Bunter Schmetterling: Papillon, Zeichenwerkzeug und Bildverarbeitung der neuen Art

Bislang war GEM häufig ein Fremdwort für Zeichenprogramme. Application Systems Heidelberg deutete die Zeichen der Zeit richtig und schickt mit »Papillon« ein neuartiges Rastergrafikprogramm mit fantastischen Funktionen ins Rennen, das auch auf dem Falcon läuft.

Als sauber programmierte GEM-Applikation, und somit Multitasking-fähig, arbeitet Papillon nahezu auflösungsunabhängig. Sie haben die Wahl zwischen der zweifarbigen Darstellung im hochauflösenden ST-Modus oder dem mehrfarbigen Modus. Die benötigte Mindestauflösung beträgt 640 x 200 Pixel, also die mittlere ST Auflösung, in der Sie dann Zugriff auf vier Grundfarben haben. Stolze Falcon-Halter unterstützt Papillon mit einer Palette von maximal 256 Farben. Geeignete Grafikkarten schaffen die gleiche Farbenpracht für ST(E) und TT. Erfreulicherweise flattert der Schmetterling dabei auch über Großbildschirme.

Papillon verfügt natürlich über eine eigene Menüleiste, aus der Sie Grundfunktionen wie die Datei-und Blockoperationen oder Systemeinstellung aufrufen. Daneben finden Sie hier die Menüpunkte zur Farb- und Graustufenbehandlung. Die eigentliche Grafikbearbeitung wickeln Sie in ganz normalen, frei verschiebbaren GEM-Fenstern ab, die sich in den unterschiedlichen Auflösungen nur geringfügig variieren. Jedes Fenster beinhaltet neben der Arbeitsfläche auch eine eigene vertikale Icon-Leiste, hinter deren Symbolen sich die verschiedenen Zeichenfunktionen verbergen. Auch Zeichenattribute wie Färb- und Musterpaletten oder Zeichenmodi erreichen Sie hier über Popup-Menüs. Leider sind die einzelnen Icons etwas klein ausgefallen, in der Gewöhnungsphase erwischen Sie schnell einmal das falsche Werkzeug. Zum Ausgleich dafür befindet sich am oberen Fensterrand eine zuschaltbare Info-Leiste, aus der Sie neben den aktuellen Mauskoordinaten und Objektbemaßungen auch die jeweilige Funktion des betreffenden Icons erfahren.

Bei den Zeichenwerkzeugen wartet unser Testkandidat mit einer äußerst praktischen Neuerung auf. Generell bearbeiten Sie mit Papillon Rastergrafiken. Aktivieren Sie jedoch zum Beispiel die Funktion »Rechteck«, so befindet sich nach dem Aufziehen desselben zum Erstaunen aller die Figur innerhalb eines Objektrahmens, ganz so wie von den Vektorgrafik-Programmen her gewohnt. Tatsächlich behandelt der zeichnende Schmetterling alle Figuren zuerst wie Vektor-Objekte. Skalieren von Größe und Form ist mit Hilfe der Zugboxen genauso leicht wie das nachträgliche Ändern von Muster und Farbe oder Verschieben innerhalb des Fensters! Zusätzlich ist auch die numerische Eingabe von Position und Größe der Objekte über eine spezielle Dialogbox vorgesehen. Und wie bei allen anderen Bemaßungen auch, haben Sie hier die Wahl zwischen Pixel und Zentimeter. Herz, was willst du mehr?

Setzen Sie das Objekt mittels Space-Taste oder Mausklick außerhalb des Objektrahmens ab, ist das ehemalige Objekt Teil einer Pixelgrafik. Diese Pseudo-Vektoren lassen sich nur im »Überschreibmodus« anlegen.

Neben den üblichen Grundfiguren haben Sie auch Zugriff auf echte (!) Bézier-Kurven, sowohl als offener Linienzug, als auch in Form von geschlossenen »Outlines«. Damit nicht genug, bei Bedarf wandeln Sie diese von Bezier in Kubistische Splines. Neben weiteren, gut gelungenen Features vermisse ich jedoch Kleinigkeiten wie Befehle zur Sprühdoseneditierung (Form, Größe, Dichte etc.) oder die Möglichkeit, die Linienbreite nicht nur für »Geraden« und »Pinsel« einzustellen. Ebenfalls schmerzlich vermißt: eine Minilupe und der Einsatz von Zeichenwerkzeugen in der allerdings recht flotten und mit drei Zoom-Einstellungen aufwartenden normalen Lupe.

