Die Konkurrenz ist da: Mit »Publishing Partner Master«, kurz PPM, lehrt ein neues DTP-Programm dem bisherigen Marktführer »Calamus« das Fürchten. Compo zeigte den PPM auf der Atari-Messe in der deutschen Version 1.81 und liefert ihn ab sofort aus. Bereits vor der Messe hatte ich Gelegenheit, mich mit dieser Version näher zu beschäftigen. Soviel vorweg: PPM ist nicht nur für den DTP-Einsteiger äusserst interessant.
Publishing Partner Master ist ein einfach zu bedienendes DTP-Programm, das den Anwender weitgehend von unnötigen Arbeitsgängen befreit. Das Programm setzt die traditionellen Vorgänge beim Gestalten einer Seite auf den Computer um und ergänzt sie durch spezielle Funktionen. Dazu gibt es im Programm eine Dreiteilung zwischen Grafik-, Text- und Layoutfunktionen, die schnelles und kreatives Arbeiten unterstützt. Dabei sind auch farbige Ideen keineswegs ausgeklammert, denn PPM beherrscht Farbverarbeitung und Farbseparation. Die fertig gestalteten Seiten lassen sich mit Hilfe eines der zahllosen Druckertreiber auf fast allen 9-Nadel-, 24-Nadel- oder Laserdruckern zu Papier bringen, via Postscript-Treiber direkt auf einem Postscript-fähigen Ausgabegerät drucken oder über den Umweg einer Diskette im nächsten Belichtungsstudio auf Film bannen.
Die Leistungsfähigkeit eines solchen Programms läßt sich am besten dadurch vermitteln, daß man eine gestellte Aufgabe Schritt für Schritt durchführt. Gehen wir also der Reihe nach vor und schauen, was der PPM uns bringt. Zunächst die Aufgabe: Das Programm installieren, eine Testseite mit verschiedenen Elementen gestalten und einen Bericht darüber schreiben. Zum Lieferumfang von PPM gehört das umfangreiche Handbuch im stabilen Ringordner, eine 35-seitige Kurzanleitung zur Installation sowie die Liste aller verfügbaren Druckertreiber und Fonts und natürlich das Programmpaket auf vier Disketten. Neben dem Programm und einigen Hilfsdateien nehmen die Fonts und Treiber den größten Teil des Platzes ein. Der Einfachheit halber gibt es ein automatisches Installationsprogramm, denn ca. 2,5 MByte Daten wollen bereitgestellt sein.
Man sollte den PPM auf einer Festplatte installieren oder bereits vorher die nicht benötigten Fonts und Treiber aussortieren. Die Kurzanleitung beschreibt alle Formen der Installation sehr übersichtlich und genau. Ich wählte die automatische Installation und verbrachte etwa eine dreiviertel Stunde vor dem Computer, bis der gesamte Vorgang abgeschlossen war. Meine Tätigkeit beschränkte sich dabei auf die Angabe des Zielpfades und das Einlegen der Disketten, den Rest erledigte das Installationsprogramm von alleine.
Die Wartezeit verkürzte ich mir mit dem Studium des Handbuches. Offensichtlich handelt es sich dabei um eine schnelle deutsche Übersetzung, denn der Stil ist an manchen Stellen mehr als unterhaltsam. Immerhin verspricht das Stichwortregister einen schnellen Zugriff auf die Informationen, wenn es auch durchaus noch etwas umfangreicher ausfallen könnte. Die Erläuterungen, gekoppelt mit vielen Tips und einigen Grundlagenkapiteln zum Thema »DTP« und »Gestalten« sind sehr ausführlich, manchmal allerdings schwierig nachzuvollziehen.
Nach dem Start, der beim ersten Mal wegen Anlegen einer Fontliste etwas länger dauert, erscheint der PPM-Desktop und eine Toolbox. Diverse gut gefüllte Menüs warten auf erste DTP-Aktivitäten. Bereits beim schnellen Rundgang durch die Menüs fällt die klare Strukturierung der Befehle positiv auf (vgl. Bilder). Der PPM entspricht einer genauen Umsetzung der herkömmlichen Layoutarbeit. Er besteht aus den drei Hauptteilen Grafik, Text und Layout.
Jeder Bereich bietet eine Reihe von Funktionen, die eine schnelle Umsetzung von Ideen erlauben. Der Grafikteil verfügt über einfache Zeichenfunktionen wie Rechteck, Linie, Kreis und Ellipse sowie deren Ausschnitte, Polygon und Freihandzeichnung, die sich direkt in einem Dokument einsetzen lassen. Das Programm verwaltet diese Objekte als Vektorgrafik mit unsichtbaren Rahmen. Man arbeitet also genau wie in einem Vektorzeichenprogramm. Durch Anklicken aktivieren Sie ein oder mehrere Objekte für die weitere Bearbeitung.
