Vom Alphorn bis zur Zither, vom Anfängerkeyboard bis zum zukunftsorientierten »Direct to Optical«-Digital-Recording-System stand auf der diesjährigen Frankfurter Musikmesse alles zum Bestaunen und Ausprobieren bereit, was Musikerherzen schneller schlagen läßt.
Zum Leidwesen vieler Musikfreunde öffneten sich die Messetore nur am Wochenende dem »gemeinen Fußvolk«, sprich dem Endkunden. Die anderen vier Tage waren dem »Fachpublikum«, also Händlern, Ausstellern und Journalisten Vorbehalten. Dank dieser nicht unumstrittenen Messepolitik geriet es während der beiden Publikumstage häufig zur nervenaufreibenden Geduldsprobe, einmal selbst Hand an aktuelle Messeneuheiten wie den »Yamaha SY77« oder die »Roland Wavestation« zu legen.
Wer sich dennoch ins Getümmel stürzte, um echte Neuheiten zu sehen, wurde ein wenig enttäuscht. Während die Softwarebranche zumindest teilweise mit gelungenen Updates und Weiterentwicklungen überzeugte, schienen die Keyboard hersteiler größtenteils von einer besorgniserregenden Kreativitätsflaute heimgesucht. Beinahe alle Neuvorstellungen arbeiten mit ähnlichen Klangsyntheseverfahren (Samples plus Filter) und weisen große Parallelen im Klangcharakter auf. Positiv zu vermerken ist die sehr gute Qualität der Sounds sowie der Trend zu anwenderfreundlichen, großflächigen LC-Displays. Die Zeiten, in denen sich Musiker mit 16-stelligen Winziganzeigen herumplagten, sind endgültig vorbei.
Was den leidgeplagten Anwendern von MIDI-Software bislang nicht gelang, scheint Atari-Amerika mit der Übernahme des MIDI-Multitaskingsystems von Intelligent Music geglückt. Die entsprechende Ankündigung erfolgte auf der Winter-NAMM, der größten amerikanischen Musikmesse. Sie führte dazu, daß die beiden Marktführer Steinberg und C-LAB ihre Bereitschaft erkennen ließen, in Zukunft stärker zusammenzuarbeiten und eine Kompatibilität von M-ROS- und Softlink-Produkten zu gewährleisten.
Leider war Atari auch dieses Jahr nicht mit einem eigenen Stand auf der Musikmesse vertreten. Die parallel laufende CeBit in Hannover verhinderte das. Schade, da Atari mit dem Stacy oder dem TT auch für den Musikmarkt interessante Geräte zu zeigen hätte.
Trifolium hingegegen war zwar ebenfalls nicht mit einem eigenen Stand vertreten, zeigte jedoch bei mehreren Firmen den »Rhythm Crack«, ein neues Kompositionsprogramm für Drum- und Baß-Pattern. Wir stellen dieses Konzept bereits in der nächsten Ausgabe vor.
Doch kommen wir zu den einzelnen Herstellern: Die Hamburger Firma C-Lab präsentierte auf der Messe eine ganze Palette neuer Soft- und Hardware. Der bekannte »Notator SL« erfuhr seine Weiterentwicklung auf die Version 3.0. Neu im Sequenzer-Teil ist »Hyper Edit«, ein vielseitiger grafikorientierter Editor, sowie das »Adaptive Groove Design«, das eingespielte Passagen unter Berücksichtigung des musikalischen Kontexts korrigiert. Die wichtigste Weiterentwicklung auf der Notationsseite ist die Page-Preview-Funktion, die bereits vor dem Ausdruck einen Überblick über das komplette Druckergebnis bietet.
Mit dem »Steady Eye« liegt eine neue Hardwareerweiterung vor, welche die Synchronisation des Notator/Creator über VITC (Vertical Integral Time Code) erlaubt. Das Steady Eye erhält über den Multiport des Unitors Zugang zu C-LABs Universal System.
»Polyframe« heißt das neue Editor-Konzept, das auf dem Prinzip nachladbarer Module basiert. Bereits mit 1 MByte Speicherplatz finden mehrere Module im Computer Platz. Ihre Anzahl begrenzt lediglich der vorhandene RAM-Speicher. Polyframe arbeitet Window-orientiert. Im Gegensatz zu normalen GEM-Fenstern bereitet Polyframe die Verwaltung mehrerer aktiver (!) Windows keinerlei Schwierigkeiten. Polyframe-Windows sind so schnell, daß sie sich in Echtzeit mit kompletten Inhalt verschieben lassen.
Unter dem Namen »The Educational System« stellt C-LAB drei Programme aus dem Bereich der Lern- bzw. Lehrsoftware vor: »Notator Alpha«, »Aura« und »Midia«. Der Notator Alpha ist, wie der Name schon andeutet, eine abgemagerte Version des Notator SL. Die »Schlankheitskur« galt mehr dem Sequenzer denn dem Notationsteil. Bei Aura handelt es sich um ein Gehörbildungsprogramm, das die Bereiche Intervalle, Skalen, Melodie- und Rhythmusdiktate abdeckt. Midia präsentiert sich als äußerst komfortabler MIDI-Monitor, der die vielfältige Darstellung und Bearbeitung von MIDI-Events auf dem Bildschirm erlaubt.
