x 200 Pixel bei vier Farben. »Railroad Tycoon« z. B. läuft einwandfrei unter dieser Auflösung. Die Tandy-Emulation geht sogar noch etwas weiter: 320 x 200 Bildpunkte bei 16 Farben entsprechen der niedrigen EGA-Auflösung. Diesen Modus unterstützen ebenfalls eine ganze Reihe von Produkten, vor allem US-Programme. Natürlich wirkt Tandy -Grafik entschieden besser als CGA. Leider gibt es zwei Einschränkungen: Die Installation zusammen mit einem AT-Speed ist zeitraubend und mühsam. Um die Farbpalette ändern zu können (was bei zahlreichen Spielen notwendig ist), muß man die Emulation verlassen und ins TOS zurückkehren. Bei der Einstellung der Farbtöne hilft dann nur Ausprobieren und gutes Vorstellungsvermögen, da die eingestellten Farbnuancen nirgends überprüft werden können. Allein um beispielsweise herauszufinden, daß die Farbe für Gesichter bei »Ultima VI« dem Farbtopf 8 entspricht und dieser auf die Werte 7,5 und 4 für RGB eingestellt werden muß, kann leicht eine halbe Stunde vergehen. Steht nach entsprechender Tüftelei endlich eine komplette, passende Farbpalette, gibt’s zwar echte EGA-Grafik frei Haus, dafür aber keine Möglichkeit, die mühsam erarbeiteten Einstellungen zwischenzuspeichern. Beim nächsten Spiel beginnt die Tüftelei dann wieder von Hand und bei Null. Außerdem hat auch die Tandy-Grafik ihre Macken. Bei zahlreichen Spielen wird die Textausgabe durch falsch gesetzte Grafikblöcke gestört. Trotz der Einschränkungen wirkt Tandy-Grafik aber allemal besser als CGA. Damit hat der AT-Speed einen dicken Pluspunkt gegenüber dem ATonce, auch wenn die Tandy-Emulation nicht ganz fehlerfrei arbeitet.

Beide Emulatoren, AT-Speed und ATonce, setzen den (bekanntermaßen ziemlich üblen) PC-Sound schaurig-realistisch um. Besitzer eines »echten« AT sind nur mit extra Soundkarte besser dran.

»Railroad Tycoon« läßt sich auch in Monochrom gut spielen

Zusätzlich zur Tabelle hier noch einige Anmerkungen zu einigen Testkandidaten: »Ishido« ist die Computerversion eines gleichnamigen asiatischen Brettspiels, bei der die Monochromdarstellung unter CGA besser überzeugt als die vierfarbige CGA-Emulation. Tandy bringt zusätzlich Farbe ins Spiel und eröffnet damit zusätzliche Felder und Spielsteine. Ishido macht aber in monochrom genausoviel Spaß. »Railroad Tycoon«, die Eisenbahnsimulation, ist einer der Renner des Jahres 1990. Auf beiden Testgeräten funktioniert Tandy nicht, die Monochromdarstellung liefert jedoch befriedigende Spielbarkeit. Das Rollenspiel-Adventure »Secret of the Silver Blades« aus der Advanced-Dungeons-and-Dragons-Serie kommt mit ziemlich anspruchsvoller Grafik daher. Deswegen unter monochrom nur mit Einschränkungen zu genießen, mit 16 Farben unter Tandy schon wesentlich besser. Leider stürzt das Spiel immer wieder mitten im Geschehen ab und verliert daher seinen ganzen Charme. Nur mit Einschränkungen zu empfehlen. »Knights of Legend«, ein Rollenspiel mit ebenfalls aufwendiger Grafik, bei dem der ATonce streikte. »Fairy Tale Adventure« ist ein etwas älteres Adventure mit etwas steinzeitlicher Grafik. Auch hier verweigerte der ATonce den Dienst. Die U-Boot-Simulation »Harpoon« präsentiert eine einfache, aber zweckmäßige Grafik, die auch unter monochrom gute Ergebnisse liefert. Die 16-Farben-Tandy-Emulation liefert nur wenig Verbesserung. Den spielerischen Englischkurs »Take a Trip to Britain« brachten beide Emulatoren gleich gut unter HCG auf den Monitor. »War of the Lance«, eine ältere Simulation im Fantasy-Umfeld läuft zwar, besitzt aber nur sehr bescheidene Grafikelemente. Auch das Action-Adventure »Dragons of Flame« läuft auf dem ST Es besitzt aber eine sehr eigenwillige Steuerung.

