Amberstar: Höllische Versuchung

Thalions phantastisches Epos »Amberstar« braucht die Überseekonkurrenz von SSI oder Origin keineswegs zu scheuen. Dabei wurde es auf dem ST entwickelt und muß mit 16 Farben auskommen.

Höllisch ist die Versuchung wahrlich: Tar, der kleine Außenseiter, geschmäht und verhöhnt von Gleichaltrigen, entdeckt eines Tages seine übernatürlichen Kräfte. Bald wird er zum Zauberlehrling und lernt, in immer dämonischere Dimensionen vorzudringen und mit der Macht der Magie zu spielen. Doch die Kraft blendet ihn und er läßt sich von ihrer dunklen Seite gewinnen. Er wird zu Tarbos, zum finsteren Über-Dämon und verbrennt die Erde durch lebende Tote, die er durch seinen Willen aus ihren Gräbern geholt hat. Nur dem entschlossenen Kreis der mächtigsten Magier des Landes Lyramion gelingt es, den Jähzorn des Monsters zu bannen und die Orte des Schreckens mit dem Amberstar zu verschließen, dem mächtigen Siegelstein.

Tausend Jahre vergehen und die Erben des Fluchs sinnen rastlos auf Rache.

Der Amberstar liegt in dreizehn Stücke gerissen im ganzen Land verstreut. Nur wenn es gelingt, sie wieder an jenem Schicksalsort zu vereinen, wird die Gefahr endgültig gebannt werden können...

Städte sehen ein wenig nach Labyrinth aus...

Auch wenn Thalions Rollenspiel-Clan um Karsten Köper mal wieder bei Tolkien geklaut hat, fesselt schon allein die Begleitstory. Erstaunlich, was das vergleichsweise winzige Entwicklerteam da aus dem Hut gezaubert hat: Das 2,5-MByte-Spektakel kommt auf drei Installationsdisketten daher und ist so umfangreich, daß eine Festplatte schon fast Bedingung für ungetrübtes Vergnügen ist. Jochen Hippel hat über 20 seiner irren Sounds beigesteuert und die Grafik muß sich trotz der 16-Farben-Beschränkung des ST keineswegs vor den VGA-Hits der PC-Welt schämen.

Der Spieler zieht — wahlweise männlich oder weiblich — mutterseelenallein los und versammelt nach und nach eine sechsköpfige Rollenspielparty um sich, die sich auf die Suche nach den Bruchstücken des Amberstar macht. Da stets mehr Gefährten mitziehen wollen, als die Gruppe aufnehmen kann, muß der Spieler sorgfältig entscheiden, von wem er sich unterwegs wieder trennt und wen er mitziehen läßt. Wie für ein rechtes Rollenspiel üblich, reden Rassen, Gruppenzugehörigkeit und Rangordnungen ein gewichtiges Wörtchen mit: Elfen sind natürlich viel intelligenter und weiser als Menschen, Zwerge sind nur halb so klug, aber viel stärker und die berühmten Halblinge besitzen zwar großes Geschick und Schnelligkeit, verfügen aber über wenig Ausdauer. Sieben unterschiedliche Rassen leben in Lyramion, alle haben ihre Vorzüge und Nachteile. Jeder Charakter darf bestimmten Berufsgilden oder Klassen beitreten — natürlich nur innerhalb seiner rassenspezifischen Eigenschaften. So kann ein Zwerg niemals Magier werden und ein Halbling kein Krieger.

Gilden spielen eine gewichtige Rolle im Gesellschaftssystem

Ein kompliziertes System aus Eigenschaften, Erfahrungspunkten, Wirkung von Zaubersprüchen, Ruhepausen und Nahrungsrationen bestimmt den physischen Zustand eines Charakters und seine Kampfmotivation.

Zahlreiche Charaktere spielen nur kurze Statistenrollen: Händler verkaufen Lebensmittel, der Bürgermeister erteilt Aufträge, ein alter Zauberer gibt Aufzeichnungen weiter und Hotelbesitzer laden zum Ruhen ein. Der umsichtige Partyleader kümmert sich auch um die rechte Verständigung: Ohne die Dialekte und Sprachen der unterschiedlichen Lebensformen nützen die schönsten Zaubersprüche weißer, grauer oder schwarzer Magie nichts. Viele Figuren sind sehr mitteilungsbedürftig und der Spieler unterhält sich über eine Reihe von vorgegebenen Stichwörter mit ihnen oder gibt seinen Unterhaltungstext direkt ein. Interessante Gesprächsthemen erscheinen sofort in der Stichwortliste.

Vogelperspektive
Richard Karsmakers prächtige Lyramion-Karte
Auch in Häusern beobachtet man aus der Vogelperspektive

Die Steuerung der Abenteurergruppe erfolgt per Tastaturkommandos oder über ein komfortables Icon-System komplett per Maus. Städte und Dungeons durchstreift das Grüppchen in 3-D-Perspektive. Offenes Land und Örtlichkeiten wie Wirtshäuser oder Gilden betrachtet der Rollenspieler aus der Vogelperspektive. Bemerkenswerte Ereignisse beschreibt Amberstar in Text und Bild durch animierte Sequenzen. So kommt es beispielsweise früher oder später zum Kampf mit den Schergen des Bösen. Da muß der Gruppenführer schnell entscheiden, ob er flieht oder kämpft. Fliehen kann retten oder schaden, Kampf den Sieg oder den Tod bringen. Ein Kampfbildschirm inszeniert die Gegner in 3-D-Perspektive, links daneben erschient das Geschehen aus der Vogelperspektive.

Für Rollenspielfans ist Amberstar schlichtweg ein absolutes Muß. (hu)

WERTUNG

Amberstar

Hersteller: Thalion
Preis: 104,95 Mark
Mono: nein
Genre: Rollenspiel

Motivation: 6 von 6
Grafik: 5 von 6
Sound: 6 von 6

United Software, Hauptstraße 70,4835 Riet-berg 2

Atari ST Top ten

Interessante Trends bei unseren ST-Spiel-Verkaufscharts von Media Control und United Software: »Lemmings« hat den Spitzenplatz an »Monkey Island« abgeben müssen, den Platz zwei vom Vormonat. Allerdings war der Spitzenreiter auch der erste Lemmings-Streich. Sicher nur eine Frage der Zeit, bis die Zusatzdisk »More Lemmings« in den Charts auftaucht. Neuzugänge gibt’s diesen Monat keine, mit Sicherheit wird aber bald »Amberstar« auftauchen, das sensationelle Rollenspiel von Thalion (s. auch unseren Testbericht). Dieses Spiel wird mit Sicherheit ganz schnell die oberen Plätze erobern. »Flight of the Intruder« ist kräftig abgesackt (Vormonat 3.) und der Rennsimulator »Lotus Turbo II« bewegt sich an die Spitze. (hu)


Carsten Borgmeier
Aus: ST-Magazin 04 / 1992, Seite 126

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