Brainwave: Wellenbrecher

Zum Abfragen ist der Computer ideal geeignet. »Brainwave« bietet komfortable Möglichkeiten.

Was »Brainwave« ist, läßt sich nur sehr schwer beschreiben: Vokabeltrainer, Multiple-Choice-Test und Fremdwörterlexikon in einem.

Nach dem Start erscheint eine saubere GEM-Oberfläche mit Menüzeile und Fenstern sowie diversen Icons. Bevor man überhaupt Lernen kann, muß zunächst der entsprechende Stoff geladen werden. Generell unterscheidet das Programm zwischen drei Fragetypen: Textfragen, Multiple-Choice-Fragen und Bildfragen. Jede trägt eine eigene Dateiendung und wird vom Programm unterschiedlich behandelt. Textfragen sind die einfachste Art von Fragen: auf eine Frage muß der Anwender korrekt antworten wobei mehrere Antworten auf eine Frage möglich sind. Multiple-Choice-Fragen sind die für den Anwender am bequemsten, da hier unter vier verschiedenen Vorgaben nur die passende angeklickt werden muß. Ganz so einfach ist es jedoch nicht, da hier mehrere Antworten richtig sein können — und hat der Lernende nur eine und nicht alle richtigen Möglichkeiten angewählt, wird die Frage als falsch gewertet. Zur Kategorie »Luxus« zählen die Bildfragen, die sich durch ein Detail von den Textfragen unterscheiden: Es wird zu einer Frage ein entsprechendes Bild angezeigt, auf das sich die Frage bezieht. Die Bilder müssen übrigens im GEM-Image-Format (*.IMG) vorliegen und werden über Pfad und Namen von Diskette geladen. Findet Brainwave beim Aufruf einer Bildfrage das entsprechende Bild nicht im angegebenen Pfad, so wird es — optional — auf allen angeschlossenen Laufwerken gesucht und der neue Pfad des Bildes gesichert. Ein sehr praktisches Feature.

Brainwave-Desktop: übersichtlich und funktionell

Der Abfragemodus, das heißt, die Art und Weise, wie der Lernende abgefragt wird, kann selbst gewählt werden. Das einfachste Testverfahren ist »Karten abspulen«, bei dem die Fragekarten nacheinander abgehandelt werden, wie sie auch erstellt wurden. »Zufällige Reihenfolge« ist die Default-Option, bei der die Fragen in zufälliger Reihenfolge gestellt werden. Um z. B. das Stoffgebiet besser eingrenzen zu können, kann auch »der Reihe nach mit Auswahl« oder »zufällig mit Auswahl« abgefragt werden. Dabei bekommt der Lernwillige alle Fragen der aktuellen Datei in einem Fenster dargestellt und kann diejenigen anwählen, die er abgefragt haben möchte. Der interessanteste Abfragemodus ist »Report laden und starten«: Wird auf eine Frage, egal welcher Art und mit welchem Testverfahren, eine falsche Antwort eingegeben, wird sie in einer separaten Reportdatei vermerkt und nochmals gestellt.

Eng verbunden mit den Abfragemodi ist auch der Menüpunkt »erweitertes Testverfahren«, nach dessen Aufruf sich Optionen wie Fehlertoleranz, Unterscheidung zwischen Groß- und Kleinschreibung, Konvertierung von »ß« nach »ss«, Aktivierung einer Schummeltaste einstellen lassen. Außerdem kann festgelegt werden, ob und wann eine falsch beantwortete Frage wiederholt wird. Zu dem »ß« eine Anmerkung: Brainwave stammt vom Schweizer Autor Christian Zuppinger. Da in der Schweizer Schreibweise kein sz verwendet wird, stattdessen ein Doppel-S, sind alle mitgelieferten Fragen bzw. Antworten mit ss zu beantworten. Selbst richtige Antworten gelten sonst als falsch. Aus diesem Grund läßt sich auch einstellen, ob ein sz als Doppel-S angesehen werden soll.

Eine Abfrage läßt sich jederzeit abbrechen und es folgt — wie auch nach dem kompletten Durchgang — eine statistische Auswertung.

In einem Fenster werden die , falsch beantworteten Fragen dargestellt, auf Wunsch wird das Ergebnis auch grafisch aufbereitet auf dem Monitor angezeigt. Falsch beantwor- l tete Fragen landen in der oben erläuterten Report-Datei.

Fragen sind als Karten organisiert. Neben der Frage und den möglichen Antworten läßt sich bei der Erstellung auch noch ein Hilfssatz eingeben, der optional bei der Fragendarstellung eingeblendet wird. Karten werden durch eine Maske bequem eingegeben, ebenso lassen sich auch bestehende Karten editieren. Bei Bildfragen muß zusätzlich der Pfad und der Name des Bildes eingegeben werden.

Sehr vielseitig

Aus Fragedateien — egal welchen Typs — lassen sich einzelne Felder auch auf den Massenspeicher oder Drucker exportieren, so daß einer Übernahme der Fragen z.B. in eine Datenbank nichts im Wege steht. Wahlweise können auch nur selektierte Felder exportiert werden. Ebenso läßt sich angeben, in welchem Format die Daten aus-gegeben werden sollen.

