Mind-Machine: Fahrkarte ins Innere der Seele

Ob meditative Tiefenentspannung oder Visualisierung: bei Ihrer psychedelischen Traumreise dient die Mind-Machine als Fahrzeug. Wohin die Bewußtseinsreise geht, bestimmt der ST.

Surfing fürs Hirn

In den letzten Jahren sorgen optisch-akustische Mind-Machines (auch Brain-Machines genannt) weltweit für großes Aufsehen. Die Vision, sich — außerhalb der sichtbaren Realität — in der Welt des eigenen Bewußtseins zu bewegen, wurde zur greifbaren Wirklichkeit. Immer mehr wagen den kosmischen Trip aus der Steckdose. Die Resultate halten viele für faszinierend und überraschend, andere geben sich eher skeptisch und enttäuscht: Optisch-akustische Mind-Machines sind Geräte, die mittels Licht- und Tonimpulsen die Gehirnfrequenzen des Menschen meßbar beeinflussen. Damit gelangt man in kürzester Zeit in Wachbewußtseinszustände, die tiefe Entspannungszustände und Visualisierungen auslösen. Effekte wie Streßabbau und Steigerung der Konzentrationsfähigkeit und Kreativität scheinen plausibel und möglich.

Die letzte Kreation der Illuminator-Macher »Karus und Nießen« ist der »Illuminator Uno«, ein 1-Platz-System für 448 Mark. Mind-Machines bestehen aus einer elektronischen Steuereinheit — beim Illuminator der ST —, die eine spezielle Brille, an der sich bis zu vier Leuchtdioden vor jedem Auge befinden, und einen Stereokopfhörer ansteuert.

Für eine Session mit der Seelenmaschine setzen Sie Brille und Kopfhörer auf, legen sich bequem hin und schließen die Augen.

Die rhythmisch aufblitzenden Lichtimpulse dringen durch die Augenlider und lösen je nach Impulsrate tiefe Entspannung aus oder regen Konzentration und Kreativität an. Wahre Farborgien in allen Tönen des Regenbogens entstehen vor dem geistigen Auge, obwohl die Lichtimpulse in Wirklichkeit nur in einem einzigen Farbton leuchten. Abhängig von der Mentalität des Mind-Machine-Reisenden werden Erinnerungen an prägende Ereignisse und Kindheitserlebnisse wach, Traumlandschaften entstehen. Das Gehirn eines Menschen besteht aus etwa 100 Milliarden Nervenzellen, die untereinander über das Zentralnervensystem elektrochemische Impulse austauschen, auffangen, aussenden und diese auch speichern. Elektrische Entladungen erzeugen Felder, die mit einer Frequenz zwischen 1 und 30 Hertz (Schwingungen pro Sekunde) schwingen. Diese Signale nennt die Medizin Gehirnwellen oder -ströme. Man kann sie mit einem Elektro-Enzephalogramm (EEG) von außen aufzeichnen. Ein Zusammenhang zwischen psychischen Zuständen wie Streß, Entspannung oder tiefer Meditation und bestimmten Gehirnwellen läßt sich am EEG und EKG nachvollziehen. Auch psychische Erkrankungen weist die Gehirnwellenmessung nach. Die Forschung unterscheidet vier Schwingungsbereiche:

Viele Wissenschaftler sind überzeugt, daß unser BETA-dominiertes Gehirn die Ursache vieler medizinischer und emotionaler Probleme ist. Die Evolution hat den Menschen jahrtausendelang auf ein natürliches Dasein im Einklang mit der Umwelt spezialisiert. Der menschliche Körper ist ursprünglich für ein Leben in und mit der Natur und weniger für Büros, Gaspedale und Compu-termonitore bestimmt. Aufgrund unseres unnatürlichen Lebens, bestimmt von künstlichen Zivilisationsgewohnheiten und ungesunden Umwelteinflüssen, schüttet das Gehirn zu viele Substanzen wie Adrenalin oder Noradrenalin aus und macht sich dadurch krank. Der Mensch kann sich selbst heilen und regenerieren, indem er lernt, sich vom BETA-in den ALPHA-Zustand zu bewegen. Seit jeher wurde dies mit traditionellen Meditationstechniken und autogenem Training versucht.

Der moderne, berufstätige Mensch hat freilich weder Zeit noch Lust, sich diese Techniken in langen Kursen anzueignen. Die Mind-Machine erreicht vergleichbare Effekte mühelos ohne langes Vorabstudium. Die optisch-akustische Gehirnstimulation versetzt die Seele ohne Anstrengung in ein verändertes Wachbewußtsein und läßt sie mühelos von einem Hertz-Bereich zum nächsten tanzen. Die Ursache: das Gehirn folgt den optischen Lichtimpulsraten in die gewünschten Entspannungszustände und verweilt darin für eine bestimmte Zeit. Sie haben damit sogar die Möglichkeit, die linke Gehirnhemisphäre der rechten anpassen und beide Hälften im Gleichklang schwingen zu lassen.

