Public Domain - Das Ende einer Ära?

Fast scheint es, als würde der PD-Gedanke in Deutschland scheitern: viele Autoren wollen wegen zu geringer Resonanz keine Programme mehr anbieten oder suchen zumindest nach Alternativen zum PD-Vertrieb.

»Die Programmiererei lohnt sich nicht. Ich behaupte zwar nicht, daß die PD-Anbieter sich daran eine goldene Nase verdienen, aber am wenigsten Geld sehen sicherlich die Autoren — das ist leider nicht nur meine Erfahrung«, beschreibt Daniel Roth aus Köln seine Meinung zum Thema Public Domain. Von Daniel Roth stammen Programme wie »ST Kalender«, »Barcodes« oder »Chronos«. Georg Zöller, der in den vergangenen vier Jahren nur knapp ein Dutzend Zuschriften zu seiner animierten »Erdkugel« bekam, hat inzwischen dem ST enttäuscht den Rücken gekehrt und widmet sich nur noch DOS-PCs.

Zu viele »Mitesser«?

Blättert man den Anzeigenteil diverser Zeitschriften durch, finden sich Dutzende von Anbietern für PD-Software. Neben den Serien etablierter Firmen gibt es eine Unmenge von »Wohnzimmerkopierern«, deren Angebot sich oft nur durch die Art der »mitgelieferten« Viren unterscheidet. Obwohl es offenbar eine große Nachfrage nach den kleinen Helfern und pfiffigen Speziallösungen gibt, sehen die Programmierer von diesem Erfolg meist sehr wenig. Zwar programmiert keiner der von uns befragten Autoren explizit, um damit Geld zu verdienen, trägt wohl aber die Kosten, wenn sich die Käufer mit Fragen, Beschwerden oder Verbesserungsvorschläge an ihn wenden, während die Versender »nur die Früchte ernten«.

Wer nicht ganz kapituliert, versucht auf andere Weise, seine Interessen zu wahren: der eine hinterlegt seine Programme nur in Mailboxen, um Verbreitung ohne »Mitesser« zu erreichen, der andere versucht über Codelisten den knickrigen Benutzer zu einer Vergütung zu bewegen (»Dongleware«). Gelegentlich degeneriert ein Programm auch zur simplen Demonstration ohne Funktion. Diese Wege sind nicht ohne Nachteile. Nicht jeder hat ein Modem, Eltern fürchten die Telefonrechnungen und Codelisten werden auch für den registrierten Anwender schnell zur Qual (vor allem, wenn sie besonders »augenfreundlich« auf farbigem Papier gedruckt sind).

Damit die geniale Idee von PD und Shareware nicht zwischen Profit und Unlust zugrunde geht, müssen Anwender wie Vertreiber ein wenig umdenken. Neben der normalen PD-Schiene bieten inzwischen verschiedene PD-Versender Alternativen, die die finanziellen Interessen der Programmautoren nicht mehr übergehen: Da seien zunächst die Sonderdisketten von Maxon bzw. die über den Heim-Verlag vertriebene Sonderserie des Atari Journals genannt. Der Programmierer wird an jeder verkauften Diskette beteiligt und der Anwender kann sicher sein, daß die Software keine Demoversion oder »Schrott« ist. Bei Preisen zwischen 15 und 35 Mark wird der Geldbeutel nicht übermäßig belastet. Allerdings unterliegen die auf diesem Wege veröffentlichten Programme einem Copyright, so daß eine Weitergabe nach PD-Manier nicht gestattet ist.

Beteiligung am Umsatz

Einen anderen Weg schlägt man beim PD-Pool ein: Ausgewählte Programme sollen künftig mit 20 Prozent an jeder verkauften Diskette honoriert werden. Für den Anwender steigt der Diskettenpreis zwar auf 10 Mark an, aber er läßt dem Autor damit automatisch eine Anerkennung zukommen. Die Disketten werden ausschließlich über den PD-Pool vertrieben, doch privat darf solche Software weiterhin kopiert werden.

Auch die unter dem Namen »konTRAST« zusammengeschlossenen Händler wollen den Autor für die Aufnahme in ihre Serie mit einer Prämie belohnen. Für den Anwender bleiben die Disketten mit 5 Mark sehr preisgünstig. Im privaten Kreis darf auch hier weiter getauscht werden. Darüber hinaus will man einen Shareware-Service einrichten, über den man registrierte Vollversionen und gedruckte Anleitungen beziehen kann. — Für Programmierer wie Anwender gleichermaßen interessant.

PD oder nicht PD?

Dem Programmierer bleibt die Qual der Wahl: ist ihm eine Umsatzbeteiligung wichtig oder möchte er eine weite Verbreitung durch ungebremsten Tausch erreichen? Auch der Kunde hat eine Entscheidung zu treffen: will er die Arbeit unzähliger Hobbyisten honorieren oder in Zukunft auf preisgünstige Software verzichten? — Es tut sich also etwas auf dem PD-Markt.

Doch bei allem Verständnis für eine Entlohnung, sollte das PD-Prinzip des freien Tauschens nicht zu sehr durch bürokratische Hindernisse ausgehöhlt werden. Sind schon jetzt die Grenzen zwischen PD und Shareware fließend, entsteht nun leider noch mehr Verwirrung.

Auf den folgenden Seiten finden Sie einen Überblick aus dem breiten Spektrum der PD, Shareware und Sonderdisketten. Ob Terminkalender, Cache, MIDI-Helfer oder Tabellenkalkulation, kaum ein Problem bleibt ungelöst. (thl)

Maxon Computer GmbH, Schwalbacher Str. 52c, 6236 Eschborn
Heim-Verlag, Herr Arbogast/Herr Bernhard, Heidelberger Landstr. 194, 6100 Darmstadt 13
IDL, Klaus Schultheis, Lagerstraße 11,6100 Darmstadt
Kontraste, Mathias Neumann, Zwickauer Str. 4, 5400 Koblenz

# Bücher zum Thema

Zum Thema Public Domain auf dem Atari sind zwei Bücher erschienen: »Kopier mich!« aus dem Verlag Zweitausendeins stellt in einem Dutzend Kapitel mehr als 60 Programme aller Sparten vor. Daneben finden Sie Szeneplaudereien über Softwaretausch und Hürden aus der Pionierzeit des Heimcomputers. Die Software wird auf zehn Disketten gleich mitgeliefert. Das Gespann kostet 55 Mark.

»PD Royale« vom PD-Spezialisten Maxon orientiert sich an der weit verbreiteten Maxon-PD-Serie. Rund 80 Programme und ihr optimaler Einsatz werden erläutert. Viele Grafiken und Beispiele erleichtern auch dem Anfänger den Einstieg in die oft wundersame Welt der Computer. Aber auch Fortgeschrittene kommen auf ihre Kosten. Mit 29 Mark ist man dabei. Die beschriebene »weiche Ware« gibt es bei Maxon gesammelt in drei Paketen zu je 39 Mark oder einzeln über den einschlägigen Handel.

Kopier mich!, Peter Glaser (Hrsg.), Zweitausendeins, Postfach 610637,6000 Frankfurt a. M. 60

PD Royale, Thorsten Luhm, Maxon Computer GmbH, Schwalbacher Str. 52c, 6236 Eschborn


Thorsten Luhm
Aus: ST-Magazin 07 / 1992, Seite 14

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