Im Kopf dreht sich alles um Bits und Bytes, die zahllosen durch programmierten Nächte haben Spuren hinterlassen - aber das Programm ist fertig. Falls Sie das neue Werk als Public Domain anbieten, sollten Sie einige wichtige Regeln beachten. Dadurch erfreut sich das Programm schnell einer großen Verbreitung und andererseits läßt das Ihnen zustehende Honorar - falls Sie welches verlangen - nicht auf sich warten.
Grundsätzlich stehen drei Vertriebswege zur Wahl, die Sie natürlich auch kombinieren können. Der erste und zugleich kosten- und zeitintensivste Weg ist der Eigenvertrieb. Zunächst müssen Sie das Programm einer breiten Masse vorstellen. Dies erfolgt meistens über Anzeigen in Computer-Magazinen. Eine private Kleinanzeige kostet ca. 2 bis 6 Mark pro Zeile, für gewerbliche Inserenten liegt der Zeilenpreis meist zwischen 10 und 15 Mark plus Mehrwertsteuer. Mehr Beachtung finden großformatigere Anzeigen, die Sie selbst nach Belieben gestalten können, der Verlag erhält dann von Ihnen die fertige Druckvorlage. Allerdings hat die künstlerische Freiheit ihren Preis, der sich für Privatleute in der Regel nicht lohnt. Außerdem gerät man leicht aufs Gewerbegleis, ein Informationsgespräch mit dem Steuerberater hilft hier weiter. Manchmal lohnt es sich auch, das Programm an die Redaktionen zu schicken. Die meisten Computer-Magazine - auch TOS - stellen regelmäßig PD-Programme vor. Seit einiger Zeit gibt es auch spezielle Zeitschriften, die sich ausschließlich auf PD und Shareware konzentrieren.
Stößt Ihr Programm auf großes Interesse, kommt viel Arbeit auf Sie zu. Jede Bestellung muß bearbeitet, Disketten kopiert, eingepackt und zur Post gebracht werden. Zu anstrengend? Weniger Zeit und Geld kostet der zweite Weg: Durch den hohen Beliebtheitsgrad von Datenfernübertragung (DFÜ) existieren mittlerweile zahlreiche Mailboxen [1], allein in Deutschland gibt es über 500. Hier können Sie Ihr Programm in einem öffentlichen Brett ablegen, fast jede Mailbox besitzt auch eigene PD-Bretter. Jetzt kann sich jeder Teilnehmer das Programm nach Hause holen. Das Verfahren kostet Sie lediglich die normalen Telefon kosten, die allerdings bei umfangreichen Programmen schnell in astronomische Höhen schnellen, vor allem bei weiter entfernten Mail boxen. Besitzen Sie selbst kein Modem oder Akustikkoppler, überspielen viele Mail box-Betreiber das Programm kostenlos in ihren elektronischen Briefkasten.
Der dritte Weg kostet Sie nur Portogebühren und ist zugleich der effektivste. Schicken Sie Ihr Programm an einen der zahlreichen PD-Händler und -Versender und bitten Sie um Aufnahme Ihres Werks in seine Sammlung. Der Händler führt das Programm dann in seinem Katalog auf, einige bewerben die Software auch in Anzeigen. Da erfahrungsgemäß die meisten Leute PD-Programme von einem Händler kaufen, wird Ihr Programm schon bald große Verbreitung genießen - entsprechende Qualität und sinnvoller Nutzen natürlich vorausgesetzt. Empfehlenswert sind auch Händlervereinigungen wie beispielsweise der PD-Pool, der ein gutes Programm an alle seine Mitglieder weiterleitet (derzeit ca. 35).
Der Nachteil dieses Verfahrens ist, daß die Händler für eine PD-Dis-kette zwischen 5 und 10 Mark verlangen, dazu kommen Porto und Verpackungsgebühren. Wer sich PD-Software für 20 Mark und mehr bestellt, ist erfahrungsgemäß weniger bereit, auch noch den einzelnen Autoren ihren Obulus zukommen zu lassen. Ansonsten müssen Sie mit sich selbst abstimmen, ob Sie es dulden, daß die PD-Händler mit Ihrer Software Geld verdienen. Die Gewinnspanne eines Händlers ist beachtlich, wie unser Vergleich in TOS 8/90 [2] zeigt. Trotzdem sorgt die Aufnahme ins Händlerangebot in jedem Fall für die größte Verbreitung Ihres Programms.
Sind Sie Mitglied in einem Computerclub mit eigener PD-Sammlung? Dann vergessen Sie nicht, Ihr Programm in diese Sammlung einzugliedern. Ebenso kann es nützlich sein, das neueste Werk allen Freunden und Bekannten weiterzugeben, die über den gleichen Computer verfügen.
Wer sein PD-Programm mit der Einstellung weitergibt, daß er demnächst in 10 und 20 Mark-Scheinen badet, wird meist enttäuscht. Der erwartete Rubel rollt nur sehr langsam, so mancher PD-Autor mußte auch schon akzeptieren, daß niemand sein Programm mit einer freiwilligen Zahlung würdigte. Diese schmerzliche Erfahrung geht auch an Autoren nicht vorbei, die Programm und Geldbeutel mit dem Begriff »Shareware« absichern wollen. Im Gegensatz zur Public-Domain-Software ist der Anwender eines Shareware-Programms verpflichtet, den Autoren die geforderte Sharegebühr zu entrichten [3]. Leider gibt es noch zu viele Leute, die sich sagen »Ich hab's, also warum soll ich noch dafür zahlen?« Dabei ist Fairness nun mal bei PD und Shareware oberstes Gebot.
Absolut gesättigt ist der PD-Markt mit Kopier- und Schnellformatierprogrammen, RAM-Disks, Etikettendruckern, Malprogrammen, Funktionsplottern, Breakout-Varianten, Drucker- und Diskettenutilities und Grafik- und Sounddemos. Wenn ein Programm dieser Kategorie Erfolg haben soll, muß es schon über bahnbrechende Neuerungen verfügen. Einige Tips: Legen Sie Wert auf einfache Bedienung, schnelle Ablaufgeschwindigkeit und Sicherheitsabfragen. Beachten Sie, daß sich nicht jeder so gut mit Computer auskennt wie Sie: Legen Sie Ihrem Programm den Quelltext bei, achten Sie deshalb auf verständliche Variablennamen. Die Variable »butter« sagt mehr aus als die Variable »bu«. Und vergessen Sie nicht, daß ein gutes Programm nicht unbedingt lang sein muß.
Literaturhinweise:
[1] Marc Kowalsky, »Mit 2400 Baud um die Welt«, TOS 10/ 90, Seite 42
[2] Thomas Bosch, »Software zum Fulltarif«, TOS 8/90, Seite 36
[3] Paul Sieß, »Profit Domain«, TOS 8/90, Seite 34