Die Firma SZ-Testsysteme entwirft mit 25 Mega-STs die Dokumentationen zu 250000-Mark-Systemen.
Niemand vermutet in dem malerischen kleinen Dorf Amerang bei Wasserburg eine Firma mit über 100 Mitarbeitern, die sich der Entwicklung und dem Vertrieb elektronischer Testsysteme für 250000 Mark aufwärts verschrieben hat. Eine Firma, die im Jahr rund 12 Millionen Mark umsetzt. Wer hätte gedacht, daß 25 Atari Mega STs in zwei Biodata-Netzwerken Erfolg und Arbeitsersparnis begründen?
Ich treffe Andreas Illing, den Systembetreuer der Firma SZ-Testsysteme an einem schwülen Sommertag. Es ist seine letzte Arbeitswoche bei SZ, ab nächsten Montag wird er für einen Rosenheimer Computerfachhändler tätig. Seit vier Jahren arbeitet Andreas Illing bei der Ameranger Firma. Er baute die Schulungs- und Trainingsabteilungen auf und betätigte sich als Systembetreuer für die firmeneigenen EDV-Anlagen. Außerdem baute er die Abteilung Dokumentation aus, die für die Anleitungen und Handbücher zu elektronischen Testsystemen verantwortlich zeichnet. Ein Mann, dem man die langjährige Erfahrung mit verschiedenen Computersystemen an seinen fundierten Aussagen anmerkt.
Die Firma stellt - wie der Name schon sagt - elektronische Testsysteme her. Für Fachleute: Diese Systeme gleichen einem »riesigen computergesteuerten Multimeter«, das in der Industrie zum Funktionstest sowie AC- und DC-Parametertest von analogen, digitalen und hybriden Bauelementen dient. Im Gegensatz zu den Großtestsystemen ab zwei bis drei Millionen Mark sind die Produkte der vor zehn Jahren gegründeten Firma in der »Low-Cost-Ebene ab 250000 Mark aufwärts«, angesiedelt. SZ beliefert sowohl den deutschen wie auch den europäischen Markt und ist auf ihrem Systemniveau seit kurzem sogar Marktführer. Im Kundenverzeichnis finden wir so bekannte Namen wie Siemens oder MBB.
Als 1987 der Bereich Dokumentation in Andreas Illings Aufgabengebiet fällt, macht er sich auf die Suche nach einem leistungsfähigen und zugleich preiswerten Computersystem, das sich auch im Desktop Publishing bewähren soll. Illing, der vom Commodore 64 kommt, kann er sich mit PCs nicht anfreunden. »Ich habe auch nie verstanden, warum die PC-Textprogramme wie z. B. 'Wordstar' so groß geworden sind, denn sogar vom C 64 war ich besseres gewöhnt. Übrigens bereue ich bis heute nicht, daß ich damals gegen PCs voreingenommen war.« Auf einer Messe sieht Illing zum ersten Mal den Atari ST, wenige Tage später steht ein 1040er auf seinem Schreibtisch. Entschlossen setzt er sich gegen die Vorurteile seiner Vorgesetzten (»Atari - ist das nicht dieses Telespiel?«) durch und erhält grünes Licht zur Installation einer vollständigen ST-Anlage. Illing kauft acht Mega STs für die Dokumentation, 17 weitere Ataris verrichten in den anderen SZ-Abteilungen ihren Dienst. Die Computer werden mit zwei Netzwerken von Biodata verbunden. »Das neue Hauptgebäude steht ein paar Kilometer abseits, dazwischen liegt fremder Grund. Deshalb benötigen wir ein zweites Netz.«
Illing kauft zunächst »alles an Software, was es damals gab und was ich auch nur irgendwie einsetzen konnte« Für die technischen Dokumentationen der Testsysteme benötigt er vor allem ein gutes Textverarbeitungsprogramm, das auch die Grafikeinbindung erlaubt. DTP scheidet zu Beginn für Andreas Illing aus: »Viel zu kompliziert! Ich mußte ja ca. 15 Sekretärinnen von der Schreibmaschine auf den Computer bringen.«
Schon damals steht Illing in engem Kontakt zu der Firma ATC, deren Produkt sich im Atari-Softwarekatalog unter der Bezeichnung »DTP - Das Text-Programm« wiederfindet. Vermarktet wird das Programm allerdings unter dem Namen »Starwriter«, das heutige »That's Write« von Compo. »Bei diesem Programm bin ich geblieben. Rund 5 bis 10 Prozent der heutigen Version entstanden übrigens durch Anregungen von SZ-Testsysteme.« Auf einer Messe sieht er die ersten Vorführungen des DTP-Programms »Calamus«, »sofort bestellt, zwei Jahre nichts bekommen«, denkt Andreas Illing wehmütig zurück. »Eine Alternative gab es damals nicht. Heute stellt Calamus unsere Nerven immer wieder auf eine harte Belastungsprobe. Es ist sehr problematisch, mit einem Programm zu arbeiten, das so fehlerbehaftet ist. Der Umstieg auf 'Publishing Partner Master' geht wegen der vorhandenen hohen Datenmengen leider nicht mehr.«
Im Grafikbereich testet Illing alle Programme durch, von »STAD« bis »ST-Paint« Bis vor kurzem setzt er »CAD-Project« ein. Am liebsten wäre er dabei geblieben, aber »die Hersteller wollten das Programm unbedingt als CAD-Software vermarkten. So fehlten für mich - wenn auch wenige - wichtige Funktionen, z.B. die Metafile-Einbindung.« (Metafile ist ein Bildformat, Anm. d. Red.) Programme wie »Mega-paint« oder »TMS-Vektor« erfordern für Computer-Ungeübte eine zu lange Einarbeitungszeit: »Schließlich soll mir der Atari helfen, Personal einzusparen.«Heute arbeitet SZ-Testsysteme mit dem kombinierten Vektor-/Pixel-Zeichenprogramm »Arabesque« von Shift. Besonders die vielen Dateiformate gefallen Illing. Mit Spannung erwartet er die neue Version, die voraussichtlich auf der Atari-Messe vorgestellt wird.
