Portastudio: Midistudio 688

Trotz digitaler Aufnahmetechniken — unter den Schiebereglern eines Mischpults ist konventionelle Analogtechnik nach wie vor Spitzel Tascam zeigt im »Midistudio 688«, wie sich beide Welten optimal ergänzen.

Die Materialschlacht im Musikbereich hat Tradition. Wer sich mal auf das Abenteuer »Home-Recording« eingelassen hat, fällt leicht in ein Faß ohne Boden. Was man da alles braucht und haben soll!

Ein komplettes Musikstudio für den Heimbereich präsentiert Tascam: »Midistudio 688«. Mit herkömmlichen Portastudios ist dieses Gerät kaum noch vergleichbar. Elektronische Schaltvorgänge, diverse MIDI-Funktionen und digital gesteuerte »Routing-Maps«, das gab's bislang nur in sündteuren Musikstudios: Mit dem Tascam-Recorder erhält man ein flexibles, kompaktes Aufnahmesystem für exklusive Homerecording-Ansprüche.

Das Herzstück ist der analoge 8-Spur-Kassettenrecorder. Die Bandgeschwindigkeit ist mit 9,5 cm/s doppelt so hoch wie bei einem üblichen Stereo-Kassettenplayer. Die geringe Gleichlaufschwankung — sie liegt etwa bei einem Prozent — ist für den semiprofessionellen Bereich beachtlich. Dies gilt auch für den Frequenzbereich: Bei einer Abweichung von <3 dB erstreckt sich der Übertragungsbereich von 40 Hz bis zu 16 kHz!

Der Rauschpegel hält sich durch das überlegene dbx-System in Grenzen. Anders als das »Dolby«-System, bei dem lediglich die Höhen während der Aufnahme angehoben und zur Wiedergabe wieder abgesenkt werden, bearbeitet eine dbx-Rauschunterdrückung drei Frequenzbereiche — Höhen, Mitten, Bässe — separat.

Ein Hit ist der interne MIDI-Tape-Synchronizer: Mit ihm steht eine feste Verbindung zum Atari und dem Rest der MIDI-Welt. Externe Sequenzer mit ihren diversen Steuerspuren für Synthies hält das Midistudio so auf Trab.

Die zweite Sensation sind digital gesteuerte Routing-Maps. Eine Mehrspurmaschine zu synchronisieren, verursacht ein erstaunliches Kabelchaos. Der Grund: Die einzelnen Kanäle erfüllen immer neue Funktionen. Sie benötigen ständig eine andere Signalquelle und senden zudem diesen Impuls an die unterschiedlichsten Empfänger.

Beispiel: Zuerst sendet Kanal 1 ein Gitarrensignal zum 8-Spur Tape-Deck. Danach — zum Mithören beim Synchronisieren — kommt das Gitarrensignal von der Mehrspurmaschine, darf aber nicht wieder aufgenommen werden. Schließlich geht beim Abmischen das Signal zur Mastermaschine. Durch Hall- und andere Effekte oder Ping-Pong-Auf-nahmen wird dies noch wesentlich komplizierter. An konventionellen Mischpulten gelingt dies nur durch ein riesiges Kabelarsenal und fleißiges Umstecken.

Das Midistudio hingegen vereinfacht den Prozeß durch digital gesteuerte Routing-Maps ganz erheblich: Bis zu 99 Szenen sind programmierbar, damit ist der Tonmeister auf Knopfdruck für jede Situation gerüstet.

Besondere Bedeutung besitzt der Auto-Locator: automatisches Ein- und Aussteigen, programmierbare Loca-torpunkte und eine Rehearsal-Funktion für Trockenübungen merzen die kleinen Fehler oder weniger gelungene Passagen auf bespielten Spuren aus. Freilich darf man dabei nie die natürlichen Grenzen der Mechanik außer acht lassen: Der Abstand zwischen Lösch- und Aufnahmekopf bildet eine Lücke, die nicht jeden Cut gelingen läßt. Knallharte, völlig übergangslose Schnitte, wie wir es von MIDI-Sequenzern kennen, sind in der Analogtechnik nicht einmal bei professionellen Studiomaschinen möglich.

Die Mischpultsektion läßt auf den ersten Blick zehn Kanäle erkennen. In Wahrheit sind die Kanäle doppelt belegt, also stehen 20 Kanäle zur Verfügung. Dies trägt der aktuellen Situation im Home-Recording-Bereich Rechnung. Die acht Spuren des Recorders können somit weitere zwölf Instrumente — z.B. per MIDI gesteuert — ergänzen. Der Trick, heißt Doppelbelegung: Jeder einzelne der zehn Main-Channels verfügt über die Untergruppe »Dual«, die lediglich aus einem Level- und einem Panoramaregler besteht. Auf Klangregler wurde bewußt verzichtet — Synthies klingen meist ohnehin im gewünschten Klangspektrum. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, Effektweg 2 des Hauptkanals zu benutzen.