CGA bei 16 Farben AT-Speed-Einstellung

Farbtopf Einstellung
1 000
2 111
3 400
4 733
5 040
6 044
7 421
8 754
9 222
10 007
11 700
12 410
13 007
14 077
15 555
16 777

Unsere Tabelle zum Ultima-VI-Test mit 16 Farben

# PC-Spiele unter PC-AT-Emulator auf ST in der Leistungsübersicht

Für jede Grafikkarte wurden zwei Prozentwerte ermittelt: Der erste Wert informiert darüber, wie nahe die Bildqualität der Emulation (z, B. HCG) an die Qualität einer echten HCG-Karte herankommt, der zweite gibt an, wie nahe diese Bildqualität der bestmöglichen Auflösung (echter AT mit VGA-Karte) kommt.

ATonceAT-Speed
Name Monochrom Color Monochrom Color
HCGCGACGAHCGCGACGATandy
Ishido 50 30 100 50 100 40 0 0 100 50 100 40 90 90
Railroad Tycoon 0 0 100 50 100 70 0 0 100 50 90 60 0 0
Secret of the Silver B 0 0 100 60 100 50 0 0 100 60 90 40 90 90
Knights of Legend 0 0 100 30 100 50 0 0 100 30 90 50 90 90
Fairy Tale Adventure 0 0 100 50 0 0 0 0 100 50 90 50 0 0
Harpoon 0 0 100 50 100 70 0 0 100 50 100 70 90 90
Take a Trip to Britain 100 70 0 0 0 0 100 70 0 0 0 0 0 0
War of the Lance 0 0 100 30 100 70 0 0 100 30 90 50 90 90
Dragons of Flame 0 0 0 0 0 0 0 0 100 20 90 50 90 90
Search for the King0 0100 30100 500 0 100 30 90 50 90 90
Ultima VI 0 0 100 30 90 50 0 0 100 30 90 50 90 90

Tandy-Grafik bringt dem Spiel »Search for the King«, einem Grafik-Adventure im Larry-Stil, echte Verbesserung in der Darstellung. Und last not least »Ultima VI«: Der Rollenspielklassiker kann im Tandy-Modus wirklich überzeugen, auch wenn die Einstellung der Farbpalette ein echtes Drama ist. Außerdem wirken sich hier die Bugs der Tandy-Emulation störend aus. Das Spiel ist aber trotzdem noch leidlich genießbar, auch wenn man gegenüber echter EGA-oder Farb-VGA-Darstellung Abstriche in Kauf nehmen muß.

Wer PC-Spiele auf seinem ST einsetzen will, sollte auf jeden Fall nur unter Vorbehalt kaufen oder, wenn möglich, die Geschichte gleich an Ort und Stelle testen. Auf jeden Fall lehnt der Versuch, denn ein vergleichbarer AT mit Joystick-Karte, Soundkarte und hochauflösender VGA-Grafikkarte kostet noch immer zwischen 3000 und 4000 Mark und wenn die Computerspielindustrie den ST weiterhin zunehmend stiefmütterlich behandelt, werden PC-AT-Emulatoren zur echten Alternative: ATonce Plus, AT-Speed C-16 und der neue Supercharger liefern einen vergleichsweise preiswerten Einstieg in die PC-Gamesworld — mit kleinen Hindernissen, (hu)

Beim Ultima-VI-Intro gut zu erkennen: CGA-vierfarbig reicht völlig aus

Hartmut Ulrich
Aus: ST-Magazin 07 / 1991, Seite 24

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