ST-Book: Wirklich tragbar

Endlich da: der neue ST-Book

Schon zur Atari-Messe machte der ST-Book vielen Appetit, jetzt gibt es ihn endlich auch bei den Händlern. Wir haben ihn in der Praxis getestet.

Gewohnt lang hat's ja gedauert, bis der ST-Book vom Nullseriengerät bis zur Serienreife gediehen war. Seit unserem ersten Schnuppertest (1/92) ist gut ein halbes Jahr vergangen und endlich steht er nun in den Läden. Zeit also zu sehen, ob der Book in der Praxis hält, was der Erlkönig versprach.

Eigentlich ist beim Book alles beim alten geblieben: Die nicht nur für ein Notebook gute Tastatur, das Gewicht und die technischen Daten haben sich nicht verändert. Insgesamt scheinen die Produktingenieure aber noch einige Arbeit in die mechanische Stabilität gesteckt zu haben: während der Prototyp noch einen etwas wackeligen Eindruck hinterließ, zeigt sich das Seriengerät sicherlich auch dem rauhen Alltag gewachsen.

Allerdings muß sich Atari beim Bildschirm ein bißchen Kritik gefallen lassen: Das LC-Display ist bestimmt nicht schlecht, aber der Mauszeiger reagiert z. B. recht träge und verschwindet bei schnelleren Bewegungen ganz über den Bildschirmrand und man muß ihn dann verzweifelt suchen. Gerade in Verbindung mit dem Vector-Pad fehlt dem Anwender hier eine gewisse mechanische Rückmeldung, wie sie etwa eine klassische Maus bietet. Diesen Punkt sollten Sie aber nicht überbewerten, stellt sich doch mit der Zeit Gewöhnung ein und zügiges Arbeiten ist Tagesordnung. Wir haben den Book nun etwa sechs Wochen im täglichen Gebrauch und kommen mit dem Pad gut zurecht.

Wer dennoch nicht auf die Maus verzichten will, kann auf eine Softwarelösung der Fa. Omikron zurückgreifen, die den Betrieb einer Microsoft-kompatiblen Maus am seriellen Port erlaubt. Das kleine Auto-Ordner-Programm funktionierte im Test passabel, hat allerdings mit der Shut-Down-Funktion des Book zu kämpfen: Irgendwie geht im Sleep-Zustand die eingestellte Baudrate verloren, und die Maus verweigert darauf die Arbeit. Allerdigs scheint laut Omikron schon eine Lösung dieses Problems in Sicht. Für den Betrieb des Book zu Hause und am Netz kann man schließlich den Shut-Down abstellen. Unsere Meinung: eine praktische und preiswerte Lösung (29 Mark), dem Book zur echten Maus zu verhelfen.

Noch ein kleiner Tip für Besitzer eines MS-DOS-Emulators der Fa. Sack (Vertrieb: Heim Verlag): Den Emulatoren der PC- u. AT-Speed-Serie liegt ein kleines Programm bei, das denselben Zweck erfüllt und hevorra-gend mit dem ST-Book harmoniert. Allerdings gibt’s hier nur den nackten Treiber, Omikron liefert noch ein Einstell-Accessory für Baudrate und Mauscharakteristik mit (auch als CPX-Modul).

Schon bei der Vorstellung des kleinen Tragbaren bemängelten einige Kritiker die fehlende Hintergrundbeleuchtung des Displays. Es ist sicherlich richtig, daß ein beleuchteter LC-Schirm einfach schöner ist, aber er hat auch seine Nachteile. So braucht die Beleuchtung Strom und der ist bei einem portablen Gerät nun mal Mangelware. Die Maxime der Entwickler war es aber, ein Gerät zu entwickeln, das sehr lange ohne Netz bzw. ohne Batterietausch arbeiten kann.

Sicherlich kann man eine eingebaute Beleuchtung auch abschaltbar konzipieren, aber sie bedeutet auf alle Fälle mehr Gewicht und Bauhöhe. Bei einem Notebook, der schließlich klein und leicht sein und lange netzunabhängig arbeiten soll, läßt sich die fehlende Beleuchtung sicherlich verschmerzen. Außerdem: Wer arbeitet denn schon bei Kerzenlicht? Bei normaler Umgebungshelligkeit läßt sich mit dem Display gut arbeiten.

