Netzwerke: Mit Netz ohne doppelten Boden

Auch beim ATARI grassiert das Netzwerkfieber. Wir prüfen zwei Low-cost-Kandidaten für LANs (Local Area Networks): MIDI-COM von Richter Distributor und das Starlight-Net.

(star_net.pac) Die Kommandozentrale von Starlight-Net

Durch die serienmäßigen MIDI-Schnittstellen können ATARI-Rechner mit extrem geringem Hardwareaufwand (ein paar Stereokabel) rasch zu einem preiswerten, ringförmigen MIDI-Netz verbunden werden, ohne einen Fileserver (Zentralrechner) zu benötigen.

MIDI-COM Version 3.5 wirkt auf den ersten Blick mager, wenn man sich von dem dürftigen DIN-A5-Heftchen (zehn Seiten Signum-Satz, keine Grafiken) schocken läßt. Die Installation ist einfach. Man verbindet max. sieben Rechner zu einem MIDI-Ring. In unserem Test wurden ein ST (ohne Festplatte) und ein TT (mit Festplatte) wie folgt vernetzt: ST-MIDI-Out an TT-MIDI-In, TT-MIDI-Out an ST-MIDI-Out. Dazu bootet man auf allen im Netz befindlichen Rechnern das Accessory MIDI_COM, das keinen Menüeintrag belegt.

Nach erfolgreichem Booten meldet man auf jedem Rechner ein virtuelles Laufwerk M: an, über das man auf die Laufwerke der anderen Rechner zugreifen kann. Dabei findet man bei insg. sieben Rechnern im Netz für die anderen Rechner virtuelle Ordner RI bis R6. Öffnet man einen dieser Ordner, findet man dort die entsprechenden Laufwerke Ax, Bx etc., durch das x als netzwerkverbundene Laufwerke kenntlich gemacht. Man hat nun von jedem der vernetzten Rechner aus Schreib- und Lesezugriff auf alle Laufwerke der anderen Rechner, wobei jeweils bis zu 20 Files gleichzeitig benutzt werden können. MIDI-COM verwendet für alle Dateioperationen GEMDOS-Aufrufe, so daß Programme, die Dateihandling mit BIOS/ XBIOS-Aufrufen erledigen, nicht auf das Netzlaufwerk M: zugreifen können, was üblicherweise nur bei Kopierprogrammen zu Problemen führt.

Der MC_TALK-Hauptdialog

MIDI-COM kann nur verwendet werden, wenn auf keinem Rechner ein TOS-Programm läuft, da es als Accessory auf Prozeßumschaltungen des Betriebssystems und somit auf AES-Aufrufe angewiesen ist. Allerdings stürzt es nicht ab, wenn ein TOS-Programm läuft oder ein Rechner im Netz abstürzt, sondern bleibt einfach in einer Warteschleife. Dies ermöglicht hohe Datensicherheit im Netzverbund. Wir konnten keinerlei Datenverluste provozieren! Bereits seit Version 3.2 ist es sehr einfach, einzelne Partitionen und auch einzelne Ordnerebenen vor Netzzugriffen zu schützen. Man legt zum Sperren einer kompletten Partition eine leere Datei »M_C_LOCK.PAR« auf der Hauptebene dieser Partition an, bei einzelnen Ordnern eine entsprechende Datei MIDI_COM.LOC. Mit der bootet man gleichzeitig das beiliegende Programm MC_TALK.ACC, dann findet man hinter dem entsprechenden Accessory-Eintrag sieben Funktionen, die der Kommunikation zwischen den einzelnen Rechnern dienen.

Mit einem Doppelklick auf »Netz-Karte« (auch Taste F1) öffnet man einen Infodialog zu allen vernetzten Rechnern. MIDI-COM erkennt, welcher Rechner einen Drucker hat und welches Programm auf welchem Rechner gerade läuft. Mit »Anmeldung« gibt man dem Rechner einen Netzwerknamen, der u.a. beim Verschicken von Dateien Verwendung findet. Das Handbuch weist darauf hin, daß man hier keine Leer- oder Sonderzeichen eingeben sollte, besser wäre gewesen, unerwünschte Zeichen gleich im Editfeld zurückzuweisen. Mit »Systemzeit« stellen Sie ggf. global oder lokal (!) Datum und Uhrzeit neu ein.

