Im Zeichen der Maus: Licht und Schatten, das Leben in Ihren Bildern

Während Corot (Jean-Baptiste) eine Landschaft nach der Natur malte, sah ihm ein junges Mädchen beim Malen über die Schulter. Plötzlich zielte Sie mit ihrem Finger auf die Leinwand und sagte zu ihm: »Aber... da, Monsieur, es gibt dort keinen Baum.« »Er müßte dort sein, mein Kind« antwortete der Meister ruhig.

Sie folgen unverdrossen den bisherigen Ausführungen zum Thema Zeichnen und künstlerische Gestaltung mit Maus und Computer? Die Gesetze der Perspektive sind für Sie kein Geheimnis mehr, die Proportionen Ihres Motives bekommen Sie in den Griff und doch wirken Ihre Werke vielleicht etwas leblos, blaß und kalt? Neben dem Erfassen der vier elementaren Formen eines Körpers: Linie, Fläche, Form und Farbe kommt dem Spiel von Licht und Schatten eine unschätzbare Bedeutung zu. Durch den geschickten Einsatz von Schatten und Lichteinfall verleihen Sie Ihren Zeichnungen Raum und Wirklichkeit. Sie »modellieren« gewissermaßen Ihre Zeichnung.

Bild 1. Durch geschickte Schattierungen wirkt das Bild plastisch

Zum besseren Verständnis dieser Vorgehensweise vergegenwärtigen Sie sich bitte folgendes: Einen Gegenstand nehmen Sie nur dann war, wenn Licht auf ihn fällt. Durch den Schatten grenzen sich die einzelnen Körper von der Umgebung ab. In den meisten Zeichnungen sind die Konturen der einzelnen Formen durch eine Linie Umrissen. In der Realität hingegen gibt es keine solche feste Konturlinie. Dennoch können und sollen Sie auch weiterhin in Ihren Zeichnungen die Objekte mit einem festen Umriß versehen. Durch die oben angesprochene Modellierung mit Schattenflächen erhält diese Umrißlinie jedoch einen Bezug zum gezeichneten Körper und verschmilzt mit ihm. Nun ist Schatten nicht gleich Schatten. Wirft ein Objekt auf seine Umgebung einen Schatten, so spricht der Profi-Künstler vom »Schlagschatten«. Den Schatten, der auf der lichtabgewandten Seite des Gegenstandes entsteht, bezeichnet man als »Eigenschatten«. Bild 2 verdeutlicht dies nochmals. Wie Sie in dem Bild sehen, ist unter »Schatten« nun nicht eine einheitliche schwarze Fläche zu verstehen. Vielmehr soll unter dem Eigenschatten die Oberflächenstruktur noch zu erahnen sein. Auch die Fläche unter dem Schlagschatten schimmert noch andeutungsweise durch. Die »Intensität« oder »Schattentiefe« ist ebenfalls immer unterschiedlich. Tiefe Furchen und, wie in Bild 2, der Schatten direkt unter der Kugel sind dunkler als die restliche Fläche. Sie sind sogar in der Lage, Farbtönungen mit den Schattenabstufungen anzudeuten und das ohne Farb- oder Multisync-Monitore! Solche Abstufungen der Schatten tragen im übrigen die Bezeichnung »Werte«.

Damit Sie bei der ganzen Theorie nicht selbst einen Schatten bekommen, schreiten wir zur Praxis. Zeichnen Sie mit Ihrem Grafikprogramm beliebige geometrische Figuren und versehen Sie sie mit einem Eigenschaften. Sie müssen sich dabei zuvor überlegen, aus welcher Richtung der Lichteinfall kommen soll. Natürlich fällt der Schatten dann zur gegenüberliegenden Seite.

