Magische Äpfel: MagiC Mac, der ATARI-Emulator für Macintosh

Noch vor einigen Jahren staunte die Computerwelt nicht schlecht, als der damals 3000 DM „billige" ATARI ST problemlos den um Faktoren teureren Apple-Macintosh emulieren konnte. Jetzt, in den zweifellos etwas schwierigen ATARI-Zeiten, schickt sich die bekannte ATARI-Software-Firma Application Systems aus Heidelberg an, das Umgekehrte zu tun. Sie bringt mit „MagiC Mac" einen ATARI-Emulator für Apple-Macintosh-Computer.

Konnte man auf der „Mac World Expo" im September in Frankfurt die ersten Anfänge des Emulators auf einem Macintosh-Rechner sehen, wurde MagiC Mac bereits auf der proTOS in Hennef verkauft. Das Programmierteam rund um Thomas Tempelmann hatte ein schier unglaubliches Stück Arbeit vollbracht. Für unseren Test haben wir eine dieser proTOS-Versionen zur Verfügung gestellt bekommen. Bis auf einige kleinere Bugs läuft die Version schon erstaunlich stabil. Alle MagiC-Mac-Käufer der proTOS-Version bekommen das erste Update, das in diesen Tagen fertig sein dürfte, kostenlos zugesandt.

Prinzipielles

Der Emulator läuft auf allen Apple-Macintosh-Computern, die einen 68030er- oder 68040er-Prozessor beinhalten. Auf älteren Modellen mit 68000er- (z.B. Mac Plus) oder 68020er-Prozessoren kann MagiC Mac nicht funktionieren. Auch auf den neuen PowerMac-Maschinen mit der 601-RISC-CPU läuft MagiC Mac noch nicht.

Die Möglichkeit einer Anpassung auf PowerMacs wird derzeit noch geprüft. Sollten sich keine unüberwindbaren Probleme einstellen, wird es auf jeden Fall auch eine PowerMac-Version geben. In dem nebenstehenden Kasten „Die Macintosh-Familie" können Sie sich ein Bild der im Moment aktuellen Apple-Macintosh-Computer machen, auf denen der Emulator auf jeden Fall läuft.

MagiC Mac baut auf dem in ATARI-Kreisen wohlbekannten alternativen Betriebssystem „MagiC" (vormals MagiX!) auf, das schon seit einiger Zeit für STs und TTs erhältlich ist. MagiC ist TOS-kompatibel, unterstützt also (fast) alle Programme für ATARIs original TOS. Wer mehr über MagiC erfahren möchte, kann sich noch einmal unseren Test in der Ausgabe 1/94 durchlesen.

Die Portierung auf den Macintosh nutzt zunächst alle Möglichkeiten von MagiC aus, bietet aber zudem einige Neuerungen, die als Anpassung an ATARIs MultiTOS eingebaut wurden. Es ist damit schon eine Vorstufe des MagiC 3, das recht bald auch für die ATARIs verfügbar sein wird.

MagiC Mac läuft kooperativ mit dem Macintosh-Betriebssystem (Mac OS), das heißt, daß Macintosh-Applikationen gleichzeitig mit MagiC Mac und damit auch mit gestarteten ATARI-Programmen betrieben werden können. Dabei hat das MacOS allerdings Vorrang - eine Mac-Applikation kann also MagiC Mac die Rechenzeit sperren. Das hat allerdings den Vorteil, daß z.B. die eingebauten Netzwerkfunktionen des Macintosh im Hintergrund ungehindert weiterlaufen können. Das ATARI-Desktop (MagiC Mac benutzt hierfür „Ease") kommt generell im Fullscreen-Modus auf den Schirm, es handelt sich also nicht um ein Mac-Fenster. Man kann aber jederzeit durch eine Tastenkombination auf den Mac umschalten.

