Flugsimulator Airbus A320: 200 Tonnen heben ab

Der deutsch-französische Linienvogel »Airbus A320« macht nicht nur der guten alten »Boeing 737« Konkurrenz. Fliegen Sie eines der modernsten Verkehrsflugzeuge der Welt - im Simulator.

Wenn ein Flugzeugtyp in den Schlagzeilen auftaucht, stimmt meistens etwas nicht: Entweder ist er mal wieder runtergefallen oder das Projekt verschlingt ein Mordssteuergeld. In den Schlagzeilen war der Flugsimulator zum A320: Thalion Software veranstaltete großes Tamtam, um der Amiga-Version zum Start zu verhelfen. Ist auch die ST-Version so toll?

Flugsimulatoren neueren Datums haben alle gemeinsam: fette Handbuchschinken, die bis ins letzte Detail die unzähligen Funktionen des simulierten Cockpits beschreiben. Wo bei militärischen Simulationen ausbildungsähnliche Abhandlungen über Bewaffnung und Luftkampfmanöver stehen, geht der »A320« auf zivile

Wetter-Briefing

Aufgaben ein: Wettereinschätzung, ökonomische Treibstoffberechnung, Funkfeuer, Flugkarten. Beeindruckend die Detailversessenheit, mit der die Thalion-Entwickler zur Sache gingen: Ein zweites Buch enthält echte Anflugkarten aller europäischen Flughäfen, zwei authentische 1:1-Flugkarten-Nachdrucke ergänzen die Ausrüstung.

Wie schneidet nun bei all der Detailtreue der Simulator selbst ab? Wer sich authentisch in allen Flugmanövern der zivilen Luftfahrt üben will, liegt beim A320 richtig — wer rasante Action, beeindruckende Grafik und schnelle Manöver liebt, liegt völlig verkehrt. Die Fliegerei beginnt mit einer weitgehend Autopilot-gesteuerten Platzrunde zum Kennenlernen. Echt ist die Flughafenkennung, echt sind die Funkfeuerfrequenzen, echt ist das Signal des Landeanflugsenders, realistisch der Treibstoffverbrauch, die Klappenstellung, die Vorflügel, die Triebwerksleistung, das Verhalten von Treibstoff-, Passagier- und Nutzlast auf das Flugverhalten, echt sind auch Wettereinflüsse von Wind und Wolken.

Viele Details bietet der Blick aus dem Cockpit nicht...

Völlig gleichförmig und abstrakt dagegen präsentiert sich die Landschaft außerhalb des Cockpits: Der ehemalige Flughafen München-Riem sieht aus wie Köln-Bonn und Hannover Airport gleicht Hamburg wie ein Ei dem anderen. Lediglich die Anzeige der absoluten Höhenmeter auf der Instrumententafel und die Position zu den Funkfeuern variiert entsprechend der Realität. Völlig nichtssagend auch der Sound: Nach dem Anlassen der Triebwerke ist Sense. Keine Funksprüche, kein Tower, keine Fluglotsen, der Anflugsender fiept geradezu beleidigend penetrant. Mäßig auch das Flugverhalten des Vogels: Reagiert viel zu bockig auf den Joystick.

Der motivierte Anfänger konzentriert sich also so schnell wie möglich auf die Arbeit mit Flugkarten und Instrumententafel. Hier offenbart sich das nächste Manko: Wetten, daß jeder, der sich einen Flugsimulator kauft, mit geschlossenen Augen erzählen könnte, wieso ein Flugzeug fliegt? Und wetten, daß jeder, der keine IFR-Lizenz besitzt, all diese überflüssigen Handbuchseiten verflucht, weil dann ausgerechnet * das zehnmal wichtigere Kapitel »Navigation« viel zu knapp ausfallt?

Alles in allem hinterläßt der A320 gemischte Gefühle: Für einen Lehrbuchsimulator bietet er begeisternd viel Drumherum, im Cockpit reduziert sich die Euphorie dann aber spürbar. Wer gerne die Treibstoffmenge anhand von Zuladung, Wetter und Passagierzahl berechnet, kann hier phantastisch üben — ein Taschenrechner und abgeschalteter Computer genügt für die ersten Stunden aber völlig... (hu)

Nachtflug

WERTUNG

Airbus 320

TT ✓ STE ✓ ST ✓

Hersteller: Thalion
Preis: ca. 130 Mark
Mono: nein
Genre: Flugsimulator
Grafik: 3 von 6
Sound: 2 von 6
Motivation: 5 von 6

United Software, Hauptstr. 70, 4835 Rietberg


Carsten Borgmeier
Aus: ST-Magazin 08 / 1992, Seite 132

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