Das Anlegen der Schattenflächen kann auf unterschiedliche Weise erfolgen. Bei der Kugel setzte ich z.B. die Sprühdose mit dem Füllmuster »Schwarz« ein. Achten Sie darauf, wirklich zu modellieren. Das heißt, Sie arbeiten sich von den helleren Werten zu den dunkleren vor. Lassen Sie sich dabei von Ihrem Gefühl leiten. Ausprobieren und eventuell einfach Neuzeichnen bringen dabei die besten Erfolge. Probieren Sie auch die unterschiedlichen Sprühdosenformen und Muster aus und beobachten Sie deren Wirkung. Oder Sie zeichnen, wie bei dem Schlagschatten der Kugel, die Schattenform vor und füllen diese anschließend. Im zweiten Schritt mit Weiß oder einem feinem Muster im Überschreibmodus sprühen oder mit der Radierfunktion die Fläche aufhellen (vgl. Bild 2). Die einzelnen Schattenwerte sind allerdings nicht als fest vorgegeben anzusehen. Vielmehr spricht man von einer »Relativität der Werte«. Sie vergleichen die einzelnen Schattenflächen eines Bildes oder Motives miteinander und legen die dunkelsten und hellsten Flächen fest. Die dazwischen liegenden Werte stimmen Sie dann aufeinander ab. Vermeiden Sie es, sofort am Anfang ein zu tiefes und gesättigtes Schwarz anzulegen. Auf der anderen Seite sollten sie nicht in den Fehler verfallen, alles in ein eintöniges Grau zu verwandeln oder auffällige Muster als Schattenwerte einzusetzen.

Vielleicht stellen Sie beim Arbeiten fest, daß die Größe und Form des Schlagschattens nicht so einfach zu definieren sind. Auch hier helfen Sie sich mit Hilfs- und Konstruktionslinien, ähnlich denen der Fluchtlinien und Horizontlinie. Bei der Konstruktion dieser Linien muß man streng genommen zwei Arten von Lichtquellen unterscheiden. Natürliche Lichtquellen wie z.B. die Sonne und künstliche Lichtquellen wie z.B. eine Kerze oder Lampe. Bei künstlichen Lichtquellen verlaufen die Lichtstrahlen divergierend, d.h, von einem Punkt ausgehend strahlenförmig in alle Richtungen. Die Sonnenstrahlen hingegen verlaufen scheinbar parallel zueinander. Die Schatten einer Baumreihe liegen also demnach parallel nebeneinander.

Diese Unterscheidung dürfen Sie aber getrost nur grob vornehmen. Nehmen wir an, Sie benutzen als Lichtquelle eine Kerze. Diese beleuchtet einen senkrechtstehenden Kasten und zwar von der linken Seite. In Bild 3a sehen Sie die Situation. Von der Flamme ausgehend streifen die Lichtstrahlen die drei äußeren Eckpunkte des Quaders und verlängern sich zur Standfläche hin. Die fehlenden Schnittpunkte für die Bestimmung der Schlagschattenfläche entstehen, wenn Sie nun in der Standfläche der Lichtquelle (also dem Kerzenständer) einen zweiten, gedachten Lichtpunkt anlegen. Von diesem gehen ebenfalls (gedachte) Strahlen durch drei lichtentfernte Eckpunkte. Auf diese Weise erhalten Sie die Schlagschattenfläche (vgl. Bild 3b). Mathematikprofis unter Ihnen erkennen sofort, daß diese Konstruktion geometrisch nicht ganz lupenrein ist. Aber diese Vereinfachung reicht vollkommen aus. Den Rest soll auch hier Ihre Phantasie besorgen.

Sehen Sie sich zum Schluß Bild 1 an. Der Künstler setzte hier geschickt verschiedene Schattenwerte ein. Die Schlagschatten sind dabei teilweise nur angedeutet und das Bild erhält einen plastischen Charakter. Damit wären wir schon wieder am Ende. Falls Sie selbst Ideen und Vorschläge haben, die wir hier einmal behandeln sollten, dann schreiben Sie uns unter dem Stichwort „Im Zeichen der Maus". Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg bei der Gestaltung Ihrer Zeichnungen, egal ob Sie mit oder ohne Maus und Computer arbeiten. (wk)

Bild 2. Eigenschatten und Schlagschatten bringen die Kugel in Schwung
Bild 3a+b. So konstruieren Sie einen Schlagschatten

Andreas Wischerhoff
Aus: TOS 06 / 1992, Seite 64

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