Baldrian für die Praxis - Anwenderbericht: SED-DOC verwaltet Arztpraxen

Den Untersuchungsraum verbindet ein Netzwerk mit Behandlungszimmern und Anmeldung

SED-DOC steht für »Schnelle Elektronische Datenverarbeitung für Doctores«. Diese etwas obskur anmutende Namenswahl läßt sich auf die von Pharmazeuten oft verwandte Vorsilbe »sed-« zurückführen: Sie leitet sich ab von »sedatus« (lat.: ruhig, gelassen).

Ruhe und Gelassenheit in die oft so streßreiche Routine der Arztpraxis zu bringen, hat sich die Firma SED - DOC - M. Henke & J. Rheingans GbR vorgenommen. Warum sollte sich aber eine moderne Arztpraxis für gerade dieses, auf der Atari-ST-Hardware laufende Programm entscheiden?

In unserem Falle war einer der wichtigsten Gründe die Übersichtlichkeit, welche die Atari-Systeme deutlich von den von uns getesteten IBM-Systemen abhob. Das Auffinden eines geeigneten Praxis-EDV-Systems für den Atari bereitete uns allerdings einige ungeahnte Schwierigkeiten: »LISA«, das der rührige Anbieter sofort zu Testzwecken zur Verfügung stellte, befand sich zum damaligen Zeitpunkt anscheinend noch in der Entwicklungsphase. Dies machte sich in permanenten Bombenwürfen bemerkbar. Die Firma PAM-Software verfügt nach eigenen Angaben ebenfalls über ein Praxissystem, lieferte jedoch auch nach mehrmaligem telefonischen Kontakt nicht einmal Informationsmaterial. Als dritter Versuch zeigte sich das Programm »Medic-PC« als sehr professionell und sicher lauffähig. Wir klammerten dieses System jedoch wegen hoher Kosten für das benötigte Netzwerk aus.

Der vierte Anlauf, nämlich SED-DOC, basierte auf einer einzeiligen Notiz in einem Messebericht. In einem ausgiebigen Test der Demoversion, die uns gegen Gebühr zur Verfügung stand, erwies sich das Programm als gut konzipiert, zuverlässig und auch preislich unseren Vorstellungen entsprechend. SED-DOC läßt sich im Einplatz- oder Mehrplatzgebrauch mit PAMs-Net betreiben. Da in unserer Praxis fünf Mitarbeiter beschäftigt sind, wählten wir eine Netzwerklösung mit insgesamt vier Arbeitsplätzen für Aufnahme, Voruntersuchungsraum und zwei Behandlungszimmer.

Nach der Vernetzung der schon vorhandenen Hardware und Installation der Software durch die Firma verhielt sich das System im Netzwerkbetrieb zunächst sehr absturzträchtig. Diesen Fehler führten die SED-DOC Programmierer auf den Hostadapter unserer Vortex-Festplatte zurück. Tatsächlich arbeitete das Netz problemlos, nachdem die Vortexplatte durch ein Festplattensystem mit ICD-SCSI-Adapter von SED-DOC ersetzt wurde. Leider verzögerte sich der Austausch, wie auch die Lieferung von Demoversion, Programm-Modulen und Updates dadurch, daß nach Aussage der Firma wiederholt Lieferungen auf dem Postwege verlorengingen.

Trotz aller Vereinfachungen, die ein Komplettsystem zur Praxisverwaltung letztendlich bietet, ist die Umstellung auf EDV zeit- und arbeitsintensiv. Alle bisher aufgelaufenen Patientendaten in unserer Augenarztpraxis mußten wir am Bildschirm neu erfassen und die alten Karteien während dieser Periode weiterführen. Bei ca. 2000 Patienten pro Quartal ist der nötige Arbeitsaufwand leicht vorstellbar. Zumal sich die Praxis mit angeschlossener Tagesklinik nicht einfach schließen läßt. Wir beschlossen deshalb die Durchführung der notwendigen Arbeiten in drei Schritten. Von Anfang an sollten alle in der jeweiligen Phase nutzbaren Möglichkeiten von Hard- und Software zur Anwendung kommen:

  1. Erfassung von personenbezogenen Patientendaten und Drucken von Formularen wie Überweisungen etc. per Computer,
  2. Erfassung der Leistungsziffern, Diagnosen und Krankenkassenabrechnungen über Datenträger,
  3. Eingabe aller Befunde wie Blutdruck, Laborwerte usw. und Stillegung der alten Kartei.

