TOPP avanciert zu einer der wichtigsten Atari-Seiten. Der letzte Coup war die Freigabe der Sourcen zu Teradesk.
Die Desktop-Welt auf dem Atari war eigentlich von jeher klar aufgeteilt. Am
Anfang war der GEM-Desktop, der sich in vier Jahren kaum veränderte, sieht
man einmal vom GEM-Desktop 2.2 einer niederländischen Firma ab. Dann kam
Gemini, der Desktop, der eigentlich lieber ein CLI (Command Line Interface,
Eingabe von Kommandos per Tastatur) sein wollte, denn die Profis schwörten
auf die Mupfel, obwohl auch der Mausteil Geminis einiges zu bieten hatte. Unter
der Haube schlummerte ein Protokoll, das auch heute noch wichtig ist: das
AV-Protokoll. Dann war da noch Neodesk, der Desktop aus den USA, der das
Schicksal vieler amerikanischer ST-Programme teilte: ein Dasein im Untergrund.
Der charmante Exot mit einem Hang zur Speicherverschwendung war No|Desk, von
der Software-Firma mit dem überkritischsten Firmennamen: no|Software.
Atari wachte irgendwann auf und präsentierte TOS 2.x/3.x, aber mit MagiC
und N.AES kamen neue Desktops: fortan regierte Jinnee bevorzugt unter MagiC und
Thing unter N.AES.
Da gab es aber noch einen kleinen Desktop aus den Niederlanden, der nie so
richtig beachtet wurde. Die Atari Inside widmete dem Programm einen Zweiseiter
und da dessen Leistungsfähigkeit kaum über TOS2.06 hinausging, kam
nur eine Empfehlung für TOS1.x-Besitzer heraus.
Der ungeteilten Aufmerksamkeit kann sich Teradesk aber jetzt sicher sein: es
ist der erste Open-Source-Desktop für den Atari. Wie sehnlich dieser
erwartet wurde, zeigte sich schon daran, dass Henk Robbers sich bei Joakim
Högberg schon vor dem Erscheinen auf TOPP das Programm sicherte. Das
bedeutet natürlich nicht, dass ihm das Programm jetzt gehört. Auch an
anderer Stelle löste die Neuigkeit Freude und erhöhte
Entwicklungstätigkeit aus: Martin Doering, einer der Programmierer des
Open-Source-TOS "EmuTOS" hat großes Interesse daran, sein TOS mit einem
vernünftigen Editor auszustatten. Dies ist nicht weiter verwunderlich,
denn momentan steckt im EmuTOS der einzige Open-Source-Desktop, der schnell an
den Atari anpassbar war: der PC-GEM-Desktop. Dieser Desktop kennt jedoch nur
zwei feste Verzeichnisfenster, was in der Praxis eher an eine grafische Version
des Norton Commander erinnert als an einen Desktop. Nun soll also Teradesk
Bestandteil von EmuTOS werden und eventuell wird sich auch so mancher
ST-Besitzer demnächst EmuTOS in Eproms brennen lassen, um es im ST zu
benutzen.
Ein glücklicher Zufall ist es, dass Henk Robbers kurz vor
Redaktionsschluß mit der Version 2.00 fertig wurde.
Philosophie
Wer sich von Teradesk einen Jinnee-Konkurrenten erhofft, der wird
enttäuscht sein, denn Teradesk ist nicht mehr und nicht weniger als ein
kompakter Desktop ohne aufwendige Extras - aber eben leistungsfähiger als
der PC-GEM-Desktop oder der Desktop des TOS 1.x. Der Desktop ist auch nur 126
KB groß und war auch für SingleTOS gedacht.
Von dieser Philosophie wird sich Teradesk teilweise verabschieden, denn es sind
zwei Versionen geplant: ein XA_Desk in XaAES mit stark modularem Aufbau und
Teradesk, das alles in einem Programm bündelt.
Start
Teradesk läuft unter SingleTOS, MagiC und NAES. Wenn das Betriebssystem
Farbicons unterstützt, werden diese von Teradesk auch dargestellt. Im
Vergleich zur Version 1.4 wurden außerdem viele Bugfixes für MagiC
und MiNT vorgenommen.
