RS-Speed: Für eine Handvoll Bits

Wenn Sie bei aller Freude über Ihr neues Hochgeschwindigkeitsmodem noch schneller werden möchten, lesen Sie unseren Testbericht über das Hardwareprojekt »RS-Speed«.

Schnelle Modems sind seit einiger Zeit nicht mehr das Privileg finanziell besonders gut gestellter DFÜ-Nutzer. Der Preisverfall hält an — allerorten werden V.32bis-Modems, die Ihre Daten mit 14400 Bits pro Sekunde und mehr über die heißen Drähte pusten, schon für unter 700 Mark angeboten. Daß Geräte dieser Preisklasse keine Zulassung für den Anschluß an das deutsche Telefonnetz besitzen, stört mittlerweile kaum noch jemanden. Hinter vorgehaltener Hand ist zu hören, daß der Fernsprech-Monopolist derzeit mit der Aufspürung illegaler Funktelefone voll ausgelastet ist. Verständlich: Der durch diese drahtlosen Wellenreiter verursachte Schaden, wie etwa die Störung von Polizei-und Rettungsfunk, ist beträchtlich.

Gewinn durch Kompression

Nahezu alle High-Speed-Modems warten mit Verfahren zur Datenkompression auf, die bei der Übertragung von ungepackten Daten deutliche Geschwindigkeitssteigerungen bringen. Das gebräuchlichste dieser Protokolle heißt V.42bis. Damit Sie von der Kompression profitieren können, müssen Sie das Modem vom Rechner aus allerdings mit einer höheren Datenrate als die der Verbindung zur Gegenstelle ansteuern. Und: Der Computer auf der anderen Seite der Leitung muß sein Modem mit mindestens derselben Datenrate wie bei Ihnen betreiben.

Der unmodifizierte ST ist hardwaremäßig auf 19200 bps (bits per second) begrenzt. Damit läßt sich eine maximale Übertragungsrate von ca. 1900 cps (characters per second) erreichen. Eine Bemerkung am Rande: Oft wird fälschlicherweise von »Baud« statt von »bps« gesprochen. Selbst Ataris Kontrollfeld gibt die Datenrate der seriellen Schnittstellen in Baud an. Baud ist aber ein Maßsystem für die Art der Kommunikation der Modems untereinander, das mit der Geschwindigkeit wenig bis nichts zu tun hat.

Durch die Obergrenze von 19200 bps können Sie die Power moderner High-Speed-Modems leider nicht ausnutzen. Die meisten dieser Zauberkästen erlauben die Ansteuerung mit 38400, 57 600 und manche sogar mit 115 200 bps. Bei Verwendung des verbreiteten V42bis-Protokolls, das durch die Komprimierung nicht gepackter Daten den Durchsatz erhöht, zahlt sich eine hohe Terminalgeschwindigkeit aus. Könnte Ihr ST also das Modem mit 38400, 57600 oder gar 115200 bps ansprechen, sparen Sie Zeit und Telefonkosten.

Reine Hardwarelösung

Im Atari sorgt der MFP-Chip für die Übertragung von Daten über die serielle Schnittstelle. Deren Geschwindigkeit hängt von dem Takt ab, der ihm eingespeist wird. Was liegt näher, als diese Frequenz zu erhöhen, um das Modem mit voller Kraft bedienen zu können. Diese Idee hatte auch Stephan Skrodzki. Er dachte sich eine Hardwareerweiterung aus, die mit wenig Aufwand auf- und einzubauen ist. RS-SPEED, so heißt seine Kreation für STs, Mega-STs und den 1040 STE, besteht aus wenigen Bauteilen — im wesentlichen aus zwei GALs und einem Oszillator. Besonderer Clou des Projekts: Es wird keinerlei Software benötigt. Die höheren Datenraten werden durch den Wegfall von nicht benutzten gewonnen. Wenn Sie im Terminalprogramm oder Kontrollfeld 110 bps einstellen, sind 38400 bps aktiv, 135 bps bedeuten 57600 bps, und 150 bps sind äquivalent zu 115200 bps. Eine Einschränkung gilt dennoch zur Zeit: Ein mit 8 MHz betriebener ST hat nicht die nötige Performance, um höhere Geschwindigkeiten als 19200 bps an der seriellen Schnittstelle zu realisieren. Daher ist der Einbau von RS-Speed bisher nur bei Computern mit 16-MHz-Erweiterungen sinnvoll, die zudem über einen Cache verfügen. Das kann sich aber sehr bald ändern, wenn für das Multitasking-System MiNT, das die Grundlage des MultiTOS ist, Treiber existieren, die das Modem nicht mehr nur zeichenweise, sondern auch blockweise — und damit rasanter — ansprechen.

So wird RS-Speed in den ST eingebaut

Zwei Einbauvarianten

Der Entwickler vertreibt die Bauanleitung zusammen mit den GAL-Listings als »S(hard)eware«. Sie dürfen RS-Speed nachbauen und eine Zeitlang ausgiebig testen. Möchten Sie danach weiterhin von den Vorzügen der Platine profitieren, sollten Sie dem Urheber den moderaten Betrag von 20 Mark überweisen. Wenn Sie sich einige Arbeit ersparen wollen, können Sie auch die fertige Platine von Skrodzki beziehen. Mit ebendieser haben wir eingehende Erfahrungen gesammelt. RS-Speed läßt sich auf zwei verschiedene Methoden einbauen, je nach Rechnertyp. In jedem Fall müssen Sie eine Leitung des MFPs durchtrennen, bzw. einen der Pins abkneifen. Ist genügend Freiraum über dem MFP vorhanden, sollten Sie die Sockelmontage wählen. Dazu wird der mitgelieferte Sockel auf den MFP gelötet und Steckadapterstifte zur Verbindung mit der RS-Speed-Platine in diese eingesetzt. Geht es, wie im Mega ST, enger in der Umgebung des Chips zu, bleibt Ihnen nur der direkte Löteinbau. Hierbei müssen vierzehn Drahtstücke mit Anschlüssen des MFPs verbunden werden, auf die dann der RS-Speed aufgefädelt und mit ihnen verlötet wird. Bei unserem Testmuster war der Durchmesser der Löcher auf der Platine allerdings etwas zu klein bemessen, so daß das Einfädeln der Drähte erst nach dem Aufbohren gelang. Der Entwickler hat diesen Mangel bei neu ausgelieferten Platinen behoben.

