Die Logiker: Anita Sinclair ist an den besten ST-Adventures beteiligt

Anita Sinclair gehört zu den englischen Adventure-Spezialisten von »Magnetic Scrolls«. Sie war an der Programmierung von Klassikern wie »The Pawn«, »Guild of Thieves«, »Corruption« und, gerade neu hinzugekommen, »Fish« beteiligt. Anita, 1962 im englischen Baconsfield geboren, verfügt mit ihren 26 Jahren schon über eine beachtliche Programmiererfahrung. Zur Computertechnik kam sie aber eher durch Zufall.

Nach der Schule nahm Anita zunächst an einer Sekretärinnen-Ausbildung teil. Ihre Begeisterung für diesen Beruf war eher gedämpft, so daß sie danach in ganz unterschiedlichen Bereichen arbeitete.

1980 baute Anita in ihrer Freizeit einen »UK101« (ein »Superboard«-Clone) zusammen und fing mit dem Programmieren an. Als 1984 der Sinclair QL herauskam, beschlossen die Computerspiele-Fans Anita und der befreundete Ken, Spiele für den 68000-Prozessor zu schreiben: Sie gründeten Magnetic Scrolls. Seitdem sind die beiden die erste Adresse für elektronische Abenteuer auf allen gängigen Computern.

Auch Anita wundert sich, wieso es so wenig weibliche Programmierer gibt: »Vielleicht liegt es am maskulinen Konzept der meisten Computerspiele, in denen es oft nur ums Kämpfen und Verteidigen geht. Frauen haben ein natürliches Organisationstalent. Sie finden sich deshalb häufig im Software-Marketing wieder. Viele Frauen scheinen aber von Dingen abgeschreckt zu sein, die mechanisch sind oder viel Konzentration erfordern.

Außerdem passen Computer und verheiratete Frauen mit Kindern und Haushalt nur selten unter einen Hut.«

Anita programmiert selbst nur auf dem ST und dem Apple Macintosh. Der ST fasziniert sie, »weil man sich hinsetzt und eine Idee programmieren kann, ohne daß die Hardware im Weg ist«. Auch wenn Anita das Hardware-Design für altmodisch hält, gefällt es ihr, »daß ich mit dem ST in fünf Minuten das programmiere, wofür ich mit anderen Computern drei Tage brauche«. Vom neuen ST erhofft sich Anita bessere Grafik mit mindestens 256 Farben gleichzeitig, 4 MByte RAM und digitalem Sound. Bis es soweit ist, arbeitet Anita, die am liebsten alleine in der Nacht programmiert, an neuen Adventures oder widmet sich ihrem zweiten Hobby: dem Schachspielen, dem Anita Sinclair besonders gerne ihre Zeit opfert.

Guild of Thieves: Sie versuchen, einer Gaunerbande beizutreten.

Programmentwicklung auf MicroVAX

Wie alle Magnetic Scrolls Adventures, so wurde auch »Guild of Thieves« auf der hauseigenen »MicroVAX« entwickelt. Das Multiuser-System läuft unter Unix, besitzt eine große Festplatten-Kapazität und, sehr wichtig, arbeitet absolut zuverlässig. Die Entwicklung von »Guild of Thieves« zog sich über 18 Monate hm. Ideen und Texte kamen von einem freien Mitarbeiter, Ken und Anita übernahmen die Programmierung.

Alle MS-Adventures sind in einer speziellen Programmiersprache namens »Eltham« geschrieben. Professionelle Zeichner bekommen die Story und entwickeln die Grafik außer Haus. Die meiste Zeit nimmt das Entfernen von Fehlern in Anspruch: »60 Prozent eines Spiels sind schon fertig, wenn wir anfangen. Oft brauchen wir 90 Prozent der Zeit für die letzten 10 Prozent des Programms. Das Debugging dauert mindestens ein halbes Jahr. Zu den schwierigsten Dingen gehört dabei die Spiellogik. Probleme gibt’s zum Beispiel, wenn in der Handlung außer dem Spieler noch andere Personen auftauchen. Die können einiges durcheinanderbringen.«

Für zukünftige Adventure-Schreiber hat Anita vor allem zwei Ratschläge: »Nehmt Euch viel Zeit, denn das Debugging dauert in der Regel am längsten. Die Schönheit eines Adventures kommt vom Text. Allerdings können die meisten Leute nicht gut schreiben. Der Verfasser muß also sehr gut sein. Wir setzen deshalb auch nur professionelle Autoren ein.«

Nach dem neuen Adventure »Fish« sind wir schon gespannt auf Anitas nächstes Projekt.

(T. Bosch/hb)


Tarik Ahmia
Aus: ST-Magazin 01 / 1989, Seite 146

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