Mit den üblichen Objektrahmen verändern Sie Größe, Proportion und Lage auf dem Dokument. Außerdem lassen sich Linientypen und -stärken einstellen, Füllmuster wählen und die Objekte einzeln oder in Gruppen manipulieren. Das Menü »Objekt« zeigt die Fülle der vorhandenen Funktionen. Auf den Menüpunkt »Textumfluß« komme ich später noch einmal zurück, alle übrigen Befehle erklären sich von selbst.
Bemerkenswert ist die unsichtbare Verwaltung der Objektrahmen. Das gilt auch für Text, der in zwei Arten vorkommt, einmal als Textobjekt vergleichbar einem Bild und einmal als Textspalte für Lauftexte. Einzelne Überschriften, Initiale oder überhaupt kurze Texte verwalten Sie einfach als Textobjekte. Dazu schalten Sie in der Toolbox auf »A« für Texteingabe und schreiben den gewünschten Text irgendwo auf die Seite. Größe, Stil und Schriftart sind dabei völlig unwichtig.
Wählen Sie jetzt den Objektmodus durch Klick auch den Pfeil in der Toolbox, und Sie sehen den typischen Objektrahmen um die Zeile. Damit läßt sich die gewünschte Größe schnell zurechtziehen oder über das Menü »Objekt« unter »Koordinaten« direkt eingeben. Schriftart und -Stil stellen Sie über die entsprechenden Menüpunkte unter »Stil« ein. Betrachten Sie jetzt die Musterseite »Test«. Die Worte »Test«, »Massenspeicher« und »massenhaft« sowie das Initial sind solche Textobjekte, die z. B. anschließend gedreht wurden.
Der restliche Text auf der Seite steht in Textspalten, die mit Hilfe der Spaltenfunktion entstanden. Dabei habe ich nur die gewünschte Spaltenzahl, den Abstand sowie die Entfernungen zum Papierrand angegeben. Bei kleineren oder sehr unregelmäßigen Spalten läßt sich ein entsprechender Rahmen direkt mit der Maus aufziehen, für gleichmäßige Spalten empfiehlt sich aber die Spaltenfunktion.
Über ein magnetisches Hilfsraster rücke ich die Objekte und Spalten an die gewünschte Position. Danach plaziere ich ohne das Raster die beiden gedrehten Textobjekte, die Überschrift und das Initial. Dann kommt der Textimport. Bei kurzen Texten ist es durchaus sinnvoll, direkt im PPM auf die Seite und in das Layout zu schreiben. Korrekturen etc. sind ebenfalls schnell erledigt. Immerhin steht sogar eine Suchen- und Ersetzen-Funktion zur Verfügung. Bei längeren Texten geht das Schreiben jedoch flotter von der Tastatur, wenn man ein externes Textprogramm verwendet. PPM importiert zur Zeit folgende Formate: 1st Word, ASCII, CTX, That's Write und WordPerfect. Da die Importfunktion modular aufgebaut ist, besteht berechtigte Hoffnung, in absehbarer Zeit weitere Module zu bekommen. Damit sind alle Textelemente versammelt und das fröhliche Gestalten kann beginnen, sprich, der Layoutteil von PPM kommt zum Zuge. Zunächst gilt es, die verdeckten Textobjekte sichtbar zu machen. Der Text soll das Initial und die »massenhaften Massenspeicher« umfließen. Formsatz nennen die Layouter diese Art der Gestaltung, die für jedes DTP-Programm eine heikle Aufgabe ist. Dabei muß der Text in der Spalte das Objekt in unregelmäßiger Form umfließen. PPM kennt unter dem Menü »Objekt« einen Befehl »Textumfluß«, also das gewünschte Objekt aktivieren und diesen Menüpunkt anwählen. Es erscheint eine Auswahlbox (vgl. Bild), in der fünf Fließrichtungen zur Auswahl stehen. Dazu gibt es eine Einstellung für den horizontalen und vertikalen Abstand. Jedes Objekt im Dokument darf eine eigene Angabe zum Textumfluß haben, also bestimme ich für das Initial den »Umfluß rechts« und für die beiden anderen Worte »Alles umfließen« mit unterschiedlichem Abstand. Der Klick auf »OK« bringt jedesmal ein Aha-Erlebnis. Der Textfluß funktioniert, und der Formsatz sieht bereits sehr brauchbar aus.
Im nächsten Schritt sorge ich mit einem manuellen Trenndurchlauf für ordentliche Zeilenfüllungen. Die Trennautomatik arbeitet zwar einigermaßen befriedigend, aber dennoch bleiben mitunter zu große Sperrungen im Text. Außerdem ist die deutsche Trennung mit Ausnahmen wie »ß=s-s« oder »ck=k-k« ein ungelöstes Problem für die Automatik. Zu guter Letzt achtet das Programm beim Umbruch auch nicht auf »Hurenkinder«, einzelne Zeilen am Spaltenanfang oder -ende. Wer hier nicht den Text ändern will, sollte sich die hilfreichen Tips des Handbuchs zum Thema »Durchschuß« zu Gemüte führen. Kurz, nach einigen Experimenten bekam der Text ein ansprechendes Aussehen ohne viele Sperrungen. Die Musterseite zeigt noch verschiedene Problemstellen, um Ihnen die Unterschiede zu verdeutlichen.
