Ob »Gemini«, »Neodesk« oder »Kaosdesk«: alternative Oberflächen beschleunigen die Arbeit mit dem ohnehin komfortablen GEM zusätzlich. Der jüngste Kandidat heißt »Hot Wire«.
Ausgerechnet die Frankfurter Firma Artifex Software nimmt die Version 3.1 der Alternativoberfläche Hot Wire von Code-Head-Software (»Arcshell«) in ihr Sortiment auf — dabei vertreibt das Artifex-Team eigentlich das langerwartete »Newdesk«, mit TOS-2.06-ROMs für alle STs und offiziell lizenziert von Atari. Warum also Hot Wire? Besitzt diese Oberfläche Features, die Newdesk nicht beherrscht? Die den Kaufpreis von 98 Mark rechtfertigen könnten?
Hot Wire wird im Autoordner installiert (mit Zeitverzögerung) bzw. aus einem beliebigen Verzeichnis aufgerufen. Bei Programmstart tritt der Computer runde 114 KByte seines Arbeitsspeichers an die Oberfläche ab. Die meldet sich mit einem Bildschirm, der drei Spalten mit jeweils 18 Zeilen für Einträge reserviert. Eine GEM-Menüleiste und eine Icon-Leiste ergänzen das Erscheinungsbild. Der Hintergrund baut sich mit beliebiger Farbe bzw. einem Grauraster auf.
Die Textzeilen lassen sich vierfach nutzen: Sie ermöglichen erstens direkten Programmaufruf (PRG, TOS, APP) per Tastenkombination oder Mausklick. Dabei darf der Menüname unabhängig von der Applikation bis zu 20 Zeichen umfassen.
Toll: Auch Accessories (ACC, ACX) erkennt Hot Wire und startet sie unabhängig von der Acc-Leiste.
Auch gut: Mehrere Applikationen lassen sich sinnvoll miteinander verketten und starten nacheinander, z. B. Signum-2-install und anschließend das Hauptprogramm oder Interpreter, Compiler, Linker. Zudem lassen sich beliebige Dateitypen mit einer Anwendung verknüpfen (wie im TOS »Anwendung anmelden«).
Unser Beispiel (s. Abb.) zeigt Texte für eine Diplomarbeit und ein Plotfile, bei deren Aufruf sofort die gewünschte Textverarbeitung bzw. das Platinenlayoutprogramm gestartet wird. Drittens lassen sich Menüzeilen einfach mit Kommentaren füllen (z. B. Headlines) oder viertens in weitere Hot-Wire-Untermenüs verzweigen.
Neben der Hauptfunktion der Menüzeilen bietet Hot Wire allerlei nettes Beiwerk: beispielsweise eine Digitaluhr mit Sekundenanzeige im 12- bzw. 24-Stunden-For-mat, die jede volle Stunde piept. Die Zwiebel behält bis zu 16 voneinander unabhängige Alarmzeiten, löscht ausgelöste Alarme oder wiederholt sie täglich, wöchentlich, monatlich. Wie wär’s mit der elektronischen Stechuhr, die genau dokumentiert, wann und wie lange Sie Ihren ST mit welcher Anwendung gequält haben? Ein Clocksetter-Utility richtet die Uhrzeit, das Button-Fix-Acc verhindert, daß ein Einfachklick als Doppelklick interpretiert wird (kann in Calamus ärgerlich werden), mit dem Hot-Editor lassen sich Suchpfade bequem einstellen.
Freilich muß sich jeder alternative Desktop an der Gemini-Shell (nebst CLI »Mupfel«) messen lassen. Da eignet sich als Fazit ein Zitat aus dem Hot-Wire-Hand-buch: »Unser Ziel ist es, hier in Deutschland den Code-Head-Produkten die Anerkennung zu verschaffen, die sie in den USA schon jetzt genießen...«. Müßte es nicht vielmehr heißen: »In den USA gibt es einen lächerlich winzigen Kreis von ST-Usern, kein Vergleich zur deutschen Szene — und die Amerikaner kennen eben Gemini nicht...?« (hu)
WERTUNG
Hot Wire 3.1
Hersteller: Code Head Software
Preis: 98 Mark
Stärken: Tastaturkürzel, ACCs startfähig, PRG-Verket-tungen, Anwendungen an-meldbar, einfach zu bedienen, schnell
Schwächen: zu teuer, frißt viel RAM
Fazit: ganz nett, seit TOS 2.06 aber eigentlich überflüssig
Artifex Computer GmbH, Holbeinstr. 60, 6000 Frankfurt/M 70, Tel. 069/6312456