Der Strom der professionellen Anwendungen mit dem ST reißt nicht ab. In Hessen arbeitet einer der größten privaten Radiosender Deutschlands mit einem ATARI ST. Jingles, Spots, Bumper, Beds und Stinger mit dem ST RADIO FFH macht's möglich!
100,2 MHz - inzwischen ist diese Frequenz diejenige, die an meinem Radio fest eingestellt ist. Auf dieser Frequenz sendet der hessiche Sender RADIO FFH rund um die Uhr sein Programm. Wenn es um punkt 16 Uhr wieder "RADIO FFH - Feierabend" heißt, sollten alle hessischen ST-Freaks das Radio aufdrehen, denn hier steuert ein Notator von C-Lab den sogenannten "Bumper".
8 MHz ist die Taktfrequenz des ST - 100,2 eine der FFH-Frequenzen. Ingo Gsedl, ein Musiker und Produzent aus Berlin, hat bei FFH seinen Arbeitsplatz gefunden. Inmitten von 16-Spur-Tonanlagen, Studios, Tonbändern, Sequencern und Keyboards arbeitet er mit dem ST neue Jingles aus, die das Radioprogramm unterstützen, verfeinern und interessanter machen sollen. Ein Großteil der Jingles stammt von "Killer Music" aus Los Angeles und wird von Ingo Gsedl in zahlreiche verschiedenste Variationen verwandelt (s. u.). Die Arbeit bei einem Radiosender ist allerdings meist sehr spontan, manchmal muß ein Spot innerhalb weniger Stunden oder gar Minuten produziert werden - in diesem Fall kann man natürlich nicht "mal eben" in Los Angeles produzieren lassen, sondern hier ist Zeit für Ingo Gsedls Auftritt. Mit einem ST, einem Unitor (einer erweiterten Schnittstelle zum Lesen und Schreiben des SMPTE-/EBU-Time-Codes mit zusätzlichen MIDI-Ein- und Ausgängen), einem Akai SIOOO, zwei Keyboards und vielem anderem Radiosender-Zubehör produziert er in Windeseile kurze Musikstücke, die dann unter der Sprecherstimme abgespielt werden. Ein Stück besteht dabei aus einem Bumper, einem Bed und einem Stinger, andere nur aus einem Bumper und einem Stinger. Bumper nennt sich der Anfang eines Beitrags. Wenn etwa der Sprecher "RADIO FFH - Wir küssen die Behörden wach" oder"5 vor4 - RADIO FFH - Nachrichten - ich bin Maren Mende, guten Tag" sagt, wird das mit einem Bumper gestartet. Nehmen wir zum Beispiel den RADIO FFH-Feierabend (montags bis freitags von 16 bis 18 Uhr): Wenn die Moderatorin Eva Mayer zwischen den Liedern einen vorproduzierten Beitrag abfährt, kann es oft vorkommen, dass eben dieser mit einem Bed unterlegt ist. Kommt es zum Schluß des Beitrags, wird es interessant: Sobald der Beitrag beendet ist, geht das Bed über in den Stinger - ein Stinger ist das Musikstück am Schluß eines Beitrags. Interessant dabei ist, dass Bumper, Bed und Stinger bei geschickter Überleitung harmonisch ineinander übergehen und man gar nicht merkt, dass es sich hier um verschiedene Stücke handelt, die jeweils von einer eigenen Bandmaschine gestartet wurden. Das vorproduzierte Band ist dabei länger als der längste zu erwartende Wortbeitrag, damit auf jeden Fall jede Stelle musikalisch unterlegt ist.
Programmelemente werden immer dann eintönig, wenn man sie zu oft hört.
Aus diesem Grund müssen viele verschiedene Jingles existieren, die zwar alle
auf dem gleichen musikalischen Thema basieren, sich aber verschieden
aufbauen.
Die Zusammensetzung solcher Jingles, die zwar unterschiedlich sind, sich
aber auf eine bestimmte Weise doch gleichen, fällt in der Zusammenarbeit
des STs in Verbindung mit dem Sampler leicht.
Die Killer Music-Stücke aus Los Angeles werden beispielsweise in
Einzelteile aufgesparten und neu zusammengesetzt. Hier und da kann
natürlich auch ein Solo-In strument hinzugefügt werden, um neue
Klangeindrücke zu erzielen. Auf diese Art und Weise entstehen immer
wieder neue Variationen eines Musikstücks und den FFH-Hörern wird es
nicht zu eintönig. Der Vorteil liegt auf der Hand: Trotz verschiedener Stücke
bleibt der Wiedererkennungswert erhalten und jeder Hörer weiß sofort,
welchen Sender er gerade eingeschaltet hat.
Der ST ist natürlich auch dazu zu benutzen, via MIDI-Schnittstelle und
TimeCode-Synchronisation zu den vorhandenen analogen Tonbandanlagen
beliebig viele Synthesizer und Sampler parallel zu betreiben und diese
gemeinsam mit den 16 Analogspuren der Bandmaschine über das Mischpult
abzumischen. In diesem Fall
stellt lediglich die Anzahl der Mischpultkanäle die Begrenzung der möglichen
imaginären "Spuren" dar. Beim späteren Abspielen des fertigen Bands fällt dann
nicht mehr auf, dass sich hier eigentlich viel mehr Spuren tummeln - vom ST
gesteuert. Bei der direkten Abmischung der Synthesizer und Sampler - ohne sie
auf die analoge Mehrspurmaschine aufzunehmen - steigt sogar die Tonqualität.
Damit ist die Reihe der möglichen ST-Anwendungen nicht beendet. Auch
Hallgeräte wie z.B. das "Lexicon LXP- 1 " werden mit dem ST angesteuert und
ediert. Dadurch ergeben sich Möglichkeiten, die mit den Bedienelementen des
Hallgeräts alleine nicht möglich wären. So lassen sich bei einem Effekt
beispielsweise die Hallzeit, der Frequenzverlauf oder das Feedback (also die
Anzahl der vorhandenen Echos) ohne große Schwierigkeiten verändern. Für diesen
Zweck hat sich Ingo Gsedl sogar eigens ein Programm geschrieben, das die
Aufgabe für ihn erledigt.
Die Frage, warum ein so großer Radiosender wie RADIO FFH sich mit einem ST
herumschlägt, ist recht einfach zu beantworten: Die Preise für digitale
Arbeitsplätze wie das SynClavier oder die Waveframe-Workstation, an denen
allein digital aufgenommen, geschnitten und abgemischt werden kann, liegen im
sechsstelligen Bereich. Natürlich ließe sich damit die Arbeit rationeller und auch
schneller bewältigen, hier aber reicht der ST (noch) aus  der findige Gsedl ist mit
dem Gerät mehr als zufrieden und möchte es auf keinen Fall mehr missen -
besonders die MIDI-Schnittstelle und die zahlreich vorhandenen Musikprogramme
haben es ihm angetan.
Wo Sie RADIO FFH hören können? Leider nur, wenn Sie in Hessen wohnen. In
diesem Fall allerdings müssen Sie einfach nur Ihr Radio auf UKW einschalten und
eine der folgenden Frequenzen wählen: Kassel 103,7; Eschwege 104,6; Dillenburg
100,0, Rimberg 100,3; Driedorf 106,8; Vogelsberg 104,8; Rhön 100,9; Frankfurt
100,2; Wiesbaden 102,0; Dieburg 90,1 und Südhessen 105,0. Inklusive
Nachrichten, Musik, Sport, Verkehrsfunk mit ARI-Piepser - und einem ATARI
ST.
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