Einstieg: XL als Arcade-System

In den frühen 80ern, auf dem Höhepunkt des Automatenbooms, wollte jeder mit ein bisschen technischem Hintergrundwissen Videospiele programmieren und mitverdienen. Jeder Hersteller von Arcade-Spielen probierte alle vorstellbaren Tricks, um das nächste "Asteroids" oder "Pac-Man" zu programmieren. Wenn dieser Versuch nicht zum Erfolg führte, wurden manchmal andere Ideen ausprobiert, um sowohl Spieler als auch Betreiber von Spielhallen zu begeistern. Der Einsatz von bewährten Konsolen- und Computer-Spielen in Arcade-Gehäusen war, in Verbindung mit dem einfachen austauschen der Spiele, eine dieser Ideen.

Mehrere Firmen probierten sich an diesem Konzept. Sega präsentierte einen Automaten, der mehrere Master System- und Mega Drive-Spiele enthielt. Die einzige Firma, die damit jedoch Erfolg hatte, war Nintendo. Das zum damaligen Zeitpunkt unglaublich populäre Nintendo Entertainment System wurde mit der PlayChoice-10-Serie in ein Automatengehäuse gepackt. So war Nintendo wieder in den Spielhallen präsent, auch wenn viele Spiele alles andere als Knüller waren ("Ice Climber", "Golf"). Die Idee setzte sich nie auf breiter Front durch und andere Projekte, die auf frei erhältlicher Hardware fußten, u.a. von American LaserGames, verschwanden in der Bedeutungslosigkeit. Atari hielt das Konzept nicht für gut genug, um es selber zu versuchen, obwohl eine Tochterfirma, Sente, den SAC-3 entwickelte, der auf Amiga-Hardware basierte - ein Automat mit dieser Hardware fand aber nie den Weg in die Spielhallen.

Atari gab jedoch eine Lizenz an eine andere Firma, Exidy, für ein Arcadesystem mit Atari-Computer-Hardware - ein Atari 600XL, um genau zu sein. Exidy nahm First Star Software unter Vertrag, die Modulbasierte Versionen von vier Spielen zu entwickelt. Die Spiele hießen Boulder Dash, Bristles, Flip and Flop und Astro Chase. Das System wurde ganz unbescheiden Max-A-Flex getauft. Die vier Spiele wurden extra für das System auf Modul veröffentlicht und sind daher ein seltenes Sammlerstück. Viele Sammler wissen allerdings nicht den Grund, warum sie so selten sind. Um sie zu spielen, ist glücklicherweise kein Max-A-Flex notwendig, denn sie laufen anstandslos in jedem Atari 800-kompatiblen Computer.

Exidy entwarf das Max-A-Flex-System, indem sie zunächst die Tastatur vom 600XL entfernten und sie an die Seite des Arcade-Gehäuses montierten. Dort befand sich auch das Original-Netzteil. Die Schnittstellen des Computers wurden um einen Composite Video-RGB-Konverter erweitert, um einen normalen Arcade-Monitor verwenden zu können. Zu guter letzt befand sich noch die speziell entwickelte Hardware im Gehäuse, um die Joysticks, den Timer und die Lautsprecher anzusteuern. Diese Platine wurde an das Keyboard-Interface angeschlossen. Weitere Drähte verbanden das System mit dem Automaten-Joystick und dem Münzschacht. Wenn ein Vierteldollar in den Schacht geworfen wurde, setzte das System aufgrund einiger Schalter den Timer in Betrieb. Nur so lange wie der Timer läuft sind die Kontrollen aktiv. Das Spiel wurde mit Start, Select, Option, Feuerknopf und einem Acht-Wege-Joystick gesteuert. Wenn nur noch zehn Sekunden Spielzeit übrig sind, erzeugt das Gerät einen Pieps-Ton, der in der Tonlage immer weiter erhöht wird. Die Lichter für "Insert Coin" (Geldstück einwerfen) und "Extend Play" (Spiel fortführen) fangen an zu blinken. Reagiert der Spieler darauf nicht und erreicht der Timer den Wert 0, werden die Kontrollen gesperrt. Ein Reset wird nicht durchgeführt, das Spiel kann also durch einwerfen eines Münzstücks fortgesetzt werden.

Exidy benutzte vorgefertigte Automatengehäuse, die auch von anderen Firmen benutzt wurden, wie z.B. Sega, die Pitfall 2 (ein Remake von Pitfall 2 mit besseren Grafiken) veröffentlichten. Die Grafiker entwarfen Artworks für das Gehäuse - so auch für die vier Exidy-Titel.

Das System war ein einziger Reinfall. Die Idee mag gut gewesen sein, aber nur Boulder Dash genoss einigermaßen Popularität. Immerhin war das Spiel rund um Rockford, der in einer Mine nach Diamanten suchte auf Heimcomputern ein grosser Erfolg und zog mehrere Nachfolger nach sich. Die anderen Spiele waren aber bereits auf Heimcomputern keine Verkaufserfolge. Das Dilemma für Exidy war, dass sie über keinen großen Spiele-Katalog verfügten, um dem System schnell weitere Titel zu spendieren - ein Problem, das Nintendo nicht hatte. Kaum ein Max-A-Flex-Automat fand seinen Weg in die Spielhallen und nur wenige wissen von ihrer Existenz.

Boulder Dash ist eines meiner Lieblingsspiele und die zwei anderen Arcade-Umsetzungen konnten nicht überzeugen. Von Exidys System habe ich von leidenschaftlichen Arcade-Sammlern erfahren, aber nie eines gesehen. Das änderte sich im Juli 2002, als auf eBay ein Boulder Dash versteigert wurde. Offensichtlich hatten nicht viele Leute davon gehört, oder es interessierte sie nicht. Die Auktion verlief ruhig und schließlich war der Endpreis nicht höher als für ein Spiel, das kein Klassiker ist. Mehr Bilder und die Geschichte, wie ich an ein echtes Max-A-Flex-Gehäuse kam, befinden sich auf [1] unter "Games in my collection -> Boulder Dash" link.

[1] www.arcadecollecting.com
[2] http://www.firststarsoftware.com/


Tim Lindquist
Aus: ST-Computer 05 / 2003, Seite 3

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