Grafikausgabe

MagiC Mac beinhaltet ein etwas abgespecktes NVDI, das für den Betrieb auf Macintosh-Computern angepaßt wurde. Dabei werden alle Auflösungen und Farbtiefen genutzt, die auch Mac-seitig zur Verfügung stehen. In der Praxis bedeutet das, daß MagiC Mac in der Auflösung hochfährt, die auf dem Mac-Desktop eingestellt war. Fast alle Macs bieten inzwischen 8-Bit Grafik an, also 256 Farben, und das bei Auflösungen von 14" (640 x 480) bis 20" (1152 x 870). Die Auflösung (832 x 624 in 75 Hz non interlaced) kann man dabei durchaus als Standard bezeichnen. Mit all diesen Grafikmodi hat MagiC Mac keine Probleme. Lediglich die 16-Bit-(32.000 Farben) und 24-Bit-True-Color-Auflösung kann unter MagiC Mac noch nicht verwendet werden; die passenden VDI-Treiber dafür sind aber schon in Vorbereitung. Übrigens: Eine Soundausgabe findet in der gegenwärtigen Version noch nicht statt. Eine Anpassung beispielsweise an die XBIOS-Funktionen des Falcon030-Sound-Subsystems (zumindest teilweise) wäre aber theoretisch denkbar.

Massenspeicher

Es gibt zwei unterschiedliche Möglichkeiten, unter MagiC Mac Massenspeicher zu nutzen. Zum einen kann man direkt auf das File-System des Macintosh zugreifen. Dazu läßt sich ein beliebiges Macintosh-Unterverzeichnis als ATARI-Partition anmelden. Alle Dateien in diesem Mac-Ordner erscheinen also sowohl auf der Mac-Festplatte als auch unter MagiC Mac. Natürlich können beide Betriebsysteme auf diese Dateien lesend und schreibend zugreifen. Ein solches Mac-Unterverzeichnis muß sich dabei nicht unbedingt auf der lokalen Macintosh-Platte befinden, es kann auch ein beliebiger Massenspeicher eines Appletalk oder Ethertalk-Netzwerkes sein. Was das bedeutet, wird einem erst auf den zweiten Blick klar: MagiC Mac ist automatisch netzwerkfähig, ohne daß irgendwelche ATARI-spezifische Software dazu gestartet werden muß! MagiC Mac kann sogar von einer solchen Partition booten. Nein, kein Traum!

Die zweite Möglichkeit besteht darin, direkt ATARI-formatierte und -partitionierte SCSI-Massenspeicher an die SCSI-Schnittstelle des Macintosh anzuschließen. Das Mac-OS kann damit natürlich zunächst nichts anfangen, wird aber MagiC Mac gestartet, werden diese Festplatten erkannt und als ganz normale ATARI-Partitionen unter MagiC zur Verfügung gestellt. Die Kompatibilität ist dabei so hoch, daß sogar der schnelle File-Kopierer „Kobold" im Turbomodus (also unter Umgehung des GEMDOS) auf die Platten zugreifen kann. Auch Festplatten-Tools und Optimizer funktionieren. In der Praxis bedeutet dies schlicht: Man kann Fest- und Wechselplatten, die noch mit ATARIs bespielt wurden, direkt am Mac unter MagiC Mac weiterverwenden. Besonders für die vielen DTP-Treibenden, die Unmengen an Wechselplatten-Cartridges im Regal stehen haben, ist dies eine enorme Arbeitserleichterung - zudem man unter MagiC Mac die Dateien problemlos von der ATARI-Platte auf eine Mac-Partition umkopieren kann.

Natürlich werden auch Disketten unterstützt. Apple liefert mit dem Mac-OS ein Kontrollfeld namens „PC Exchange" mit, das es ermöglicht, PC-formatierte Disketten zu lesen und zu beschreiben. ATARI-Disketten sind dem PC-Format sehr ähnlich, zumindest die ATARI-HD(1,44 MB)-formatierten Disketten werden von PC-Exchange direkt erkannt. Aber auch die meisten 720KB-Disketten können sofort benutzt werden. Lediglich bei einigen exotischen ATARI-Formaten, (10 oder 11 Sektoren pro Spur) gibt es Probleme, hier sollte man die Daten auf „normale" ATARI-Disketten umkopieren, um sie unter MagiC Mac nutzen zu können. Die Diskettenlaufwerke des Macintosh haben keinen Auswurfknopf. Sie werden generell per Software-Befehl ausgeworfen (motorisch). Darauf ist ein ATARI natürlich nicht vorbereitet. Zum Diskettenwechsel kann man einen Shortcut benutzen (Apfel-Shift-1). Er bewirkt, daß die eingelegte Diskette ausgeworfen wird.