Zu den elementaren Grafikfunktionen gehören natürlich auch das Markieren von Bildausschnitten mit Hilfe von reduzierenden Lassos, der Schere oder dem rechteckigen Bildausschnitt, auf Wunsch ebenfalls reduzierend. Neben dem üblichen Kopieren oder Auschneiden und diversen Spezialeffekten ist auch die Größenänderung und Positionierung der Blockinhalte mittels numerischer Eingabe in Dialogboxen vorhanden. Dabei scheint allerdings das Naheliegendste auf der Strecke geblieben zu sein. Das freie Skalieren und Drehen mit der Maus, sowie Biege- und Zerrfunktionen suchen Sie hier vergebens.

In der monochromen Darstellung haben Sie die Möglichkeit, Pufferinhalte durch eine »Filtermatrix« und/oder eine Kontrastbearbeitung, das »Histogramm«, laufen zu lassen. Diese Graustufenbehandlung erlaubt über vielfältige Schalter die Veränderung der Rasterung und Helligkeit. Digitalisierte Bilder oder als Schwarz-Weiß-Bild konvertierte Farbgrafiken lassen sich auf diese Weise optimieren, selbst die Skalierung solcher Vorlagen ist mit weniger Problemen behaftet. Bei der Darstellung von Farbgrafiken erblaßt dann selbst ein Pfauenauge vor Neid. Je nach Anzahl der zur Verfügung stehenden Farben stellen Sie das Mischungsverhältnis der einzelnen Farben über eine Farbauswahlbox ein, wie sie aus dem Kontrollfeld her bekannt ist. Dieser Farbselektor erlaubt die »Rot-Grün-Blau Wert«-Mischung jedes Farbtons in Promille-Schritten - Prost.

Öffnen Sie ein Bild, das mehr Farben oder andere Farbpaletten verwendet, als momentan zur Verfügung stehen, so bietet Papilion eine Farbkonvertierung an. Die Qualität der Grafik entscheidet sich unter anderem durch die Wahl der Zielpalette. Diese Art der Konvertierung schreit geradezu nach Experimentierfreudigkeit. Erfreulicherweise zaubert der Schmetterling im Farbmodus auch monochrome Bilder auf den Schirm bzw. stellt umgekehrt in der monochromen Auflösung Farbgrafiken als Graubilder dar. Auch hier stehen wieder vier Methoden zur Wahl. Neben den gängigen Atari-Grafikformaten verdaut Papillon im Rahmen des zusammenrückenden Europas auch das Amiga-Format ».IFF«, Mac Paint's ».MAC« und das IBM-PC-Format ».GIF«. Die (bislang schwarz-weiße) Druckausgabe geschieht über »GDOS. Wem das zu kompliziert ist, der greift am besten auf Signum!3 Color zurück, das ebenfalls das GEM-Format XIMG unterstützt.

Natürlich lassen sich im Rahmen dieses Tests nicht alle Funktionen aufzählen, wie z.B. die Texteinbindung mit Minimaleditor usw. Auch das ausführliche Handbuch mit vielen Grundfunktionen ist mit Sicherheit erwähnenswert. Papillon lohnt sich, sowohl für die Schwarzweiß-Malerei als auch für die farbige Bildverarbeitung und ist seinen Preis von 198 Mark allemal wert. (wk)

Applikation System Heidelberg, Englerstr.3,6900 Heidelberg

WERTUNG

Name: Papilion
Preis: 198 Mark
Hersteller: ASH

Stärken: 100% GEM-kompatibel □ bis zu 256 Farben □ Kombination von Faktor-Elementen in Pixelgrafik □ Farbkonvertierungen

Schwächen: Lupenfunktionen □ aktive Zeichenfläche beschränkt sich auf geladene Grafikgröße

Fazit: Derzeit die beste Empfehlung in Sachen Bild- und Grafikbearbeitung für den mittleren Geldbeutel.

Wer die Wahl hat, hat Papilion
Auch Schwarz und Weiß beherrscht der zeichnende Schmetterling

Andreas Wischerhoff
Aus: TOS 12 / 1992, Seite 34

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