Der Hauptkanal besitzt einen Dreiband-Equalizer mit stimmbarem Mittenbereich. Der Höhenregler mit Shel-ving-Charakteristik (Neigungsfilter) beginnt bei 10 kHz und umfaßt einen Frequenzbereich bis zu 20 kHz. Der Baßregler wirkt auf Signale zwischen 20 und 250 Hz. Die zwei Effektwege — den unteren teilt sich der Main-Kanal mit der Dual-Sektion — können freilich auch als Monitorwege z.B. für spezielle Kopfhörermischungen verwendet werden.

In der Monitorsektion zeigt sich der Unterschied zu Bühnenmischpulten recht deutlich: Fünf Ein/Aus-Taster bestimmen, was am Monitor zu hören ist — die Ausgänge bzw. die zum Recorder gelangenden Signale werden hiervon nicht beeinflußt. Die Cue-Sektion mit zwei mal acht Reglern erhält das Signal — je nach Stellung des digitalen Mixer-Routings — von den Bandspuren oder vom Gruppen-ausgang. Entsprechend den acht Spuren gibt es in der Monitorsektion acht Sub-gruppen. Das Signal der Subgruppen kommt dabei von einem der vier Main-Masterregler.

Zehn Pegelanzeiger befinden sich in einem schwenkbaren Modul am Kopf des Mixers. Welches Signal hier abgetastet wird, hängt von der Einstellung der Record-bzw. Monitor-Mode-Tasten ab.

An der Geräterückseite dienen zehn symmetrische XLR-Buchsen zum Anschluß niederohmiger Mikrofone. Signalquellen mit Line-Pegel, also Synthesizer oder andere Audiogeräte, die nicht verstärkt werden müssen, liegen normalerweise an einer der zehn Klinkenbuchsen. Insert-Buchsen, das sind dreipolige Stereo-Klinkenbuchsen schalten Effektgeräte wie z.B. einen Kompressor oder einen externen Equalizer, in den Main-Kanalpfad zwischen Klangregelung und Kanal-Fader.

Beide Effektwege besitzen ebenfalls Klinkenformat und sind für Stereogeräte ausgelegt. Einzelne Subgruppen oder Bandspuren kann man mit »Cinchkabel« auch direkt abnehmen. Ebenfalls an der Rückseite: Main-Outputs zum Anschluß an einen Verstärker.

Neben den drei Standard-MIDI-Buchsen existiert eine »External Sync«-Sektion, die fest mit Spur 8 verbunden ist und beispielsweise für SMPTE-Code gedacht ist. Der Ausgangspegel läßt sich bei Bedarf auch absenken. Zwei Kippschalter an der Rückseite schalten das dbx-System in zwei Gruppen zu oder ab.

Interessant ist die »Remote Control«-Buchse. Die als Zubehör erhältliche Fernbedienung steuert sämtliche Laufwerksfunktionen.

Das serielle Interface (RS232C) dient ebenfalls zur Steuerung des Midistudios — die benachbarten DIP-Schalter bestimmen die Bit-Rate. Über RS232C ist allerdings noch mehr möglich: Der »MIDIizer«, ein intelligenter und vielseitiger Syn-chronizer, bildet die Brücke zu Audio/Video-Produktionen: Je nach Anforderung wandelt er SMPTE-Zeitcode und MIDI-Daten kontinuierlich ineinander um. Zugleich führt der MIDIizer diverse andere Funktionen aus: Record On/Off, Autolocator mit 20 Positionen, Event-Trigger über Zeitcode, MIDI-Programmwechsel etc.

Wie aber klingt das Midistudio? Der Mixerteil ist ein absolutes High-End Produkt — und das hört man auch. Ein Vergleich mit einem einfachen Bühnenmischpult brachte den Unterschied deutlich an den Tag: Mit den Klangreglern beider Geräte in Nullstellung ist das Signal aus dem Midistudio-Mixer einfach transparenter und klarer. Mit diesem Mischpult lassen sich bedenkenlos sogar professionelle CD-Produktionen mischen.

Der Recorderteil freilich erreicht trotz doppelter Bandgeschwindigkeit und dbx-Rauschunterdrückung diese Qualität nicht. Die acht Spuren sind lediglich für reine Demozwecke (Home-Recording) zu gebrauchen.

Die Bedienung ist vorbildlich: Auto-Locator und digital gesteuerte Routing-Maps sind unschätzbare Hilfen. Weltpremiere sind die MIDI-Features.

Midistudio 688

Hersteller: Tascam

Vertrieb: TEAC Deutschland GmbH

Preis: 5980 DM

Vorteile: elektronische Schalttafel, integrierter MIDI-Time-Code, Auto-Locator, durch Doppelbelegung 20 Audiokanäle, Vario-Speed

Einschränkungen: Bandrauschen, Elektronik etwas kompliziert zu bedienen

Fazit: ein Portastudio, das den Rahmen herkömmlicher Modelle sprengt



Aus: ST-Magazin 12 / 1991, Seite 14

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