Neue Horizonte: Die Marktchancen des Falcon 030

Drei Monate sind seit der Premiere des Falcon030 in Düsseldorf vergangen. Drei Monate Zeit für Entwickler, ihre Erfahrungen produktiv unter Beweis zu stellen. Die vorerst abwartende Haltung hat sich ins Gegenteil verkehrt, erste Applikationen offenbaren die Spitze des »Softeisbergs«

Spätestens seit den »Frankfurter Enthüllungen«, bei denen Atari das Schweigen um den Falcon030 brach, zeigte sich die Fachwelt von den Fähigkeiten der neuen Hardware beeindruckt. Weniger beeindruckt zeigten sich aber anfangs die Leute, die den schlummernden Fähigkeiten des Falcon zur Blüte verhelfen sollten - die Entwickler und deren Vertriebsfirmen, von denen viele zunächst in abwartender Lauerstellung verharrten.

Wie interessant der Falcon für Hard- wie Softwarehersteller mittlerweile ist, zeigt sich im gesteigerten Engagement der Firmen, bereits vorhandene Produkte anzupassen und weitere zu entwickeln. Bereits drei Monate nach seiner Premiere in Düsseldorf gibt es ein Vektor-Präsentationsprogramm für True Color, eine Anwendung zur Videonachbearbeitung und einen Hard-Disk-Recorder mit digitalen Effekten zu bestaunen.

Auf dem Hardware-Sektor dürfen sich Freunde von mehr Auflösung auf 880 x 608 statt 640 x 480 Pixel in VGA-Qualität freuen. PC-Emulatoren sind ebenfalls in Arbeit. Allen gemeinsam ist die konkrete Ausnutzung der neuen Hardware. Und: Die Entwickler greifen auf eine langjährige Erfahrung mit Atari-Computern zurück, benötigen also keine Einarbeitungszeit in ein komplett neues Betriebssystem. Während 1985 Dialogboxen, Menüs und Fenster absolutes Neuland darstellten, tilgt die Programmierung einer benutzerfreundlichen Oberfläche heute einen Bruchteil der damals benötigten Zeit.

In kurzer Zeit wird sich die Basis weiter verbreitern. Gerade in den Bereichen Grafik, Musik und Multimedia läuft die Entwicklung auf Hochtouren. Wie wäre es etwa mit einem 4-Spur-Tonbandgerät mit integriertem Mischpult - rein digital, versteht sich. Wie viele Musiker geben viel Geld für ein paar Stunden im Tonstudio aus, ohne dessen Möglichkeiten auch nur ansatzweise auszunutzen? Effektgeräte für Instrumente oder die eigene Stimme sind ebenfalls teuer, von einem 16-Bit-Sampler ganz zu schweigen. Hier könnte der Falcon als preiswerte Alternative einspringen. Gleiches gilt für das Thema Video.

Musik und Video mit dem Falcon

Videorecorder und -kameras sind längst kein unerschwingliches Statussymbol mehr und der Qualitätsanspruch steigt ständig. Da muß der Urlaubsfilm in Dolby-Stereo-Suround klingen und in einem professionellen Vor- und Abspann gipfeln - mit Daddy als Kameramann, Produzent und Regisseur. Der Falcon zwingt sich förmlich als Mittel zur Video-Vertonung und Nachbearbeitung auf.

Dank MIDI gelten Ataris fast traditionsgemäß als der Musikcomputer schechthin. Mit den neuen Möglichkeiten findet vielleicht auch der Falcon seinen Weg in die professionellen Studios, etwa als Low-Cost-Sampler mit High-End-Features. Die Vormachtstellung in Sachen Video nimmt derzeit Commodores Amiga ein. Gute Software entscheidet jetzt über den Markteinfluß des Falcon auf diesem Gebiet, seine Fähigkeiten sind unbestritten.

Euphorie ohne Grenzen, denken Sie? Die Entwicklung der Entwickler innerhalb der letzten drei Monate zeigt einen klaren Trend: Bis zur endgültigen Markteinführung des Falcon in großen Stückzahlen, greifen die Anwender bereits auf ein Potential hochkarätiger Software zurück, von den existenten Größen ganz zu schweigen.

Das große Fragezeichen im Markt bleiben die Spielehersteller. Sie entscheiden mit über den Erfolg eines Computers, gerade bei der jüngeren Generation. Laut Atari sind auch in diesem Sektor verstärkt Aktionen bemerkbar, mehrere Spiele in Vorbereitung. Und die Zeit bleibt nicht stehen.


Armin Hierstetter
Aus: TOS 12 / 1992, Seite 16

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