Nach nunmehr acht Monaten Arbeit mit SED-DOC befinden wir uns jetzt am Beginn der dritten Phase. Die Einzel program me (Module), aus denen sich SED-DOC nach dem Baukastenprinzip zusammensetzen läßt, erlauben es, ein unseren Anforderungen angepaßtes System zusammenzustellen.

Das Herzstück und damit die Bedienungsoberfläche des SED-DOC ist das Modul »DatenVerwaltung«. Über diese Schnittstelle lassen sich sämtliche Module von der Menüzeile aus ansteuern und auf die selben Daten zugreifen.

Bild 1. In solchen Patientenblättern sind alle wichtigen Daten eingetragen Hier der Hinweis: Krankenschein fehlt.

Schon in diesem Modul zeigt sich die auch sonst konsequent durchgehaltene Benutzerführung, die SED-DOC zu einem sehr komfortablen Programm macht:

Zur Verfügung stehen Hilfsbildschirme, Tastaturkürzel für Menüs und Dialogboxen, Abfangroutinen für Eingabefehler auch logischer Art und GDOS-Kompatibi-lität. Alle personenbezogenen Patientendaten, wie Namen, Versicherung etc. gibt man über Masken ein. Die Geschwindigkeit für die Suche der Daten eines von ca. 3000 Patienten liegtauch im Netzwerkbetrieb unter 2 Sekunden. Übrigens, keine Angst vor Daten-klau: Über Passworte, Zeitsperren und Nutzerzuweisungen sind Programmteile und Daten vor unberechtigtem Zugriff geschützt.

Über das Formulardruckmodul lassen sich genormte Formulare, wie Rezepte, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung usw. bearbeiten und ausdrucken. Die Masken entsprechen im Aufbau genau den Papiervorlagen. Außerdem ist das Anfertigen von bis zu sechs weiteren freien Masken für den Ausdruck beliebiger Formulare vorgesehen. Beim Ausfüllen von Rezepten greift man mittels Tastaturkürzeln auf eine Medikamentendatei mit Art und Menge zu. Leider muß der Anwender diese Datei, anders als im PC-Bereich, selbst ergänzen. Für den Druck von Wiederholungsrezepten steht eine Dauermedikamentenverwaltung zur Verfügung.

In allen Modulen gibt es zwei Arten der Übernahme von Kurztexten. Bei der ersten nimmt man Bausteine für häufig benötigte Textteile, Diagnosen usw., mit Hilfe der -Taste in die Formulare auf. Die zweite Art halten wir für die beste Erfindung, seit es Atari gibt: Verlangt eine Dialogbox die Eingabe einer Textzeile, kann man maximal 15 Vorschläge eigener Texte nutzen. Über <Help> rufen Sie die entsprechende Liste auf, und übernehmen durch Anklicken oderTastaturkürzel z. B. eine selbstdefinierte Diagnose in die Eingabezeile des Formulars.

Bild 2. Auch im Computer sehen die (begehrten) Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nicht anders aus

Bisher beschäftigten wir uns lediglich mit den Vereinfachungen der täglichen Routine in der Arztpraxis. Jetzt geht's mit der Beschreibung des Moduls »Quartalsabrechnung« an's Eingemachte, hat doch das entsprechende Regelwerk schon manchen Arzt an den Rand der Verzweiflung gebracht. Zugelassen durch die Kassenärztliche Bundesvereinigung vereinfacht dieses Modul die sonst sehr zeitaufwendigen und fehlerträchtigen Abrechnungen weitgehend. In der Eingabemaske erfaßt der Anwender die Leistungsziffern und Diagnosen während des Quartals. Abrechnungsfehler beantwortet SED-DOC mit eindeutigen Fehlermeldungen. Vergessene Abrechnungsbegründungen gehören damit endlich der Vergangenheit an.

Besonders zeitsparend sind Ziffernmakros und Dauerdiagnosen. Die Ziffernmakros fassen, einmal definiert, die Abrechnungsziffern zusammen, z. B. auf ein Krankheitsbild bezogen. Sie lassen sich über Tastaturkürzel in die entsprechende Maske bringen, ohne daß man sämtliche Ziffern einzeln eingeben muß. Allerdings sei nicht verschwiegen, daß wir auch hier, wie bei der Medikamentendatei, umfangreiche Ergänzungen vornehmen mußten. Diagnosen, die einmal im Feld »Dauerdiagnosen« eingetragen sind, braucht man bei der nächsten Abrechnung nicht neu eingeben, sondern nur über einen Button aktivieren.

