Interview mit Starglider-Programmierer Jez San: Alles aufs Spiel gesetzt

Jez, heute kennen Dich viele tausend Computerfans als Autor des rasanten Action- und Strategie-Spiels »Starglider«. Wie begann Deine Computer-Karriere?

»Als ich 13 Jahre alt war, steckte mich das Computerfieber in Form eines Tandy TRS-80 an. Es ließ mich in den folgenden Jahren nicht mehr los, so daß ich schließlich mit 18 von der Schule ging und in London alleine meine eigene Firma, genannt »Argonaut Software«, gründete.«

Was hast Du damals so alles programmiert?

»Angefangen hab’ ich mit ein paar Action-Spielen für den Commodore 64, die aber leider alle nicht besonders erfolgreich waren. Dann half ich bei der Umsetzung von 'Elite’ auf den C 64 und habe einige Kopierschutz-Routinen für Acorn entwickelt. In dieser Zeit lernte ich vom TRS-80 und BBC über den C 64, den Schneider CPC und IBM-PC bis hin zum Macintosh eine Menge unterschiedlichster Computer kennen und programmierte sie mit wachsender Begeisterung.«

Wie bist Du auf die Idee zu Starglider gekommen?

»Als ich mit diesem Projekt anfing, dachte ich, ich würde Elite für Rainbird programmieren. Doch dann hat diese Firma nicht die Rechte an Elite bekommen und mich gebeten, doch ein anderes 3D-Spiel zu schreiben. Als Fan des StarWars-Automaten entschloß ich mich, mein Spiel auch so ähnlich zu machen. Es sollte zwar die Star-Wars-Faszination enthalten, aber auf keinen Fall ein billiger Abklatsch sein.

So hat Starglider genau wie StarWars eine schnelle 3D-Vektorgrafik, aber im Gegensatz zu StarWars kannst Du umkehren und fliegen wohin Du willst. Probier das mal in der Spielhalle am StarWars-Automaten!«

Starglider basiert auf faszinierend schnellen 3D-Routinen für die Vektor-Grafik. Woher hast Du das Wissen über die ganzen mathematischen Grundlagen, die dafür nötig sind?

»Die Theorie mußt Du aus Büchern lernen und sie dann in die Praxis umsetzen, ausprobieren und perfektionieren, bis alles korrekt und für Deine Anwendung schnell genug läuft.«

Thema Geschwindigkeit: In welcher Sprache ist Starglider geschrieben? Ich vermute, in Assembler...

»Ich programmiere ausschließlich in Assembler. Auf dem Amiga und dem Atari ST ist mir der Devpac-Assembler am liebsten. Er ist schnell, und man kann den Quellcode sehr übersichtlich gestalten und ausführlich kommentieren.

Lediglich beim ABAQ, dem neuen Atari-Transputer, schreibe ich meine Routinen zuerst in C, teste sie und setze sie dann in Assembler um. Die Transputer-Maschinensprache ist nämlich ganz schön kompliziert im Vergleich zum 68000.«

Deine Firma ist nun rund vier Jahre alt. Bist Du immer noch Dein einziger Angestellter?

»Oh nein, wir sind mittlerweile acht Leute hier bei Argonaut Software, besitzen eigene Geschäftsräume und arbeiten an jedem neuen Projekt im Team, um es rasch fertigzustellen.

Ein gutes Beispiel für unser Teamwork ist Starglider II, das vor wenigen Wochen den letzten Schliff erhalten hat. Während ich alleine am ersten Starglider 18 Monate tüftelte, haben wir den komplexeren und Geschwindigkeitskritischen Starglider II zusammen in rund acht Monaten geschafft.

Mit mehr Leuten können wir uns auch mehr Zeit lassen für ein Programm. Wenn Du zwei Jahre an einem Spiel arbeiten könntest, dann würde es wesentlich besser, schöner und schneller werden, als wenn Du Dir nur ein Jahr Zeit dafür nimmst. Die Tücke ist dabei nur die, daß Deine Firma nach rund einem Jahr Pleite wäre, länger darf die Programmierung eines Spiels einfach nicht dauern. Die Lösung heißt für uns eindeutig Teamwork, wenn es um größere Projekte geht. Spiele-Umsetzungen auf andere Computer kann auch einer alleine machen.«

Was ist neu an Starglider II?

»Der größte Unterschied zur ersten Version sind die ausgefüllten Flächen. Starglider II ist trotzdem nicht langsamer als sein Vorgänger, der bekanntlich mit Vektorgrafik arbeitet. Vielleicht sogar einen Hauch schneller, wir sind uns da in der Firma nicht so ganz einig...

Außerdem gibt es sowohl für die Amiga- als auch für die Atari ST-Version nur eine einzige Diskette. Du legst diese Diskette in den Atari ein, und Starglider II läuft. Du legst genau die gleiche Diskette in einen Amiga ein, und Starglider II läuft. Gut, nicht?«

Der Atari hat aber doch ein anderes Aufzeichnungsformat wie der Amiga...