RAM-Speicher

Alle Apple-Macintosh-Computer werden standardmäßig mit mindestens 4 MB RAM ausgeliefert. Nach dem Booten des MacOS stehen dem Anwender unter dem Mac-Betriebssystem (je nach OS-Version und installierten Systemerweiterungen und Kontrollfeldern) noch ca. 2,5 MB freier Speicher zur Verfügung. MagiC Mac versucht zunächst, allen verfügbaren Speicher für sich zu reservieren, was dazu führt, daß man in der Regel bei einem 4-MB-Mac knapp 2 Megabyte für ATARI-Programme frei hat. Wer einen Mac mit 8 MB oder mehr sein eigen nennt, kann diesen Speicher automatisch unter MagiC Mac nutzen. Allerdings darf dieser Speicher derzeit nicht die 16 Megabyte-Grenze überlappen. Man kann also entweder alles unterhalb, oder alles oberhalb von 16 Megabyte benutzen. Das klingt etwas verwirrend, hat aber schlicht technische Gründe. Das RAM wird übrigens als ST-RAM eingebunden. Alle Macs mit 030er oder 040er CPU unterstützen von Haus aus virtuellen Speicher, allerdings kann dieser unter MagiC Mac noch nicht verwendet werden. Mac-OS-Applikationkönnen aber weiterhin den virtuellen Speicher nutzen. In einer Konfigurationsdatei läßt sich festlegen, wieviel Speicher sich MagiC Mac maximal reservieren darf - der Rest bleibt für Mac-Programme frei.

Drucken

Macs haben generell keine parallele Schnittstelle. Dafür stellen sie mindestens zwei serielle Hochgeschwindigkeits-Ports zur Verfügung. Das wirft Probleme auf: Wie kann man seinen alten Drucker weiterverwenden, wenn dieser nur über einen parallelen Anschluß verfügt? Hier gibt es bereits kommerzielle Lösungen auf dem Mac-Markt. „Power Print" nennt sich ein Produkt, das die Signale von der seriellen Schnittstelle in parallele, Centronics-kompatible wandelt. MagiC Mac klinkt sich ATARI-seitig in die Betriebssystemfunktion zum Drucken ein und leitet die Daten auf die serielle Mac-Schnittstelle. Dort werden sie von der Power-Print-Hardware in parallele Daten gewandelt, und der Drucker druckt! Voraussetzung dafür ist allerdings, daß die ATARI-Software sauber über Betriebssystemaufrufe druckt und nicht versucht, die Druckerschnittstelle per direkten Hardware-Zugriff anzusprechen. Schwieriger wird es, wenn man auf Apple-Drucker ausdrucken will. Hier benötigt man ATARI-seitig spezielle Druckertreiber, die für den jeweiligen Apple-Drucker zuständig sind. So etwas gibt es natürlich noch nicht. Allerdings ist auch hier eine elegante Lösung in Sicht. Die Entwickler von MagiC Mac werden versuchen, die Macintosh-Zeichensätze auch mit ATARI-Software zu benutzen. In der Praxis heißt das: man druckt vom ATARI über SpeedoGDOS oder NVDI 3.0, MagiC Mac benutzt dafür die Mac-Fonts und druckt auf den im Mac-OS ausgewählten Drucker aus. Einfacher geht's nicht.

Tastatur/Maus

Wer schon mal an einem Mac gearbeitet hat, wird wissen, daß die Maus des Mac nur eine Maustaste hat. Die zweite Taste, die von einigen ATARI-Programmen genutzt wird, muß also über eine Tastenkombination emuliert werden. Ebenso die speziellen Tasten „Help", „Insert", „Delete", „Clear Home" und „Undo". Auf einer Apple-Tastatur werden diese durch Kombinationen mit der „Apfel-Taste" (beim Mac „Befehlstaste" genannt) ausgelöst. Es wird aber auf jeden Fall in Zukunft eine Zweitastenmaus von einem Drittanbieter unterstützt werden.

Geschwindigkeit

Die Geschwindigkeit der ATARI-Software unter MagiC Mac ist natürlich in erster Linie von dem verwendeten Macintosh abhängig. Wir haben MagiC Mac auf unterschiedlichen Apple-Modellen installiert und eine Reihe von Tests durchgeführt. Wie man in der Tabelle erkennen kann, sind die Apple-Rechner im Vergleich zu den ATARIs sehr schnell. Aber selbst eingefleischte Mac-User waren erstaunt, mit welcher Geschwindigkeit die ATARI-Software ihren Dienst auf den Äpfeln verrichtet. Besonders, wenn ein 68040-Prozessor zum Einsatz kommt, ist es ein wahre Freude, unter MagiC Mac zu arbeiten. Aber auch auf den „kleinen" PowerBooks mit 68030-CPU werden erstaunliche Ergebnisse erzielt. Gerade die Apple-PowerBooks sind besonders interessant, da das ST-Book von ATARI zum einen mit nur 1 MB Speicher und einem 8-MHz-68000er kaum sinnvoll einsetzbar ist und zum anderen nur sehr wenige davon gebaut wurden. Mit den PowerBooks von Apple wird es nun zum ersten Mal möglich, auch umfangreichere ATARI-Software, beispielsweise Calamus SL - mit den Farb-PowerBooks sogar in Farbe - unterwegs mobil einzusetzen.