Körpereigenes Belohnungssystem

Neben der Aufhebung der Rechts-Links-Asymmetrie führt eine Mind-Machine-Session zu zahlreichen Folgereaktionen, wie etwa die Freisetzung von Endorphinen — dem schmerzstillenden und euphorisierendem körpereigenen Belohnungssystem. Da sich diese Effekte objektiv messen und wiederholen lassen, begeistert diese Technik viele ernsthafte Forscher, Psychologen und Heilpraktiker. Für 2000 Mark bietet dazu der Hersteller ein Gerät, das Gehirnwellen aufzeichnet und am ST optisch darstellt. Für Forschungen und Untersuchungen eröffnen beide Geräte ein weites Feld.

Neben diesen Eigenschaften ist auch der Visualisierungseffekt für viele Wissenschaftler von großer Bedeutung. Hierzu wurden an der Universität Köln umfangreiche Untersuchungen mit zahlreichen Testpersonen durchgeführt. Vergrabenes Bewußtsein kommt zu Tage; Assoziationen lassen sich steuern. Der Wiener Seelenforscher Kapellner nennt dies »Surfing fürs Hirn«. Die Forschungsergebnisse der Uni Köln und Uni Berlin, auch dort läuft derzeit ein ähnliches Illuminator-Projekt, werden demnächst in der Illuminator-Zeitschrift veröffentlicht.

Im August 1990 wurde der erste Illuminator auf der Atari-Messe vorgestellt. Im Gegensatz zu anderen Modellen ist das Seelenschiff von Karus und Nießen programmierbar. Während die Konkurrenz Festprogramme liefert, ist die Mind-Machine ein Instrument für Pioniere, die eigene Software fürs Hirn produzieren und mit den neuen Möglichkeiten experimentieren wollen. Seither arbeiten die beiden Entwickler kontinuierlich an der Verbesserung ihrer Mind-Machine. Umsetzungen für andere Rechner sind nicht geplant. »Wir arbeiten lieber nach vorne als in die Breite«, erklären Karus und Nießen ihr Solo am Atari. Der Illuminator erscheint mittlerweise in der Version 2.1.

Die Helligkeit der acht einzeln ansteuerbaren LEDs läßt sich per Software individuell regulieren. Lichtmuster lassen sich — auch in längere Sequenzen mit vielen unterschiedlichen Mustern — völlig frei programmieren. Auch die Begleitmusik, drei unabhängige Ton-Kanäle stehen zur Verfügung, ist programmierbar und kann über MIDI mit hochwertigen Synthesizer wiedergegeben werden. Eine Session kann aus bis zu je 14 Klang- und Lichtmuster-Sequenzen bestehen. Die Impulsraten sind frei einstellbar und können auch während einer Session per Maus-Klick kontinuierlich verändert werden. Dadurch ergeben sich individuelle Mind-Machine-Traumreisen, wie sie auch auf teueren Geräten über 2000 Mark nicht möglich sind.

Der Heilpraktiker Paul Stoiber programmierte für die Illuminator-Serie eine umfassende Palette verschiedenster Sessions, die im Lieferumfang kostenlos enthalten sind. »Alpha Sun« dauert beispielsweise 20 Minuten und basiert auf der Heilungsfrequenz von 10 Hz. Bei dieser Frequenz ist — wie Forschungsergebnisse von Meg Patterson belegen — eine besonders hohe Serotonin-Ausschüttung zu beobachten. Die Folge ist ein entspannender, angstlösender Zustand. Konzentrationsfordernd wirkt »Creative«, eine 40 Minuten lange Reise durch alle Wellenbereiche, die Ihre Aufmerksamkeit bündelt. Interessant ist auch die fraktionale Reise zur Schumann’sehen Erdfrequenz von 7,83 Hz. Wer sich ein wenig in die Materie einarbeitet, ist bald in der Lage, eigene Sessions zu komponieren. (mn)

WERTUNG

Illuminator Uno

Hersteller: Karus und Nießen
Preise: Einplatz System: Uno 448 Mark Mehrplatz-System: Classic 999 Mark 2SMILE (Gehirnstrom-Meß-gerät): 2000 Mark

Vorteile: trei programmierbar, viele vorbereitete Sessions erhältlich, wissenschaftliches Begleitmaterial, MIDI-, ST bzw. STEFalcon-Sound, eigene Produkt-Zeitschrift

Einschränkungen: läßt sich ohne Rechner nicht betreiben

Vertrieb: Karus und Nießen, Thielstr. 35, 5030 Hürth


Ingrid Sitte-Nadler
Aus: ST-Magazin 12 / 1992, Seite 20

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