Die Abrechnung führt das Programm am Quartalsende automatisch aus, wobei SED-DOC nicht korrigierte Fehler erkennt und besonders kennzeichnet. Auch dieses Modul ist sicher zu bedienen. Die Abrechnungsdauer beträgt allerdings mehrere Stunden, in denen die Anwesen heit von Personen jedoch nicht notwendig ist.

Nun ist der Zeitpunkt gekommen, an dem man sich zurücklehnen und seinen Atari die notwendige Arbeit erledigen lassen kann. Denkste: Die Kassenärztliche Vereinigung möchte, unabhängig von der verwendeten Software, die Fähigkeiten des Arztes im Umgang mit Datenträgern überprüfen. Diesen »EDV-Führerschein« erlangt man, indem man seine gesamte Abrechnung in den ersten beiden Quartalen sowohl auf Datenträgern als auch normalen Krankenscheinen einreicht.

Auch die Privatliquidation von SED-DOC bedeutet von Anfang an eine wesentliche Zeitersparnis. Die Ziffernerfassung ist so einfach wie bei Kassenpatienten, allerdings steht am Ende nicht die Quartalsabrechnung, sondern der Rechnungs- und Überweisungsdruck und drei Mahnstufen für säumige Patienten.

Im Patientenblattmodul werden analog zum bisher gebräuchlichen Patientenblatt Krankengeschichte, Krankheits- und Behandlungsverlauf schriftlich fixiert, sowie Laboruntersuchungen und -befunde erfaßt. Dabei ist die Behandlungsdokumentation in die Teile Grund-, Text- und Labordokumentation unterteilt. Zu diesem Zweck stellt das Programm entsprechende Masken zur Verfügung, die sich mit Hilfe eines RSC-Sets auf spezielle Bedürfnisse der Praxis zuschneiden lassen.

Alle Informationen zum Patienten sortiert das Programm chronologisch und stellt sie entsprechend dar. Zur besseren Übersicht lassen sich nicht benötigte Informationen aus dem Fenster ausblenden. Daneben ist bei Verwendung eines Netzwerks auch die Weitergabe der elektronischen Patientenblätter an andere Arbeitsplätze vorgesehen.

Bild 3. Auch Ärzte wollen leben: hier die Eingabemaske für die Ziffernabrechnung und die Privatabrechnung.

Mit der Textverarbeitung von SED-DOC lassen sich bis zu vier Texte mit den üblichen Attributen und Textformatierungen benutzen. Auch eine kleine Preview-Funktion ist vorhanden. Ohne die noch immer nicht vorhandene Dokumentation hatten wir allerdings einige Mühe bei der Enträtselung der Geheimnisse dieses Programmteils. Unverständlich bleibt uns der Verzicht auf eine Silbentrennung. Doch solche unbedeutenden Feinheiten können einen echten Atarianer nicht erschüttern. Vor allem, da es zum Trost die »Variablen zur Datensatzbeschreibung« gibt. Hinter dieser trockenen Formulierung verstecken sich Platzhalter, die der Anwender im Textprogramm immer dort einsetzt, wo das Programm beim Ausdruck auf den SED-DOC-Datenpool zugreifen soll. 90 Variablen von A (wie Abrechnungsschein) bis Z (wie Zeit pro Patient) sind verfügbar. Ein Patientenblatt läßt sich allerdings auch komplett oder teilweise und entsprechend der Behandlungs-Chronologie einiesen. Das Statistikmodul schließlich bietet eine Übersicht aller erbrachten Praxisleistungen. Hierfür sind keine Neueingaben notwendig, sondern SED-DOC wertet die schon in anderen Teilprogrammen erfaßten Daten automatisch aus.

In ihrer Darstellung läßt sich dann z. B. die Gefahr der Überschreitung von Gruppendurchschnitten, die finanzielle Einbußen bedeuten würde, klar erkennen und somit vermeiden. Knopfdruck genügt.

Sieht man einmal von den vielleicht entfernungsbedingten Kommunikationsschwierigkeiten (Berlin-Dortmund) mit dem Hersteller ab, empfehlen wir SED-DOC wegen seiner leichten Bedienbarkeit und durchdachten Konzeption guten Gewissens für alle Fachgebiete der ärztlichen Praxis. Bedenken Sie aber, wie bei jeder Umstellung großer Datenmengen auf EDV, die anfänglich anfallende Mehrarbeit. Gespannt warten wir jetzt auf die angekündigten Ergänzungen Terminverwaltung, Online-Handbuch und die Unterstützung von Magnetkartenlesern für die ab 1992 anstehenden Krankenversicherungskarten. (wk)


Michael Regitz Thomas Zimmermann
Aus: TOS 11 / 1990, Seite 74

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