Ein wichtiger Aspekt bei tragbaren Computern ist, wie schon erwähnt, die Betriebsdauer ohne Batteriewechsel bzw. Netzanschluß. Wir haben den Book mehrere Tage inteniv genutzt, ohne seine Accus aufzuladen. Nun ist es auch bei häufiger Benutzung so, daß der Rechner die meiste Zeit des Tages auf die Befehle seines Herrn wartet. Der Book geht dann einfach schlafen. Ein Tastendruck erweckt ihn erfreulicherweise an genau derselben Stelle wieder zum Leben, an der man sich — bevor z. B. der nette Kollege zu einem kleinen Schwätzchen ins Zimmer kam — vorher befand. Eine praktische Geschichte.

Daher ist die Feststellung einer maximalen Betriebsdauer ein schwieriges Unterfangen. Deshalb haben wir unser Testgerät etwas malträtiert: Ein kleines Programm rechnete vor sich hin und beschäftigte den Computer und warf alle fünf Minuten die Festplatte zum Schreiben und Lesen an. Der Book arbeitete mit Akku etwa viereinhalb, mit Batterie zweieinhalb Stunden, bis die rote LED einen Batteriewechsel anmahnte. Das ist weit mehr, als vergleichbare tragbare Computer schaffen. Die konsequente Stromspartechnik macht sich bezahlt.

Wenn Sie unterwegs sind und der Book Sie mit seiner roten LED auf eine nachlassende Acculeistung aufmerksam macht, laden Sie den Accu innerhalb von etwa einer bis eineinhalb Stunden wieder auf volle Kapazität auf. Was aber, wenn kein rettender Netzanschluß in der Nähe ist? Kein Problem, denn das mitgelieferte Batteriepack nimmt sieben handelsübliche 1,5 V Mignon-Batterien auf und hilft aus der Patsche. Beim Wechsel brauchen Sie nicht einmal Ihre Applikation zu verlassen: ausschalten, Batterien wechseln, einschalten und weiter geht’s.

Auch um die Kompatibilität ist’s gut bestellt. Der Book verdaut alle Software, die einigermaßen sauber geschrieben wurde. Doch leider erweist sich der Speicherausbau von nur einem MByte bei unserem Testgerät als lästiger Hemmschuh: Viele Applikationen sind heute einfach garstig speicherhungrig und verlangen einfach etwas mehr RAM. Zwar will die Fa. Eickmann Computer die Books auf vier MByte aufrüsten, aber warum nicht gleich ab Werk?

Für den Dateitransfer bieten sich mehrere Wege an. Da der Book kein eingebautes Floppylaufwerk besitzt, drängt sich die mitgelieferte Transfersoftware förmlich auf. Sie erlaubt die Übertragung über den parallelen oder den seriellen Port zu einem anderen Computer. Für den Weg über die Druckerschnittstelle liefert Atari ein passendes Kabel mit, bevorzugen Sie die serielle Schnittstelle, so benötigen Sie ein Nullmodemkabel.

Die Transfersoftware verpackten die Techniker aus Sunnyvale ins ROM, so daß sie immer zur Verfügung steht. Das Programm für die Gegenseite liegt natürlich auf der mitgelieferten Diskette. Für Computer der ST/TT-Serie eine Version, die es erlaubt, den Book als Master oder Slave zu betreiben. Sie können so wahlweise vom Tischgerät oder vom Book auf alle Partitionen des Gegenübers lesend und schreibend zugreifen. Die erreichte Geschwindigkeit liegt in der Regel über der einer Floppy.

Aber auch mit anderen Geräten kann Atari’s Kleiner kommunizieren: Auf der Diskette befindet sich je ein Transferprogramm für MS-DOS-Rechner und den Portfolio. Hier können Sie jedoch nur den Weg über die serielle Schnittstelle gehen und auch nur vom Book aus steuern. Atari plant aber in nächster Zeit ein spezielles 1,44 MByte-Floppylaufwerk anzubieten. Speziell deshalb, weil der Floppycontroller sich nicht wie üblich im Computer befindet, sondern im Laufwerksgehäuse.

Anschlüsse

Auch beim Anschluß an den Book geht Atari ungewöhnliche Wege: den DMA-Port. Leider lag uns zum Test noch keins dieser Floppies vor.

