Der Hüter des kleinen Bruders: SY22-Editor von Soft Arts

Aufgrund seines hervorragenden Preis/ Leistungsverhältnisses erfreut sich der SY22, der kleinste Sproß in Yamahas SY-Familie, seit seinem Erscheinen größter Beliebtheit. Mit dem »SY 22 Supervisor« aus dem Hause Soft Arts ist nun auch ein Editor/Manager für diesen Synthesizer erhältlich.

Der SY22 präsentiert sich als reinster Tausendsassa: Kombination von FM- und AWM-Synthese, Vektorsynthese, achtfacher Multimode, all diese Voraussetzungen modernen Musikschaffens bietet der unscheinbar wirkende Synthesizer für unter 2000 Mark. Doch je heller der Lichtschein desto dunkler die Schatten. Deutliche Spuren hinterließ der Rotstift der Konstrukteure bei der Benutzeroberfläche. Wabbelige Gumminoppen-Taster sowie ein unübersichtliches 2 mal 16 Zeichen Display sorgen für alles andere als ein angenehmes Ambiente bei der eigenen Soundkreation.

Abhilfe verspricht der »SY 22 Supervisor«, kurz SSV, der Ihnen im Tausch gegen 198 Mark bei der Neuschöpfung und Verwaltung von Sounds hilfreich unter die Arme greift. Schon beim ersten neugierigen Stöbern durch das Programm sammelt der SSV kräftig Pluspunkte. Die drei Hauptbildschirmseiten sind äußerst übersichtlich und mit viel Liebe zum grafischen Detail gestaltet. Beinahe alle Funktionseinheiten sind im 3D-Look gehalten, Buttons lassen sich »wie im richtigen Leben« mit der Maus herunterdrücken, und animierte Signalverläufe sorgen für klaren Durchblick. Trotz des hohen grafischen Aufwands erfolgt der Bildaufbau in Windeseile. Die Mühe, den SSV komplett in Assembler zu programmieren, hat sich »sichtlich« gelohnt.

Nach dem Laden begegnet dem Anwender der »Manager«, der die Verwaltung der Soundbänke und Libraries übernimmt. Neben der GEM-Menüleiste fallen die 3D-Fenster zur Anzeige des Bank- bzw. Libraryinhalts und das Type-Window auf. Unter diesen Bildschirmelementen gibt ein weiteres kleines Fenster Auskunft über den Zustand des »Voice Edit Buffers«, einige Icons eröffnen den Zugang zu den anderen Programmteilen.

Bild 1. Die Vector Movie Box, Herrscher über alle Elemente

Die Klänge - bei den SY-Synthesizern »Voices« genannt - in Bank, Library und Edit Buffer lassen sich beliebig verschieben und untereinander kopieren. Ein einfacher linker Mausklick selektiert, bzw. de-selektiert eine Voice, ein Doppelklick sendet den Sound in den SY22 Edit Buffer. Ein Klick mit der rechten Maustaste in ein Fenster bereitet alle hier selektierten Sounds zum Verschieben oder Kopieren vor. Der Mauszeiger verwandelt sich in eine kleine pulsierende Box, die über dünne »Gummibänder« mit dem Fensternamen verbunden ist. Jetzt ziehen Sie die Box nur noch ans Ziel und legen Sie dort per Mausklick ab.

Da Soundnamen hinsichtlich ihres Klangcharakters nur selten aussagekräftig sind (oder wissen Sie, wie ein »Nostromo« klingt?), lassen sich beim SSV die Sounds nach Typen kategorisieren. 20 solcher Typen verwaltet der SSV, wobei der Anwender die meisten dieser 20 Typenpresets umbenennen darf. Die Typzuweisung erfolgt einfach, indem Sie einen oder mehrere Sounds auf den entsprechenden Typen im mittleren Fenster ziehen. Klicken Sie anschließend mit der linken oder rechten Maustaste auf einen Typ (z.B.: »Brass«), selektiert der SSV automatisch alle so gekennzeichneten Voices im Bank oder Library-Fenster. Bereits beim Zeigen mit der Maus auf einen Voice-Namen gibt ein kleines »Lämpchen« im Typ-Fenster Auskunft über die Klangkategorie.