Sämtliche für die zwei Einbauvarianten nötigen Materialien bekommen Sie mitgeliefert. Eine Diskette mit diversen Utilities rund um das Thema Datenübertragung und natürlich die Anleitung, deren Umfang von fünf Seiten aufgrund des simplen Einbaus völlig ausreichend ist, liegen bei. Wenn Sie den Einbau hinter sich gebracht und sich sauberer Lötstellen vergewissert haben, können Sie Ihren ST wieder zusammenschrauben und zum Test schreiten. Dazu stellen Sie die Geschwindigkeit der seriellen Schnittstelle schrittweise höher und überprüfen, ob Ihr Modem eingegebene Kommandos akzeptiert. Ist das der Fall, sollte es bei Verbindungen mit Mailboxen ebenfalls sicher keine Probleme geben.

Staunen beim Download

Unser Mega ST mit Hypercache, einem 16-MHz-Speeder, erreichte mit einem 14400-bps-Modem bei Ansteuerung mit 38400 bps erstaunliche Übertragungsgeschwindigkeiten. Beim Empfang eines langen Text-Files mit der ZMODEM-Implementation von Michael Ziegler [1] kamen wir auf ca. 3300 cps; wenn zusätzlich noch die diesem Protokoll eigene RLE-Komprimierung aktiviert war, erklomm die cps-Rate die schwindelnde Höhe von 3800! Viele Dateien müssen Sie also nicht mehr packen, bevor Sie sie übertragen. Die durch RS-Speed möglichen, noch höheren Datenraten von 57600 und 115200 bps verkraftet selbst ein 16-MHz-ST nicht. Immerhin stehen Ihnen aber die Leistungsreserven der Platine zu Diensten, sollten Sie später Ihren Rechner noch weiter beschleunigen — z.B. durch eine 68030er oder gar eine 68040er Karte.

Ein Platz in dar Keksdose

Auf der mitgelieferten Diskette ist ein kleines Programm, das Sie in Ihren Autoordner Ihrer Boot-Partition bzw. Diskette kopieren sollten. Es tut nicht mehr, als einen Cookie namens »RSpd« anzulegen.

Dadurch besteht für Programme, die die serielle Schnittstelle nutzen, die Möglichkeit, Ihnen die tatsächlich zur Verfügung stehenden Geschwindigkeiten anzuzeigen. Statt 110 bps werden dann die reellen 38400 bps ausgegeben, usw. Connect [2], ein Shareware-Terminalprogramm, ist der Vorreiter in der Nutzung dieses Cookies.

Gewinnbringend bei hoher Modemgeschwindigkeit ist der »RS232-Enhancer« von Michael Bernards, ein Programm zum Ersatz der fehlerhaften TOS-Routinen für die serielle Schnittstelle, das auch dem Shareware-Terminal-Programm »Rufus« beiliegt. In vielen Fällen sorgen dessen ausgefeilte Funktionen für eine Optimierung der Datenrate. Alle genannten Programme finden Sie auf der Diskette zu RS-Speed.

Wenn Ihr High Speed-Modem ein Komprimierungsprotokoll wie V.42bis beherrscht, ist RS-Speed eine gute Wahl für Sie.

Die 20 Mark Sharewaregebühr bzw. 55 Mark für die fertig aufgebaute Platine halten wir für diesen Leistungsumfang angemessen. Allerdings sollten Sie in jedem Fall mit einem Lötkolben umgehen können oder den Einbau Erfahreneren überlassen. (uw)

WERTUNG

RS-Speed

Hersteller: Stephan Skrodzki

Preis: 55 Mark bei Vorauszahlung (Scheck), per Nachnahme 60 Mark, bei Eigenbau 20 Mark Shareware-Gebühr

Stärke: gesteigerte Geschwindigkeit der seriellen Übertragung bei nicht vorgepackten Daten mit V.42bis (vorher maximal 1900 cps, nachher bei 16 MHz bis zu 3800 cps)

Einschränkungen: Derzeit nur mit 16-MHz-STs sinnvoll nutzbar, bei wenig Platz im Rechner erfordert der Einbau eine sehr ruhige Hand.

Fazit: empfehlenswert

Stephan Skrodzki, Tiroler Straße 12, 7500 Karlsruhe 41

Im MausNet: Stephan Skrodzki @KA Die Anleitung zum Eigenbau bekommen Sie in den MAUS-Mailboxen MS2 und KA.

[1] Die Übertragungssoftware GSZRZ bekommen Sie gegen 30 Mark Shareware-Gebühr bei Michael Ziegler, Jagdfeldring 16, 8013 Haar.

[2] Tim Poigner, »Das Tor zur Welt«, ST-Magazin 8/1992


Patrick G. Dubbrow
Aus: ST-Magazin 10 / 1992, Seite 58

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