»Normalerweise ja. Aber wir haben unser eigenes Diskettenformat geschaffen, bei dem rund 500 KByte Daten auf eine Diskettenseite passen. Ein kleiner Programmierkniff, und schon lesen beide Computer ein und dieselbe Diskette. Das spart Produktionskosten und ist Computerfreaks gegenüber fairer, die sowohl einen Atari ST als auch einen Amiga besitzen.

Zu 90 Prozent besteht Starglider II überdies aus Routinen, die für beide Computer identisch sind. Nur 10 Prozent des gesamten Codes sind computerspezifisch. Deshalb gibt es für den Atari ST und für den Amiga auch nur ein einziges Programm. Wenn ein Zugriff auf die computerspezifischen Routinen erfolgt, erkennt das Hauptprogramm automatisch den verwendeten Computertyp und stellt in Echtzeit die richtigen Routinen zur Verfügung. Wenn ein Spiel mehr als 10 Prozent computerspezifischen Code enthält, dann ist es meiner Meinung nach kein Spiel mehr, sondern eine Grafik-Demo.«

Hättest Du nicht mal Lust, eine richtig schöne Textverarbeitung oder eine Datenbank zu schreiben?

»Wenn wir bei Argonaut Software jemals etwas anderes als Spiele machen sollten, dann höchstens Assembler, Editoren oder Grafik-Utilities, Animations-Pakete und solche Sachen. Aber ich werde niemals ein langweiliges Business-Programm wie eine Dateiverwaltung oder sowas entwickeln. Wir programmieren doch nicht ein Jahr lang an etwas, das uns gar nicht interessiert! Natürlich müssen wir auch Geld verdienen, klar, aber das ist noch lange kein Grund für uns, unsere Zeit mit solch uninteressanten Sachen zu verschwenden.«

Eine faszinierende Computer-Karriere made in England: Jez San fing mit 13 Jahren an, Heimcomputer zu programmieren und gründete bereits mit 18 seine eigene Software-Firma. Heute arbeiten sieben festangestellte Programmierer und eine Vielzahl freiberuflicher Software-Artisten für den 22jährigen Firmenboß, der in den Londoner Geschäftsräumen eifrig an neuen Spielen arbeitet. Wir sprachen mit »Mr. Starglider« über Philosophien, Programmier-Prinzipien und zukünftige Projekte. Sie erfahren unter anderem, was Jez vom Atari Transputer hält, wie er sich seinen Spiele-Traumcomputer vorstellt und mit welchen Überraschungen »Starglider II« aufwartet.

Stichwort Assembler: Gibt es da schon konkrete Pläne?

»Nun ja, ein Assembler würde mich schon reizen. Ich kenne zwar HiSoft und viele Privatleute sehr gut, die schon so etwas programmiert haben — aber wenn ich denen meine Ideen erzähle, wie man bestimmte Routinen schneller machen könnte, dann winken sie nur ab. »Zu schwierig einzubauen«, sagen die einen, »oh nein, nicht mehr in der Version«, meinen die anderen. Irgendwann schreibe ich meinen eigenen Assembler. Wer weiß, vielleicht schon bald...«

Kennst Du eigentlich irgendwelche deutschen Programme?

»Hm, laß mich nachdenken. ’XTron’ hab ich mal gesehen (der Vorgänger des Action-Spiels Typhoon’, Anm. der Red.), ansonsten fallen mir jetzt nur ein paar Utilities ein, ein Disk-Monitor zum Beispiel.«

Was hältst Du von diesen Programmen?

»Technisch perfekt geschrieben, doch. Aber leider fällt mir in diesem Zusammenhang immer wieder ein, daß es auch sehr viele Deutsche gibt, die ihre Programmierkünste nur zum Knacken von Software ersetzen. Das ist verrückt! Sie verschwenden dadurch nur ihr Talent und verdienen nichts dabei. Statt dessen könnten sie mit ihrem zweifellos sehr hohen Computerwissen tolle Spiele schreiben und viel Geld damit machen. Klar, in anderen Ländern wird auch geknackt und raubkopiert, aber nirgends ist es so schlimm wie in Deutschland.«

Zurück zu Deiner Firma: Mit welchen Geräten arbeitet Ihr bei Argonaut Software?

»Bei uns stehen rund zehn Amigas herum, ein paar STs, zwei oder drei IBM-PCs, ein HP-Laserdrucker, ein paar Archimedes, ein ABAQ und ein 68000-Emulator.«

Ein 68000-Emulator?

»Ja, das ist ein Hardware-Zusatz, der uns die Fehlersuche gewaltig erleichtert. Das Gerät verhält sich wie ein 68000-Prozessor und ist auch genauso schnell. Nur — wenn ein Programm abstürzt, dann kann ich mir jederzeit die 2000 Befehle ansehen, die der Emulator zuletzt abgearbeitet hat. Dann wird schnell klar, wo der Wurm steckt.«

Welches ist denn Dein Lieblings-Computer?