Software-Kompatibilität

Nach erfolgreichem Booten des MagiC Mac erscheint die gewohnte „Ease"-Oberfläche, es lassen sich auch andere Desktops (z.B. Gemini) einbinden. Autoordnerprogramme und Accessories können genau wie beim ATARI mitgebootet werden. Wer gleich nach dem Einschalten des Macs die ATARI-Oberfläche erhalten will, kann MagiC Mac auch als „Startup-Item" anmelden. Man bekommt dann nicht mehr viel von dem Mac OS zu sehen. In der Kürze der Zeit konnten wir natürlich nicht besonders viele Programme unter MagiC Mac ausprobieren. Die wichtigsten Anwendungen, wie Calamus SL, Signum! 3, Phoenix, Twist II, Harlekin III, Pure C und einige andere mehr, laufen jedenfalls genau so, wie man es unter MagiC für den ATARI bisher gewohnt war. Schwierigkeiten gibt es nur mit Programmen, die versuchen, direkt auf ATARI-Hardware zuzugreifen. Diskettenkopierprogramme, wie Fcopy pro oder Ecopy, programmieren direkt den ATARI-Floppycontroller und können aus diesem Grund natürlich unter MagiC Mac nicht funktionieren. Auch die meisten Spiele sind von vornherein zum Scheitern verurteilt. Es gilt also auch hier, ähnlich wie bei dem Janus, der Medusa und dem Eagle: nur sauber programmierte Software läuft wirklich ohne Probleme. Wir werden in Zukunft neue ATARI-Software und Updates bestehender Programme auf MagiC-Mac-Tauglichkeit überprüfen und die Ergebnisse in den Testberichten erwähnen.

Erwähnen sollte man auch noch den speziellen Kompatibilitätsmodus. In dieser Einstellung läuft der Emulator generell mit 640 x 400 Pixeln in monochromer Darstellung. Darüberhinaus wird der ATARI-Bildschirmspeicherinhalt ständig in den Mac-Grafikspeicher kopiert. Dadurch läuft auch die Software, die direkt den Bildschirmspeicher des ATARI beschreibt oder gar dessen Adressierung verändert. Natürlich ist dieser Modus etwas langsamer, da das fortwährende Umkopieren einiges an Rechenzeit in Anspruch nimmt.

Resümee

Mit MagiC Mac werden in der Tat neue Horizonte geöffnet. Es besteht die Chance für viele ATARI-Anwender, die Hardware-Plattform zu wechseln, aber dennoch die vorhandene Software ohne große Einschränkungen weiter benutzen zu können; im Gegenteil, die Anwendungen laufen auf einem Mac mit 040er-Prozessor deutlich schneller und komfortabler als auf dem ATARI-Flaggschiff TT. Über eines muß man sich allerdings im klaren sein: auch der teuerste Mac kann die Audiomöglichkeiten des Falcon030 (bis zu 16 Spuren digitales Harddiskrecording mit DSP-Effekten) noch nicht ersetzen. Auch fehlt dem Mac die MIDI-Schnittstelle. Hier hat ATARI mit dem Falcon030 immer noch die Nase vorn! Wer aber auf Musikfähigkeiten verzichten kann und entweder höhere Rechengeschwindigkeit oder Portabilität benötigt (oder beides!), der sollte sich MagiC Mac unbedingt näher ansehen.

Preis: 298 DM

Positiv:

konsequente Integration des ATARI-Betriebssystems in das Mac OS
sehr hohe Arbeitsgeschwindigkeit in allen Bereichen
komplette Mac-Peripherie nutzbar
hohe Kompatibilität
gutes Preis-Leistungs-Verhältnis

Negativ

keine Soundausgabe
noch keine 16-Bit oder 24-Bit-Grafikunterstützung



Aus: ST-Computer 01 / 1995, Seite 36

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