Die eigentlichen MS_TALK-Funktionen verbergen sich hinter »Kiebitz«, »Druckerwahl«, »Telefon« und »Mailbox«. So ist es mit dem ersten Rechner möglich, eine Hardcopy des aktuellen Bildschirms eines anderen Rechners zu holen und im STAD-PAC-Format zu speichern. Mit Druckerwahl kann jedem Rechner im Netz ein bestimmter Drucker zugeordnet werden, so daß z. B. Rechner 1 bis 3 auf dem Drucker von Rechner 5 ausgeben. Per > Telefon < kann man bequem on line mit einem oder allen anderen Rechnern Texte auszutauschen — quasi wie mit einem Telex. > Mailbox < kann eine Datei an einen anderen Rechner verschicken. Der Absender hat keinen Einfluß darauf, wo die Datei beim Empfänger ankommt, da dieser beim Booten den Pfad für solche Mailbox-Dateien festlegt. Sinn macht die Funktion nur bei echten Nachrichtpaketen von Rechner zu Rechner, da der Dateiname am Zielort gewandelt wird in den Namen des Absenderrechners plus einer fortlaufenden Nummer; z. B. wird am Ziel Paule. 1 oder MEGA-STE.13 aus einem Dateinamen wie LIESMICH.

Für Pascal-Programmierer: der komplette Source-Code von MC_TALK.ACC und div. zusätzliche Library-Dateien sind ebenfalls im Lieferumfang enthalten.

WERTUNG

MIDI-COM.ACC

Version 3.5 LOCKABLE (05.07.92)

Hersteller: Harald Blees
Preis: 99 Mark

Vorteile: sehr große Datensicherheit, sauberes GEMDOS-Dateihandling, intuitiv und einfach bedienbar, absturzsicher

Einschränkungen: Schreibschutz wird nur auf Absenderrechner gemeldet, Anleitung etwas mager (MC__TALK nicht im Handbuch integriert), MC_TALK nur ST-monochrom

Vertrieb: Richter Distributor, Hagener Str. 65, 5820 Gevelsberg

Starlight-Net hat schon in Version 0.9 ein ordentliches Handbuch (DIN A5, 26 Seiten, viel erläuternde Grafik, Calamus-Satz, Worterklärungen, Stichwortverzeichnis). So machte das Schmökern anfangs nach dem ebenso leichten Installieren des STAR_NET.ACC auf den Testrechnern richtig Spaß!

Erster frappierender Unterschied: Starlight-Net verbindet momentan nur zwei ATARI (soll lt. Handbuch aber schon bald 32 Rechner vernetzen können). Zweitens: Es gibt kein virtuelles Laufwerk, in dem alle Partitionen des externen Rechners auch vom Desktop aus sichtbar und benutzbar werden. Drittens: Ein echter Online-Dialog zwischen Rechnern ist nicht möglich.

Paradiesvogel...

Leider mußten wir im weiteren Verlauf der Testsitzungen feststellen, daß in der vorliegenden Version 0.9 Starlight-Net noch recht fehlerhaft ist und Funktionen, auf die uns das Handbuch neugierig macht, gar nicht getestet werden konnten.

Zudem ermüden die ständig wiederkehrenden, aufwendigen Symbole und Dialoge rasch, so daß hier weniger sicher mehr gewesen wäre.

Die Oberfläche ist in sich noch nicht schlüssig, was aber in einer Vorversion verzeihlich ist. So stehen verschiebbare Icons ohne ersichtlichen Grund neben starren Icons, Symbole erscheinen oft ohne jede Funktion, es gibt verwirrende Button-Texte wie »Blinken ein/aus« ohne definitive Anzeige, wann es ausgeschaltet ist. Zudem erscheint bei Dateiauswahlen teils die systemeigene Objektauswahlbox, teils eine selbstgebaute Box mit Zusatzfunktionen wie > Datei umbenennen <, > Löschen < und > Ordner anlegen <. Insgesamt ist der Ansatz dieses Netzwerks zwar gut, doch noch zu verspielt.

Sicher wird hier noch an allen Ecken und Kanten gefeilt. Positiv hingegen ist, daß bereits eine funktionierende Paßworteinstellung in drei Hierarchieebenen integriert ist. Somit kann der jeweilige Hauptnutzer eines Rechners durch ein max. fünf Zeichen langes Paßwort seinen Rechner komplett gegen Zugriffe von außen schützen oder beispielsweise nur das Lesen/Schreiben zulassen.

Auch sind Modems, Plotter und Drucker auf dem externen Rechner schon ansteuerbar und geben die übertragenen Daten im Hintergrund aus, ohne dabei das dort laufende Hauptprogramm allzusehr zu blockieren. (mn)

WERTUNG

Starlight-Net

Hersteller: Peter Schmidt
Preis: 168 Mark

Vorteile: gutes Handbuch

Einschränkungen: schreibgeschützte Medien blockieren Quell- und Zielrechner, eigenwillige, überladene Oberflächenbenutzerführung, nicht konsequent, noch zu verspielt, nur in ST/TT-monochrom- und TT-mittel-Auflösung einsetzbar (aufgrund überladener Dialogboxen)

Vertrieb: Starlight electronic and software, Peter Schmidt, Schartenmattweg 20, CH-4145 Gempen


Ulf Dunkel
Aus: ST-Magazin 09 / 1992, Seite 50

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