Schule der Mäusemaler (1. Teil)

Auf einfache Weise erzielen Sie mit Zeichenprogrammen faszinierende Effekte

Bilderschöpfer sind nicht auf traditionelle Zeichengeräte angewiesen: Maus und Computer erweitern das Handwerkzeug. Damit sich die Lust am Zeichnen nicht in Frust am Pixelchaos verwandelt, vermittelt TOS Tips und Hintergrundwissen.

Abstraktion heißt das Zauberwort: Selbst einfachste Zeichenmittel erzielen durch geschickte Kombination verblüffend große Wirkung.

In Farbe oder Schwarzweiß, für den Amateurzeichner oder den professionellen Grafiker - auf dem ST gibt es Zeichenprogramme für jeden Zweck. Dieser Kurs vermittelt einen Überblick über die verschiedenen Typen von Grafiksoftware und die jeweiligen Anwendungsgebiete. Er erläutert, unabhängig von einem speziellen Zeichenprogramm, verschiedene Gruppen von Zeichenfunktionen und zeigt an praktischen Beispielen ihre Verwendung.

Zwei grundsätzliche Typen von Grafiksoftware sind zu unterscheiden: die Pixel- oder Rastergrafik und die Vektorgrafik. Beide Verfahren haben Vor- und Nachteile, die ihre Einsatzgebiete bestimmen. Eine Rastergrafik ist aus vielen einzelnen Punkten, Pixel genannt, zusammengesetzt. Jedes Pixel entspricht im Normalfall einem Bildschirmpunkt und gilt für den Computer als eigenständige Information mit dem Wert »gesetzt« oder »nicht gesetzt«. Entsprechend groß ist der Speicherbedarf für solche Bilder. Zeichenfunktionen wie Linien, Rechtecke oder Kreise punkten eine ganze Reihe dieser Pixel in der entsprechenden Form auf den Bildschirm. Jedes einzelne Pixel läßt sich auch wieder löschen. Wichtigstes Hilfsmittel ist die Lupe.

Sie vergrößert einen Bildteil, so daß jedes Pixel per Maus zu setzen oder zu löschen ist. Damit entstehen einfach detailreiche Zeichnungen. Im Unterschied dazu setzen sich Vektorgrafiken aus einzelnen Objekten wie Kreisen, Linien oder Kurvenverläufen zusammen, die sich als Ganzes durch eine mathematische Formel beschreiben lassen. Von dieser komplizierten Mathematik bleibt der Anwender solcher Vektorzeichenprogramme verschont, aber die Vorteile der Rechenarbeit nutzt er intensiv. So benötigt beispielsweise eine Vektorlinie erheblich weniger Speicherplatz. Der Computer merkt sich nur Anfangs- und Endpunkt und die Tatsache, daß beide Punkte durch eine gerade Linie miteinander verbunden sind. Der zweite, für die Anwendung noch viel wichtigere Vorteil der Vektorbilder beruht ebenfalls auf der Speicherung als mathematische Formel. Vektorzeichnungen lassen sich beliebig vergrößern oder verkleinern, ohne daß ein Qualitätsverlust auftritt. Kreise bleiben rund, und Schrägen brechen nicht zu Treppenstufen. Beide Zeichenverfahren haben ihre bevorzugten Einsatzgebiete: Vektorbilder zeichnen sich durch vorwiegend runde, geschwungene Formen aus, bei denen die Linienverläufe der wichtigste Bestandteil sind. Rastergrafiken weisen oft einen sehr großen Detailreichtum auf. Sie leben von vielen ineinander verlaufenden Rastern und feinsten Strukturen, die mit der Vektormethode erheblich schwerer zu erreichen sind. Ideal ist die Kombination beider Zeichenarten in einem Programm oder zumindest durch Hinzuladen und Einblenden der jeweils anderen Bildart. Wer preiswert zum Zeichenhobby kommen möchte, für den führt kaum ein Weg an einem Rastergrafikprogramm vorbei. Es ist meiner Ansicht nach zum Einstieg und zum Üben von Zeichentechniken am besten geeignet.

Viele Zeichenprogramme lassen sich später auf größere Versionen erweitern, die über Vektorzeichenteile verfügen. Entsprechende Erweiterungen (Updates) sind zur Zeit »schwer im Kommen«.

Doch genug der Theorie. Am Anfang des praktischen Teils stehen die »einfachen« Zeichenfunktionen wie Linie, Kreis oder Rechteck. Jetzt sagen Sie nicht »Was kann man damit schon anfangen, so etwas zeichnen nur Kinder«. Ein wichtiger Grundsatz beim Zeichnen, gleich ob mit Computer, Leinwand, Bleistift der Maus ist das Zerlegen in einzelne Teile. Wollen sie beispielsweise einen Mann im Garten vor seinem Haus zeichnen, ist es sinnvoll, zunächst diese drei Elemente einzeln zu entwerfen und dann später zu einem Bild zusammenzusetzen. Für das Haus benötigen Sie hauptsächlich Linien und Rechtecke.

Doch auch effektvolle Grafiken gestalten Sie mit einfachsten Mitteln, es kommt auf die geschickte Kombination an. Abstraktion heißt das Zauberwort, und das Bild zeigt, was ich damit meine. Dieses »Gesicht« setzt sich nur aus Kreisen, bzw. Kreisteilen und Linien zusammen. Zwei Kreise und wenige Linien bilden das Augen paar. Der Teil eines weiteren Kreises und ein Rechteck vervollständigen das Gesicht. Versuchen Sie statt des Rechteckrahmens einen Kreis oder eine Ellipse als Gesicht. Je nachdem, wie Sie den Rahmen formen, guckt unsere Schöpfung in eine andere Richtung. Auch die Striche in den Augen und die Lage der Augenbrauen bestimmen den Gesichtsausdruck. Experimentieren Sie mit verschiedenen Strichstärken und Füllmustern für Augenbrauen und Augen. Sie werden feststellen, daß bereits mit diesen wenigen Elementen effektvolle Bilder entstehen. Für feine Nachbearbeitungen nehmen Sie die Lupe zu Hilfe.

Wir hoffen, unser erster Teil animiert Sie zum Weitermachen. Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Herumprobieren.

Kursübersicht

Teil 1: Raster- und Vektorgrafik, einfache Zeichenfunktionen

Teil 2: Komplexe Zeichenfunktionen, Hilfslinien, Perspektiven

Teil 3: Effektfunktionen, Projektionen, großformatige Bilder


Wolfgang Klemme
Aus: TOS 06 / 1990, Seite 58

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