Auf der Suche nach einer komfortableren Benutzeroberfläche stößt Illing zuerst auf »Gemini« Allerdings stört ihn, daß bei diesem GEM-Ersatz »alles so fix vorgegeben ist. Man kann ja nur die Icons ändern und den CLI aufrufen - das war's«. Durch Zufall fällt ihm die auf zehn Disketten ausgelieferte »DesaShell« in die Hände, die »jede denkbare Manipulation und Einstellung zuläßt.« Er strickt die DesaShell für seine Zwecke um, so daß von jedem vernetzten Arbeitsplatz bequemer Zugriff auf sämtliche Programme und Peripheriegeräte möglich ist. »Erstaunlich, was die Programmierer mit dieser Shell geleistet haben. Ohne die DesaShell hätte ich unser Netzwerk nie in einer vergleichbaren Form aufbauen können«, lobt Illing sein liebstes Kind.
In Andreas Illings Büro entdecke ich mehrere prall gefüllte DIN-A4-Ordner. »Das sind unsere Dokumentationen«, beantwortet der Systembetreuer meinen fragenden Blick. »Sie entstehen fast zu 100 Prozent mit dem Atari ST. Lediglich einige Schaltbilder werden auf der Menthor-CAD-Anlage gezeichnet.« Wie entsteht eine Dokumentation? »Die Entwicklungsabteilung liefert mit dem fertigen Produkt eine Anleitung, Schaltbilder etc. ab. Die Abteilung Dokumentation bereitet die umfangreichen Manuskripte grammatikalisch und stilistisch auf. Mehrere feste und freie Mitarbeiter entwerfen die Grafiken, Diagramme und Schaltbilder mit 'Arabesque' und auf der CAD-Anlage. Meistens erledigt diese Arbeit ein Student, den ich schon sehr lange kenne. Anschließend geben die Sekretärinnen die Texte mit That's Write ein, fügen die Abbildungen hinzu und drucken das Dokument aus. Dann fügen Sie noch eventuelle Korrekturen ein. Auf dem SLM804-Laserdrucker entsteht ein Kopier-Original, das wir mit einem Hochleistungskopierer vervielfältigen. Das Computerdokument wird komprimiert und auf Festplatte archiviert.« Bis heute lieferte Illings Abteilung Dokumentation ca. 15 DIN-A4-Ordner ab.
Doch der Atari ST übernimmt bei SZ-Testsysteme noch eine andere Aufgabe: In der Datenverarbeitung setzt Andreas Illing auf »Superbase Professional«. »Wir haben zwar auch eine große Nixdorf EDV-Anlage, aber die ist für unsere Ansprüche längst nicht so geeignet wie der ST. Bei der Frage nach dem richtigen Programm fiel mir 'Adimens' positiv auf, doch die damalige Version eignete sich nicht für den Netzeinsatz. Also entschied ich mich für die Professionalversion von 'Superbase'. Erstaunlicherweise meinte der deutsche Vertrieb, daß dieses Programm nicht netzwerkfähig sei - ich habe das Gegenteil bewiesen.«
Andreas Illing ist mit dem ST und seiner Hardware zufrieden. Nur über die Diskettenlaufwerke klagt er: »Die sind teilweise schon ab Werk dejustiert.« Würde er sich heute wieder für ein Netzwerk auf ST-Basis entscheiden? »In jedem Fall. Man darf diesen Computer nicht unterschätzen. Der Atari ST kann in bestimmten Bereichen der Bürokommunikation dem PC gehörig das Fürchten lehren.«
SZ-Testsysteme, Postweg 5,8201 Amerang Bezugsquelle der DesaShell: Fischer & Bach Computer, Münchener Str. 41,8201 Rosenheim, Preis 99 Mark