Sparrow-Text: Ohne Fonts und GEM-Standards

ST-Software-Entwickler haben ihr Faible für Textsysteme wiederentdeckt. Nach der Font- und Funktionsinflation geht's neuerdings vermehrt um Benutzerfreundlichkeit. Gleichzeitig wackeln die Preise: »Sparrow-Text« schießt dabei den Vogel ab.

p>Was macht die ideale Textverarbeitung aus? Möglichst viele verschiedene Fonts, arabische und chinesische Zeichensätze, PostScript-Ausgabe, Schriftrichtung von rechts nach links und von oben nach unten? Oder darfs auch weniger opulent sein? »Sparrow-Text« zumindest beschränkt sich aufs Wesentliche und bietet darüber hinaus eine Reihe anspruchsvoller Features, die manchem Texteditor gut zu Gesicht stünden.

Durch diverse Probeläufe auf der Public-Domain-Schiene ist der Kandidat, dessen erste kommerzielle Version bereits für 89 DM zu haben ist, zweifelsfrei hinlänglich erprobt — kleinere Hakler lassen sich durchaus verschmerzen. Von ehrgeizigen Newcomern der letzten Zeit unterscheidet sich das GFA-Basic-Programm vor allem dadurch, daß es auf eigene Fonts und weitestgehend auf GEM-Standards verzichtet.

Das eigenwillige Outfit birgt Probleme: Drop-Down-Menüs und Dialogboxen — teilweise unübersichtliche Eigenkonstruktionen — sind überaus gewöhnungsbedürftig. Bei Schwierigkeiten mit der Steuerung des vertikalen Scrollbalkens (ein horizontaler fehlt ganz) ist bereits der erste Griff zum Handbuch fällig. Lobenswert hingegen: Für alle Funktionen gibt's zusätzlich entsprechende Tastaturkommandos und einen ausgefeilten Makrorecorder.

Zudem erweisen sich Befürchtungen, daß das Basic-Kompilat in puncto Verarbeitungsgeschwindigkeit nicht mithalten kann, als unbegründet. Bei flotter Texteingabe innerhalb einer Zeile hält Sparrow Text auch im Zehnfingerverfahren mit. Lediglich beim Zeilenumbruch verzögert das Programm merklich.

Weitaus unangenehmer — allerdings nur für Schnellschreiber interessant — macht sich das Basic-Handicap beim Absatzumbruch bemerkbar: Sparrow-Text meldet sich für ca. 1 Sekunde vollständig ab und akzeptiert in dieser Zeit keine Eingaben. Nur wer beim Tippen immer auf den Bildschirm schaut, bleibt vor Textverlusten verschont.

Absätze werden überdies nicht automatisch formatiert. Dafür gibt's eigens einen Menüpunkt. Trotzdem ist die Textformatierung so zügig, daß der zusätzliche Handgriff nicht ins Gewicht fällt. Nicht ohne Tücken: Der Menüpunkt »Text formatieren« umbricht nur den Text unterhalb des Cursors.

Bei Absatzumbrüchen liefert Sparrow-Text sogar Trennvorschläge, die allerdings weder auf einem Algorithmus noch auf einem Wörterbuch beruhen. Bemerkenswert, daß sich die Trennung nicht abschalten läßt. Selbst dann nicht, wenn zuvor ein Flatterrand vereinbart wurde.

Unangenehme Überraschungen auch bei Texten, die länger als 15000 Zeilen sind: die Eingabegeschwindigkeit sinkt deutlich unter die Akzeptanzschwelle. Damit sind die Grenzen der ansonsten respektablen Software erreicht. Fehlanzeige auch bei der WYSIWIG-Darstellung: Das Druckbild eines Dokuments zeigt Sparrow-Text lediglich im Preview-Modus an.

Rumdum Erfreuliches demgegenüber bei den Texteditorfunktionen: Suchen und Ersetzen funktioniert in allen Variationen (selbst mit Textattributen). Nur übers Zeilenende hinaus klappt's noch nicht.

Reichhaltig ist vor allem das Menü für Blockoperationen: So lassen sich mehrere Zeilen als rechteckiger Textblock zusammenfassen und zentrieren. Hilfreich besonders beim Verschieben von Tabellen oder Editieren von Programmtexten. Beim Einbau neuer Kontrollstrukturen genügt es, einen ganzen Block einzurücken.