»Bislang war es der Amiga, wegen seiner tollen Grafik und dem guten Sound. Aber seit neuestem komme ich nicht mehr vom Transputer weg. Der Atari ABAQ ist ein faszinierendes Gerät, zumindest, was die technischen Daten anbelangt. Aber es ist mit ihm wie mit jeder anderen Workstation auch: Ich würde sie nur dann kaufen, wenn ich sie auch wirklich bräuchte. Zum Experimentieren ist der ABAQ einfach zu teuer. Ich glaube auch nicht, daß sich am Preis noch sehr viel ändern wird.«

Du beschäftigst Dich aber dennoch gern mit dieser Maschine...

»Ich liebe die Technik, die in dem Gerät steckt. Der ABAQ hat einen leistungsstarken Prozessor, einen schnellen und vielseitigen Blitter und jede Menge RAM. Ach ja — und natürlich eine Super-Farbgrafik. Er ist perfekt!«

Perfekt?

»Fast jedenfalls. Schade ist, daß ein ST noch mit drinsteckt. Der macht den ABAQ langsamer und bremst die Festplatte. Und der Transputer produziert auch keine besonderen Sound-Effekte, da er die Tongeneratoren des ST verwendet. Was soll’s — der ABAQ ist eben für den wissenschaftlichen Markt konzipiert, und da braucht man keine Geräusch-Effekte. Den ST sollten sie aber gerade deshalb schleunigst aus dem Transputer verschwinden lassen und statt dessen schnelle Ein-/Ausgabe-Prozessoren einsetzen.«

Wie stellst Du Dir dann Deinen Traum-Spielecomputer vor?

»Meine Wunsch-Maschine müßte digitalisierte Sound-Effekte per DMA wiedergeben können, ohne den Prozessor zu verlangsamen. Mindestens vier Tonkanäle bräuchte ich, und acht Bit Auflösung pro Kanal würde vollkommen ausreichen, alles andere schluckt zu viel Speicherplatz.

Die Grafik sollte horizontal und vertikal pixelweise rollbar sein, den Bildschirmspeicher muß ich frei im ganzen Speicher verschieben können. 4096 Farbtöne sind schon ganz nett, 16 Millionen wären auch nicht zu verachten. Gleichzeitig darstellbar müssen gar nicht allzu viele Farben sein, das kostet nur Speicherplatz und Rechenzeit beim Verschieben und Kopieren von Grafikblöcken.«

Sprites?

»Wenn schon, dann aber mindestens 32 Pixel breit und hoch. Am besten mit hardwaremäßiger Vergrößerung und Verkleinerung, wie es bei vielen Spielhallen-Maschinen schon Standard ist.«

Apropos Spielhallen: Stimmt es, daß es Starglider bald auch als richtigen Spielautomaten gibt?

»Ja, Bally macht das gerade in Amerika. Die haben die Amiga-Version von Starglider an die Spielhallen-Erfordernisse angepaßt. Das heißt, das Spiel beginnt zwar leicht, treibt dann aber auch sehr schnell den Schweiß auf die Stirn. Außerdem ist es jetzt rund dreimal schneller als der Heimcomputer-Vorläufer.«

Moment — angepaßte Amiga-Version? Welche Hardware steckt denn in den Starglider-Automaten?

»Du ahnst es sicher schon: eine kräftig modifizierte Amiga-Platine. 2 MByte ROM sitzen in jedem Starglider-Automaten und enthalten jede Menge Werte-Tabellen für die 3D-Grafik-Routinen. Das ist der Grund für die enorme Geschwindigkeits-Steigerung.

Außerdem hat Bally noch einen neuen, besseren Soundchip integriert, der von einem eigenen Prozessor gesteuert wird.«

Mit 18 schon eine eigene Firma, wenige Jahre später sieben Angestellte und eigene Geschäftsräume in London. Kommt man da nicht gelegentlich ins Grübeln, was passiert, wenn die Erfolgsserie einmal abreißen sollte?

»Noch sieht die Zukunft rosig für uns aus. Wir haben einen Bereich im Computermarkt gefunden, von dem wir wissen, daß wir gut darin sind. Solange wir nicht zu viel verschiedene Sachen machen, werden wir auch unsere Stellung halten und ausbauen können. Das ist mit ein Grund, weshalb wir keine Datenbanken und so Zeug machen wollen.

Action-Spiele interessieren uns alle hier in der Firma, da wir noch sehr jung sind. Ich bin der Zweit-Älteste von Argonaut Software. Und wenn uns Spiele irgendwann keinen Spaß mehr machen sollten, dann programmieren wir eben was anderes.

Der Firma geht’s übrigens prächtig. Wir hoffen, nächstes Jahr doppelt so groß zu sein!«

An welchen Projekten arbeitest Du denn zur Zeit?

»Im Moment schreibe ich einige Grafik-Routinen für Helios, das ABAQ-Betriebssystem... und an einem flotten Flugsimulator für Atari ST und Amiga. Aber mehr will ich über den noch nicht verraten. Laßt Euch überraschen, in einem halben oder einem Jahr müßte er fertig sein.«

Wir wünschen gutes Gelingen! (Toni Schwaiger)

Jez Sans »Starglider« begeistert Atari ST- und Amiga-Fans durch schnelle Vektor-Grafik

Toni Schwaiger
Aus: ST-Magazin 05 / 1988, Seite 21

Links

Copyright-Bestimmungen: siehe Über diese Seite