Mit einem Klick auf das »Voice«-Icon gelangen Sie in den Voice-Editor. Alle im Voice Edit Buffer vorhandenen Sounds harren hier geduldig der Veredlung durch Ihre kreative Hand. Äußerst übersichtlich untereinander angeordnet und in Funktionsgruppen unterteilt haben Sie die bis zu vier Elemente sicher im Blick. Parameteränderungen erzielen Sie wie gewohnt mit linkem oder rechtem Mausklick; klicken Sie mit beiden Tasten gleichzeitig auf einen Parameter, erscheint am linken Bildschirmrand ein großer Schieber, mit dem sich auch schnelle Veränderungen problemlos ausführen lassen. Die Hüllkurvengrafiken in dieser Darstellungsform sind klein ausgefallen. Der Klick auf eine Hüllkurve aktiviert deshalb eine große Hüll-kurven-Box, die das grafische Editieren der Envelope-Daten erlaubt. Als ausgesprochen hilfreich erweist es sich, bei Bedarf auch die Hüllkurven der gerade nicht editierten Elemente gestrichelt einzublenden. So hat man stets einen optimalen Überblick über die zeitlichen Strukturen des Klangs.

Zum Wechsel auf die Hüllkurve eines anderen Elements müssen Sie die Box nicht extra verlassen. Ein Klick auf die »A-B-C-D«-Buttons aktiviert die entsprechende Hüllkurve. Gut gelöst ist auch das Kopieren von Elementen, bzw. einzelner Element-Komponenten. Hier genügt ein Mausklick auf den Namen der Funktionsgruppe (z.B. »Tone«, oder »LFO«), und schon verschieben Sie das komplette oder Teilelement an sein Ziel. Vermißt habe ich die Möglichkeit, Elemente Voice-übergreifend zu kopieren. So ist es mir nicht gelungen, Element A des Sounds »Nostromo« in das Element C der Voice »Prophecy« zu verwandeln. Hier wäre ein Clipboard vorteilhaft. Ein kleines Bonbon ist wiederum der animierte Signalverlauf zwischen den Elementen. Ist aufgrund ungünstiger Einstellungen kein Signalfluß möglich, versiegt die Softwarepipeline. Die Signale aller Elemente laufen schließlich im »Vector« zusammen, dessen detaillierte

Programmierung in der grafisch aufwendig gestalteten »Vector Movie Box« erfolgt. Allein diesem gelungenen Programmteil gebührte eigentlich ein seperater Test, ebenso wie dem »Multi-Editor«, der sich nahtlos der Qualität der bereits vorgestellten Programmteile anpaßt.

Das Fazit des Tests ist kurz und bündig: Der SY22 Supervisor ist ein tolles Programm. Trotz des grafischen Aufwands ist es sehr schnell und ungewöhnlich übersichtlich in der Handhabung. Lediglich eine Tastaturbelegung mit den wichtigsten Funktionen wäre noch wünschenswert. Der SSV funktioniert nicht nur hervorragend, sondern bereitet auch viel Spaß beim kreativen Soundschöpfen - unbedingt empfehlenswert. (wk)

Info: Soft Arts. Postfach 127762, 1000 Berlin 12

Bild 2. Der Voice Editor: alle Parameter übersichtlich auf einen Blick.

WERTUNG

Name: Supervisor SY22
Preis: 198 Mark
Hersteller: Soft Arts

Stärken: Aufwendig gestattete Grafik □ sehr schnell □ gut durchdachtes Konzept

Schwächen: Keine Tastaturkürzel □ keine Voice-übergreifenden Elementkopien

Fazit: Bin hervorragender Editor zum günstigen Preis


Kai Schwirzke
Aus: TOS 02 / 1991, Seite 126

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