Mit Musteroperationen wird Sparrow-Text mitgeteilt, daß innerhalb eines Blocks eine periodische Struktur vorliegt, die sich entsprechend modifizieren läßt. Das Verfahren eignet sich z.B. für Adressenlisten, aus denen Telefonnummern entfernt werden sollen.

Dazu wird die Liste zunächst als Block markiert. Anschließend ein Zeilenmuster mit der Periode 6 (wenn ein Eintrag sechs Zeilen lang ist) definiert und durch Anklicken des Schemas die entsprechende Zeile eliminiert. Die Grafikeinbindung ist demgegenüber nicht gerade üppig ausgefallen: Ein 24-Nadel-Drucker ist Bedingung. Dann geht allerdings bereits bei 180 x 180 dpi nichts mehr. Ausreichend Entwicklungsmöglichkeiten also für künftige Versionen: Grafikeinbindung für 9-Na-del-, Laser- und Tintenstrahldrucker.

Im Vorgriff auf bessere Zeiten hat Programmierer Jürgen Spatz (sparrow) die obere Hälfte des Atari- gegen einen IBM-kompatiblen Grafikzeichensatz ausgetauscht. Dessen Linien und Balken nämlich unterstützen nahezu alle neueren Drucker. Genialer Hintergrund: Die grafische Gestaltung von Tabellen wird damit zum Kinderspiel. Die Rahmen lassen sich einfach mit der Maus um den vorhandenen Text ziehen.

Zur exakten Wiedergabe sind natürlich passende Druckertreiber nötig. Dem Programm liegt lediglich eine bescheidene Auswahl bei: buntgemischt für 9- und 24-Nadler. Aufsteiger in die Laserliga sind jedoch schlicht vergessen worden.

Mit einem Utility lassen sich jedoch eigene Treiber generieren. Voraussetzung: detaillierte Kenntnis der Steuersequenzen. Zusätzlich erwartet der Druckertreibergenerator druckerabhängige Korrekturwerte für Proportionalschrift, die erst mühsam anhand des Druckerhandbuchs ermittelt werden müssen. Ganz eindeutig: Sparrow-Text ist nicht nur mit Druckertreibern unterversorgt, sondern stellt manchen Anwender vor unlösbare Rätsel.

Im Test zumindest gingen alle Versuche, eine Steuerdatei für den HP Deskjet zu entwerfen, gründlich daneben. Daß Sparrow-Text mit unmittelbarem Systemabsturz reagierte, ist indes sogar bedenklich. Einer der Gründe, weshalb man für manche Textsysteme durchaus etwas mehr bezahlt.

Mit den vorhandenen Treibern funktionierte der Ausdruck allerdings klaglos: Kopf und Fußzeilen lassen sich frei definieren, Seitenzahlen und das Datum werden automatisch eingebunden. Sparrow-Text unterscheidet sogar zwischen geraden und ungeraden Seitenzahlen und druckt sie getrennt aus.

Trotz dieses Features ist die 120seitige, spiralgebundene Dokumentation nur einseitig und darüber hinaus in zu klein geratener Schrift bedruckt. Es behandelt allerdings ausführlich alle Menüeinträge in sinnvoller Reihenfolge. Eine übergeordnete Struktur ließ sich jedoch nicht ermitteln. Immerhin ist es ein deutlicher Beweis für die Leistungsstärke des Programms — nicht zuletzt, weil Sparrow-Text automatisch Inhaltsverzeichnisse anlegt. Dazu genügen Steuerzeichen, die beim Anlegen einer Überschrift ohnehin verwendet werden. Jederzeit lassen sich gelöschte Textstellen per Undo-Funktion zurückholen. Auch für Blöcke gibt's einen Pufferspeicher, (em)

Sparrow-Text

Aktuelle Version: 2.0

Vertrieb: GMA-Soft, Gerd MaMus
Preis: 89 DM

Stärken: Ausgefeilte Textblock- und Musteroperationen, Automatik für Inhaltsverzeichnisse, Endnotenverwaltung, unkomplizierte Einbindung von Textrahmen, Grafikeinbindung (jedoch nur für 24-Nadel-Drucker)

Schwächen: Rapide sinkende Verarbeitungsgeschwindigkeit bei Texten über 15000 Zeilen, verschluckt beim Absatzumbruch Eingaben, problematischer Entwurf eigener Druckertreiber

Fazit: Ein Preisbrecher mit tollen Features, aber auch kleinen Schönheitsfehlern. Abhilfe bei Druckertreibern tut dringend Not. Nicht für lange Texte geeignet

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Aus: ST-Magazin 09 / 1991, Seite

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