So, jetzt ist die »Bleiwüste« fertig, doch kein Layouter würde eine solche Seite »bauen«. Außerdem kann der PPM wesentlich mehr. Also zunächst einen kleinen Streifen in die obere rechte Ecke. Dazu wähle ich eine Linienstärke von 15 Punkt und zeichne eine gerade Linie in die gewünschte Ecke. Magnetische Hilfslinien sorgen bei Bedarf für korrekte Ausrichtung. Nun ist die Seite fast voll und noch immer habe ich nichts über Grafiken gesagt. Darum schnell noch ein Bild importiert und in die letzte freie Ecke plaziert. Zum Import von Bildern wählen Sie den entsprechenden Menüpunkt unter »Datei« (wo sonst?) und bestimmen, ob der PPM die Grafik in ein eigenes Fenster kopieren oder direkt als Objekt in die aktuelle Seite einsetzen soll. Aus einem Fenster kopieren Sie das Bild so oft wie nötig an die vorgesehenen Stellen im Dokument. Als Objekt ziehen Sie direkt beim Import einen Rahmen in der gewünschten Größe auf, und der PPM bringt das Bild darin unter. Selbst beim Import von Screenshots und der Verkleinerung im PPM auf eine viertel Bildschirmgröße lieferte die Umrechnung sehr saubere Ergebnisse. Man bedenke, daß es sich dabei um Pixel-und nicht um Vektorgrafiken handelt. Die Liste der Importmodule für Grafik ist lang, lediglich ein 32 KByte Screenformat mit der Endung »*.PIC« hat der PPM nicht erkannt.
Einige weitere Funktionen, die bei der gestellten Aufgabe zum Einsatz kamen, waren z. B. die Befehle aus dem »Sicht«-Menü. Vor allem der »variable Zoom« ist hervorragend. Sie ziehen mit der Maus ein Rechteck in der gewünschten Größe auf, und PPM stellt den markierten Bereich bildschirmfüllend dar. Außerdem sind eine Reihe von Mausaktionen in Verbindung mit den Shift-Tasten doppelt belegt. So bleiben z. B. beim Import von Grafiken die Proportionen erhalten, wenn Sie beim Aufziehen des Objektrahmens die Shifttaste gedrückt halten.
Ich gestehe, mich hat bereits nach einigen Tagen (und Nächten) das PPM-Fieber gepackt. Der gesamte Umgang mit dem Programm ist so einfach, Funktionen erschließen sich so intuitiv, daß es Spaß macht, mit dem Programm zu arbeiten. Zudem hat sich der PPM in der gesamten Zeit nicht einmal bombig verabschiedet. Einzig mit dem Bildschirmaufbau und dem Scrollen durch die Textspalten per Cursor hat er seine Schwierigkeiten. Doch ein Klick in den Rollbalken brachte das Programm immer wieder sofort zur Vernunft. Mit den maximal sechs gleichzeitig geöffneten Dokumenten sind der Kreativität kaum noch Grenzen gesetzt.
Beim Thema Druckausgabe halte ich die Entscheidung für Postscript für richtig. Postscript-Belichtungsstudios stehen an jeder zweiten Ecke, man ist nicht auf die speziellen Calamus-Belichter angewiesen. Haben Sie keinen Postscriptdrucker, bringt der PPM Ihre Arbeit via Grafikdruck zu Papier. Neben dem Postscripttreiber gehören passende Treiber für über 200 Drucker zum Lieferumfang. Selbst Exoten wie der Original Atari-Nadeldrucker SMM 804 sind hier vertreten. Das beste Ergebnis liefert allerdings der PostScriptdruck. Über die passenden Fonts für den Bildschirm sowie verschiedene Treiber steuern Sie entweder die diversen, in jedem Postscriptdrucker eingebauten Schriften oder wählen aus den etwa 2000 für PPM verfügbaren Fonts die gewünschte Schrift aus.
Auch wenn sich diese Zahl gewaltig anhört, liegt hier noch eine Einschränkung vor. Denn die PPM Version 1.81 verarbeitet nur einige Postscript-Fonts, die z.B. nicht zum Macintosh kompatibel sind. Das wird sich aber noch in diesem Jahr ändern, denn für den späten Herbst ist die Version 2.0 angekündigt, die die originalen »Adobe Type 1 Fonts« unterstützt. Damit steht dem PPM die gesamte Welt der Postscript-Fonts offen, und der ST-Anwender wählt aus den Schriftbibliotheken der besten Fachlieferanten genauso wie der Macintosh-, MS-DOS- oder DTPler. Das Update von 1.81 auf 2.0 ist übrigens kostenlos.
Info: Compo Software, Ritzstr. 13, 5540 Prüm. Preis: 798 Mark