Während serielle und parallele Schnittstelle mit gewohnten Anschlüssen daherkommen, mußten die Techniker bei den MIDI- und dem DMA-Anschluß zu kleineren Bauformen als gewöhnlich greifen. Die MIDI-Buchsen warten so in der fünfpoligen Mini-DIN-Ausführung auf Ihren Bühneneinsatz, der DMA-Port kommt im DB-19-Female-Format daher. Während die kleinen MIDI-Buchsen über Adapter leicht ihren Schrecken verlieren, steht der Musiker manchmal doch vor einem Problem: Obwohl Atari die Softwarehersteller lange davor gewarnt hat, Kopierschutzmechanismen über den ROM-Port zu realisieren, ist dies bei Musiksoftware leider Usus. Aber diesen Port sucht der Anwender leider auf den ersten Blick vergeblich. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich allerdings an der linken Seite des Book ein 120-Pin-Expansion-Port, der alle Signale der ROM-Ports zur Verfügung stellt.

Darüber hinaus liegen hier alle wichtigen Prozessor- u. Steuersignale an, die dem Hardware-Entwickler das Herz schneller schlagen lassen. So sind z. B. MS-DOS-Emulatoren, Grafikkarten und ähnliches zu erwarten. Wir möchten allerdings warnen: Die einzelnen Leitungen dieses Busses können max. eine LS-TTL-Last treiben und sind nicht gepuffert! Wer hier unvorsichtig herumbastelt, kann seinen Book schnell ins Computer-Nirvana schicken.

Insgesamt können wir dem Book volle Alltagstauglichkeit bescheinigen, die Kritikpunkte Bildschirm, Vector-Pad/Maus und Anschlußgestaltung wiegen in der Praxis nicht allzu sehr. Sicherlich werden die MIDI-Software-Hersteller bald reagieren und kleine Steckadapter für den ROM-Port-Dongle anbieten. Der Book ein vollwertiger Computer, aber seine Väter haben ihn als Ergänzung zu einem Tischgerät entwickelt. Wer also auf seine gewohnte Arbeitsumgebung auch unterwegs nicht verzichten will, dem können wir ihn wärm-stens empfehlen. Allerdings sollte Atari bald die 4-MByte-Maschine liefern und auch den Preis noch einmal gründlich überdenken.

(uw)

WERTUNG

ST-Book

Preis: 3498 Mark (1 MByte RAM)
Speicherausbau: 1 oder 4 MByte Low-Power Pseudo-Static-RAM 512 KByte ROM
Massenspeicher: 42-MByte-Festplatte (Connor CP 2044)
Größe: 275 x 210 x 37 mm
Gewicht: 1,9 Kg
Bildschirm: LC-Display (640 x400 Pixel)
Anschlüsse: Drucker, RS232, MIDI-In, MIDI-Out (Thru), DMA (ACSI/FDD), Netz, externes Keyboard (Maus), 120-Pin Expansion Board, interner Fax-Modem-Anschluß
Besonderheiten: Vector-Pad, Tastatur mit 84 Tasten, automatischer Shut-Down nach einstellbarer Zeit, Batteriewechsel während des Betriebs, Formatier/Partitionier- u. Transfersoftware im ROM
Lieferumfang: Netzteil-Ladegerät, Accu- und Batteriepack, Handbuch, paralleles Transferkabel, Terminkalender-u. Taschenrechner-Software

Stärken: lange Betriebszeit, gute Tastatur, geringes Gewicht u. Ausmaße, gute Softwareausstattung, hohe ST-Kompatibilität

Schwächen: LG-Display bei schlechter Beleuchtung schwer zu lesen, Floppy noch nicht lieferbar, Preis

Fazit: Ein vollwertiger ST, der wirklich portabel ist. Wenn Sie unterwegs nicht auf einen Domputer verzichten können, als Zweitmaschine sehr zu empfehlen.

Atari Computer GmbH, Frankfurter Sti 89-91, 6069 Raunheim
Omikron, Sponheimstr. 12b, 7530 Pforzheim
Eickmann Computer, In der Römerstadt 249/253, 6000 Frankfurt/M. 90


Uwe Wirth
Aus: ST-Magazin 08 / 1992, Seite 15

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