Ebenfalls auf dem C-LAB-Stand vertreten war die amerikanische Firma Digidesign, die u.a. ihre »Sound Tools ST« vorstellte. Für ca. 5000 Mark erhalten Sie ein voll digitales Festplatten-Recordingsystem mit vielfältigen Nachbearbeitungsformen wie z. B. einem digitalen »Realtime EQ«. Nach Angaben des Herstellers klappt auch die Zusammenarbeit der Sound Tools mit beschreibbaren CDs ausgezeichnet. Eine andere Philosophie vertritt die Firma EMC »Einsteins Power« aus Leichlingen. Gemäß dem Motto: Der moderne Musiker hat sowieso keine Zeit, sich seine Sounds selbst zusammenzubasteln, bietet EMC eine Reihe von Bankloader/Manager-Programmen inklusive mehrerer Soundbänke an. Mit Preisen zwischen 100 und 150 Mark sind auch schmale Geldbörsen nicht übermäßig strapaziert.
Die Berliner Softwareschmiede stellte das für den Atari ST bereits bekannte »Midipack« nun auch für MS-DOS kompatible Computer sowie den Commodore Amiga vor. Das Midipack besteht aus dem »Dream SAM XP«-MIDI-Expander (Stereo, 16-stimmig, 8-facher Multi-Mode, zwei 16-Bit DA Wandler), Sequenzer-Software und drei Titeln aus der MIDIMIX-Collection. Weiterhin neu im Geerdes Programm: die Softworkstations (Editoren mit integriertem 1st Track Sequenzer) für Korg M3R, Roland U220 und Yamaha SY77. Auch die eben bereits erwähnte MIDIMIX-Collection, fertige Arrangements auf Diskette, haben die Berliner tüchtig erweitert.
Einige Verbesserungen erfuhr die Software des Feslplatten-Recordingsystems »ADAP II«. Neben der nun verfügbaren MIDI-Page erweiterten die Programmierer das System auch um eine »Time-Stretching Option«.
Der Nutzung des FM-Soundmo-duls »Melody-Maker« im Ml-Dl-Verbund steht nun nichts mehr im Wege: über ein Accessory steuert auch Hybrid Arts Sequenzer »EZ TRACK+« das patente Kistchen an. Eine Einbindung in andere Sequenzerprogramme ist bereits geplant. Mit Spannung erwartete das Publikum die Korg »Wavestation«. Zwei Syntheseformen - »Advanced Vector Synthesis« und »Wave Sequencing« - sorgen für hit- und umsatzträchtigen Sound. Beide Syntheseformen greifen auf die internen 397 Wavesamples zurück. Dabei lassen sich bei der Vektorsynthese jeweils vier einzelne Waves (Vektoren) sehr komplex mit einem Joystick als »Layer« kombinieren. Beim »Wave Sequencing« hängen Sie bis zu 256 Wellenformen hintereinander und erzeugen so Ihre eigenen Wellenformen. Zur Veredelung der Sounds steht ein digitaler Effektprozessor mit 46 Effekten zur Verfügung, dessen Parameter (z.B. Hallzeit) sich in Realtime durch die eigene Spielweise (Aftertouch, Velocity) verändern lassen. Der Preis: ca. 4500 Mark.
Die wesentlichste Neuvorstellung auf dem Roland-Stand war der D-50 Nachfolger D-70. Der mit der sogenannten Advanced LA-Synthese arbeitende Synthesizer verfügt über eine gewichtete 76-Tasten-Klaviatur und vielfältige MIDI-Steuerfunktionen. Die wichtigsten Unterschiede zum Vorgänger D-50: 30-stimmige Polyphonie, sechsfacher Multimode, g PCM-Sounds per TVF (Time Variant Filter) filterbar, über ROM-Card nachladbare PCM-Klangelemente sowie DLM (Differential Loop Modulation). DLM gestattet es, eine PCM-Welle an beliebiger Stelle zu loopen und diesen Loop durch »Schleifenmodulation« weiterzuverarbeiten. Interessant für Rhythmus-Enthusiasten ist das »Total Percussion Pad« SPD-8, das mit 32 eingebauten Percussion-Sounds sowie acht anschlagsdynamischen Schlagflächen eine lohnende Erweiterung eines jeden MIDI-Set-Ups darstellt. Dem aktuellen Trend der allgegenwärtigen »Desktop Applikationen« schließt sich nun auch Roland mit dem »Desktop Music System« (DTMS) an. Neben den schon verfügbaren Modulen CM-32L (LA Sound Modul), CM-32P (PCM SoundModul) und dem CM-64 (CM32L+CM32P) sind nun folgende Komponenten erhältlich: CF-10 Digital Fader (10 Kanal MIDI-Mixer für Volume+PanningDaten), CN-20 Music Entry Pad, CA-30 Intelligent Arranger (intelligente Begleitautomatik wie im E-20) sowie das CP-40, ein Pitch-to-MIDI-Konverter.