Nach dem Start baut Teradesk den Desktop mit vier Menüs auf.
Desktop
Der Desktop wird genauso bedient wie der Atari-Desktop. Auf die rechte
Maustaste wurde der Doppelklick gelegt. Damit bewegt man sich zwischen den
Verzeichnis wie beim Original. Auffällig unter MagiC sind die Farbicons,
die mit falschen Farben gezeichnet werden. Das liegt jedoch nicht an Teradesk,
sondern an der Resource-Datei mit den Icons, die auf der (unüblichen)
Falcon-Palette basiert.
Vorbereitet ist Teradesk auf den Einsatz von langen Dateinamen, die in der
Titelleiste der Fenster und in der "Nur-Text"-Ansicht angezeigt werden. Wird
auf Icon-Darstellung geschaltet, werden die Namen jedoch beschnitten. Eine
Spezialität in der Text-Darstellung, die in TOS 2.06 fehlt, ist die
Unterstützung von Vektorfonts. Das Programm hat dazu eine eigene
Fontauswahl.
Icons aus den Fenstern lassen sich auf dem Desktop als Verknüpfungen
ablegen.
Viewer inklusive
Wird auf eine Datei geklickt, für die kein eigener Viewer installiert ist, erscheint die vom Atari-Original bekannte Box "Anzeigen/Drucken/Abbrechen". Teradesk ist beim Anzeigen von Dateien nicht auf fremde Programme angewiesen, sondern bringt einen eigenen Viewer mit, der sauber in einem GEM-Fenster läuft und zwischen ASCII- und Hex-Ansicht umschaltbar ist. Editiermöglichkeiten bietet der Viewer keine und er kann auch keine Grafiken darstellen.
Fenster
In den Voreinstellungen können die Dialoge so umgeschaltet werden, das
sie in Fenstern erscheinen. Dabei werden jedoch die Fensterrahmen doppelt
gezeichnet. In den Dialogen findet sich eine weitere Neuheit: Teradesk
unterstützt die 3D-Bedienelemente von MagiC. Der 3D-Look ist jedoch noch
nicht durchgehend im Programm zu finden.
Bisher können jedoch die Fenster nicht minimiert werden und bei den
Verzeichnisfenstern kommt es beim Vergrößern durchaus mal zu
Grafikfehlern.
Eine sinnvolle Erweiterung im Vergleich zum TOS 2.x ist in der Dateimaske.
Teradesk hat zusätzlich eine Listbox mit häufig gewählten
Dateiendungen.
Einen Großteil der Änderungen...
...gab es im Bereich "Code Cleanup", d.h. der Programmcode wurde ordentlich entrümpelt. Immerhin sind sieben Jahre seit dem letzten Update vergangen. Einen zweiten Teil machten Anpassungen an MiNT und MagiC aus, denn Teradesk war ursprünglich für SingleTOS programmiert.
Die Diskussion im Usenet
Gleich nach der Verkündung, wer Teradesk weiterentwickeln würde, entstand eine muntere Diskussion. Da das Programm unter der GPL steht, muß auch Henk Robbers den Quellcode veröffentlichen. Er hat auch durchaus nichts dagegen, wenn auf Basis seiner Arbeit mehrere GPL-Desktops entstehen. Ein zweiter Entwickler hat sich mit Jo Skarstein angeündigt, der bisher durch seine Taskbar bekannt ist.
Fazit
Wenn Teradesk tatsächlich Teil des EmuTOS wird, könnte es für
viele Besitzer klassischer STs Zeit werden einmal über ein ROM-Upgrade
nachzudenken. Wer auf Atari oder Emulation schon jinnee oder Thing benutzt,
wird den ersten Open-Source-Desktop sicherlich nicht brauchen und es wird mit
Sicherheit einige Zeit dauern, bis Teradesk an diese beiden Desktops
heranreichen wird.
Zum Compilieren wird derzeit PureC benötigt. Dazu sind auch die Postings
in der Gruppe comp.sys.atari.st zu beachten, denn es gibt diverse
Compilationsprobleme - zumindest mit der Version 1.4.
http://members.ams.chello.nl/h.robbers/TERADESK.html
Matthias Jaap