Ähnlich wie in einem Texteditor kann in der Fragedatei auch nach Begriffen gesucht und diese durch eine andere Textfolge ersetzt werden. Neben dem eigentlichen Lernsystem haben Sie so auch eine kleine Datenbank mit gesammeltem Wissen zur Verfügung. Im Gegensatz zu einer reinen Datenbank können Sie mit Brainwave eben auch lernen und Ihr Können bewerten lassen.

Optionen für Fragestellungen

Ein anderer, überaus interessanter Teil von Brainwave ist das »Fremdwörterlexikon«. Ein Fremdwörterlexikon ist eine eigene Datei im ASCII-Format, in der maximal 1600 Fremdwörter und deren Übersetzungen untergebracht sein können. Selbstverständlich können Sie auch mehrere Fremdwörterdateien anlegen. Das Fremdwörterlexikon hat übrigens nichts mit den Fragedateien zu tun. Die naheliegendste Anwendung liegt im normalen Nachschlagen. Es wird nach dem Laden einer Lexikondatei ein Fremdwort eingegeben und das Programm liefert umgehend die Übersetzung — umgekehrt funktioniert es ebenfalls. Extra: die Funktion »Übersetzen«. Hier kann ein beliebiger ASCII-Text nach Fremdwörtern durchforstet werden, die nebst ihrer Übersetzung in einer zweiten Datei gespeichert werden. Der Ursprungstext wird also nicht verändert, vielmehr wird eine Art

Glossar angelegt. Der Anwender hat beim Übersetzen, oder besser: Kommentieren, zwei Möglichkeiten: Entweder es wird simultan übersetzt, die Erklärungen werden also in einem zweiten Fenster direkt angezeigt, oder die speicherinterne Kommentierung, bei der alles ohne Bildschirmausgabe abläuft und so um einiges schneller ist. Das Einsatzgebiet und auch die Grenzen einer solchen Funktion sind klar: So ist sie hauptsächlich zum Bearbeiten wissenschaftlicher Texte geeignet, denn welcher fachfremde Leser eines solchen Textes weiß schon, daß eine »Polyandrie« ein biologischer Begriff für eine Blüte mit vielen Staubblättern ist? Für eine Übersetzung z. B. englischer Texte ins Deutsche ist diese Funktion dagegen ungeeignet, da auch Wortteile übersetzt werden. Für Glossare ist es jedoch eine optimale Hilfe, die so mancher Student sicher schon häufig herbeigesehnt hat. Fremdwörterlexika lassen sich natürlich auch selbst erstellen und problemlos erweitern.

Ein Teil der Funktionstasten läßt sich mit Floskeln belegen, was sich beim Austüfteln neuer Fragen als sehr nützlich erweisen kann. Diverse Diskettenoperationen wie Datei löschen, Ordner anlegen, Diskette formatieren, Dateinamen ändern u. ä. haben zwar primär nichts mit einem Lernsystem zu tun, können aber durchaus eine Hilfe darstellen. Eingestellte Parameter lassen sich, abgesehen von der Plazierung der Icons auf dem Desktop, selbstverständlich speichern. Das dem Programm beiliegende Utility »Make-Pic« ist kein Zeichenprogramm, sondern dient zum Konvertieren von Bildern ins IMG-Format für die Bildfragen.

Brainwave läuft auf allen ST/STE/TT-Rechnern mit TOS-Versionen von 1.0 bis 3.06. Auch Großbildschirme werden unterstützt. Unter dem neuen MultiTOS konnte das Programm noch nicht getestet werden, könnte aber durch das verwendete GFA-Basic trotz sauberer Programmierung in Frage gestellt sein.

Umfangreicher Lehrstoff dabei

Wenn man erst Fragen eingeben muß, nimmt die Begeisterung für ein Programm erheblich ab. Dem beugte der Brainwave-Autor vor, denn der Software liegen der gesamte Stoff des Biologie-Vordiploms der Universität Zürich, diverse Vokabeldateien und viele Chemiedaten bei. Außerdem bietet der Autor an, von Anwendern erstellte Fragedateien zu sammeln und diese gegen Unkostenerstattung (Porto, Diskette, Verpackung) an die registrierten User weiterzugeben. Eine bemerkenswerte Initiative!

Das Lernsystem Brainwave dürfte die wohl beste Lernsoftware sein, die sich auf dem europäischen PD-Markt tummelt. Durch die universelle Verwendbarkeit eignet sich Brainwave für alle Gebiete, so daß das Programm sowohl für Schüler als auch für Studenten aller Richtungen gleichermaßen geeignet ist.

Brainwave ist PD: wer sich für 20 Mark beim Autor registrieren läßt, erhält neben der neuesten Version ein schönes Handbuch, das alle Funktionen von Brainwave erläutert, (thl)

Christian Zuppinger, Bühlrain, CH-8460 Marthalen

Wie hätten Sie’s denn gerne: Abfragemodi

Michael Vondung
Aus: ST-Magazin 12 / 1992, Seite 112

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