Mit dem PC-200 steht dem Desktop-MIDIisten ein vieroktaviges Mini-Masterkeyboard als Steuerzentrale für das komplette DTMS zur Verfügung. Als digitales Tonbandgerät dient »Tentrax«, ein zehnspuriger Software-Sequenzer, der mit seinen Funktionen speziell auf die Leistung der CM-32, bzw. MT-32 Soundmodule maßgeschneidert ist. Interessant für Einsteiger ist das Tentrax-Set, das neben der Tentrax-Software auch noch das CM-32L-Soundmodul enthält.
Eine ganze Reihe von Weiterentwicklungen gab es bei Steinberg zu bewundern. So ist in ca. acht Wochen mit einem Update auf »Cubase Version 2.0« zu rechnen. Neben dem sogenannten »IPS«, dem Interactive Phrase Synthesizer, verfügt die Version 2.0 auch endlich über die von vielen bislang schmerzlich vermißte Notendruckfunktion. Beim »IPS« handelt es sich um ein algorithmisches Programm zum Komponieren, mit dem Sie Melodie und Rhythmus eines Musikstücks über das Ml-Dl-Keyboard beeinflussen. Der Notendruckteil arbeitet nach der vom DTP bekannten »What you see is what you get«-Philosophie und bietet schon vor dem ersten Ausdruck eine Darstellung der kompletten Partiturseite. Mit der neuen Version 2.0 erhöht sich der Verkaufspreis auf 980 Mark, die Update-Kosten für eingetragene Benutzer betragen lediglich 60 Mark.
Für Einsteiger interessant ist »Cubeat«, eine abgespeckte Variante des großen Bruders Cubase. Cubeat verfügt ebenfalls über 64 Spuren, besitzt dasselbe hervorragende Timing-Verhalten und ist M-ROS-kompatibel. Zur Editierung der MIDI-Daten stehen ein Key-und ein Grid-Editor zur Verfügung. Der empfohlene Verkaufspreis liegt bei 490 Mark.
Auch für Apple und Commodore gibt es »Hamburger«. Macintosh-Besitzer dürfen sich in Kürze auf die Cubase 1.0 Umsetzung für ihren Computer freuen, Amiga-Freaks steht mit dem neu entwickelten »PRO 24« ein professionelles Aufnahmewerkzeug zur Seite. Fantastische Chancen eröffnet der kombinierte Einsatz von Cubase und »Topaz«, dem Direct-to-Harddisk Recording System auf dem Macintosh, da sich beide Anwendungen problemlos unter M-ROS synchronisieren lassen.
Im futuristischen Design präsentiert sich »MIDEX«, bzw. »Ml-DEX+«, ein kombinierter MIDI-und Key-Expander. Vier MIDI-Outs, zwei MIDI-Ins sowie vier Steckplätze für die berüchtigten Keys sind in MIDEX integriert. Die Version MIDEX+ enthält zusätzlich noch einen SMPTE/EBU Timecode Synchronizer. Der normale MIDEX findet für 690 Mark seinen Weg in den ROM-Port. Die Version MIDEX+ ist für 890 Mark zu haben. Seit langem angekündigt, war es auf der Messe erstmals richtig zu bestaunen: das 16 Bit Stereo D/A Board für den universellen Sample Editor »Avalon«. Mit dem D/A Board entfällt der lästige Transfer von Sample Daten via MIDI, jedes in Avalon geladene Sample läßt sich sofort in CD-Qualität über das Board abhören.
Neben dem wohlbekannten SY 77 stellte Yamaha auf der Musikmesse in Frankfurt u. a. auch die kleinen Brüder SY 55 und SY 22 vor. Der kleinste Sproß der SY-Familie bietet die von der Wavestation bzw. dem Prophet VS her bekannte Vektorsynthese in günstigeren Preisregionen. Für ca. 2000 Mark darf man den berüchtigten Vektorjoystick schwingen.
Der SY 55, bzw. die Rackversion TG 55, präsentiert sich als patenter Sampleplayer, bei dem sich bis zu vier der internen 74 AWM2 Voices zu einem Sound kombinieren lassen. Jedes dieser vier Elemente ist mit zwei dynamischen Digitalfiltern (Hoch- und Tiefpass) ausgestattet, deren Filterwirkung in Realtime durch Anschlagstärke und Aftertouch steuerbar ist. Zusätzlich zu Drumsounds und Multieffektgerät gesellt sich beim SY 55 auch noch ein kleiner Sequenzer mit einer Kapazität von ca. 8.000 Noten. Der SY 55 ist maximal 16-stimmig polyphon und arbeitet im 16-fachen Multimode.
Das Flagschiff der SY-Familie, der SY 77, ist vielen Musikfreaks bereits durch diverse Testberichte der Fachpresse bekannt. Hier die wichtigsten Punkte im Überblick: Tonerzeugung AFM (Advanced Frequency Modulation) und AWM2, beide Syntheseformen per RCM (Realtime Convolution & Modulation) kombinierbar, dynamische »Convolution-Filter«, Multieffektgerät, 16-facher Multimode, 16-stimmige Polyphonie, Sequenzer (16000 Noten) und eingebautes Diskettenlaufwerk. (wk)