Was dem Handwerker sein Henkelmann, ist dem Manager sein Henkelmac. Als "Macintosh Portable" macht Apple sein Erfolgsmodell jetzt tragbar und dringt in die Domäne der PC-Laptops ein.
Ein Macintosh als Laptop? Warum nicht? Unsere Gesellschaft wird immer mobiler, und Computer machen den Geist mobil. Daher ist es ein logischer Schritt, wenn man eines Tages auch seinen Macintosh mitnehmen kann", orakelte Apples Entwicklungschef Jean Louis Gassö noch auf der Computermesse Mac-world Mitte August in Boston. Mehr durfte er nicht sagen, um nicht seinem Neuling die Schau am 20. September zu verderben: An diesem Tag fand weltweit in mehreren Städten gleichzeitig die Premiere des mysteriösen Macintosh-Laptops mit dem Tarnnamen "Esprit" statt, über den bereits seit eineinhalb Jahren spekuliert wird.
Am generalstabsmäßig vorbereiteten 20. September hat Apple nun das Geheimnis gelüftet. Der Neue heißt "Macintosh Portable" — obwohl er eigentlich ein Laptop ist — und kann alles, was ein herkömmlicher Macintosh auch kann, nur eben mit Batteriebetrieb. Statt sensationeller Neuerungen bietet er ohne Einschränkungen sämtlichen Komfort und alle Leistungsmerkmale, wie man's vom Macintosh gewohnt ist.
Zur Technik des Macintosh Portables: Für Geschwindigkeit sorgt sein mit 16 MHz getakteter Motorola-68000-Prozessor. Damit arbeitet der Portable knapp doppelt so schnell wie ein Macintosh SE (68000-Prozessor mit 8 MHz), aber langsamer als ein Macintosh II (68020-Prozessor mit 16 MHz). 1 MByte Speicher und 256 KByte ROM gehören ebenso zur Grundausstattung wie das 3,5-Zoll-Laufwerk mit 1,44 MByte Kapazität. Es faßt rund 75 Prozent mehr Daten als die herkömmlichen 800-K Byte-Laufwerke des Macintosh II und kann neben den Mac-Disketten auch 3,6-Zoll-Disketten im MS-DOS- und Apple-II-Format lesen und beschreiben. Das ist ideal, um Dateien (nicht aber Programme) von einem Computer auf den anderen zu übernehmen.
Die schnelle 40-MByte-Festplatte mit 28 ms Zugriffszeit gehört allerdings nicht zum Lieferumfang der Grundversion. Sie ist robust, stoßgeschützt und kostet knapp 3000 Mark Aufpreis. Das ist sogar noch relativ preiswert, wenn man bedenkt, daß der Macintosh Portable in der Grundversion stolze 13500 Mark kostet. Eine Summe, für die man beim freundlichen Autohändler nebenan bereits einen neuen Kleinwagen bekommt.
Für Apple ist dieser Preis gerechtfertigt. "Unser Portable ist kein Kompromiß wie andere Laptops, sondern ein vollwertiger Computer. den der Anwender auf dem Schreibtisch genauso einsetzen kann wie unterwegs", so Gerhard Jörg, der Geschäftsführer von Apple Deutschland.
Drei Detaüs unterscheiden den Macintosh Portable von anderen Laptops: Die vollständige Tastatur inklusive Trackball, der brillante Monitor und ein ausgefuchstes Strom-Management. Für die Stromversorgung setzt Apple auf Blei-Akkus statt wie andere Hersteller auf leichtere Nickel-Cadmium-Akkus (siehe HAPPY-COMPUTER 9/89, 'AufSparflamme”). Während nämlich letztere kontinuierlich Spannung abgeben und dann fast schlagartig entladen sind, verlieren die Blei-Akkus nur langsam an Leistung. Dadurch kann der Computer den Zustand der Akkus ständig prüfen und den Benutzer rechtzeitig warnen. Andere Laptops geben dagegen oft schon wenige Minuten nach der Warnung wegen Strommangels den Geist auf.
»r überzeugende innere Werte: Der neue Macintosh Portable. Das flimmerfreie LC-Display n lesbar, bei denen andere LC-Monitore passen müssen.
Das neue Accessory "Batterie" (ein Accessory ist ein Programm, das jederzeit — auch aus anderen Programmen heraus — aufgerufen werden kann) gibt dem Benutzer alle Informationen über den Zustand des Akkus. Im sog. "Kontrollfeld” stellt man zusätzlich ein, wieviel Zeit verstreichen soll, bis sich der Portable selbsttätig abschaltet. Ein eigener Mikroprozessor wacht nämlich über den Stromverbrauch und versorgt nur die Teile mit Strom, die momentan gebraucht werden. Wenn der Prozessor für einen bestimmten Zeitraum keine Eingabe registriert, schaltet er den Computer auf Sparflamme: Er bremst ihn auf 1 MHz Taktfrequenz und dreht der Festplatte und dem Monitor den Strom ab. Ein einziger Tastendruck genügt dann, um ihn aus dem selbstaufer-legten Schlummer zu wecken. Programme und Daten werden dabei nicht gelöscht.
Durch die geschickte Einteilung der Stromreserven kann man nach Apples Angaben sechs bis zwölf Stunden (je nachdem wie stark die Festplatte, der größte Stromfresser, benutzt wurde) mit dem Portable arbeiten, bevor man den Blei-Akku wieder aufladen muß.
Der Speicherinhalt bleibt übrigens auch erhalten, wenn man den Akku gegen einen anderen wechselt. Eine zusätzliche 9-V-Pufferbatterie schützt den Speicher nämlich gegen kurzzeitige Stromunterbrechungen. Das ist nicht nur praktisch für den Akku-Wechsel (man muß das Gehäuse öffnen, um den Akku herauszunehmen), sondern auch dann, wenn man mit Netzanschluß arbeitet. Kurze Stromausfälle. sog. "Netzwischer”, verlieren ihren Schrecken. Auf Reisen in andere Länder macht das "Intelligente Netzteil”, wie das Schaltnetzteil in Fachkreisen genannt wird, eine gute Figur, weil es sich automatisch auf Spannungen zwischen 70 und 270 V einstellt. So kann man den in Deutschland (220 V) gekauften Portable auch in den USA bei 110 V betreiben. Man braucht allerdings trotzdem einen Adapter, weil in den USA andere Stecker für den Netzanschluß gebräuchlich sind.
Apropos reisen: Trotz Blei-Akku wiegt der Macintosh Portable mit Festplatte nur 7,16 kg, ohne sogar nur 6,4 kg. Zum Vergleich: Der AT-kompatible "Compaq SLT" wiegt 6,3 kg, der AT "Goupü Golf’ sogar 8,5 kg, obwohl dieser Portable keine Akkus besitzt. Wie beim Golf gehört auch beim Macintosh eine gefütterte Tasche zum Lieferumfang. Sie ist auch bitter nötig, weil der Handgriff des Portables an der Oberseite des handkantenbreiten Monitors angebracht ist. Wer ihn am Henkel trägt, lebt in der ständigen Angst, daß sich der Laptop öffnen und der Monitor abreißen könnte.
Der flimmerfreie Schwarz-weiß-LC-Monitor ist das zweite Extra des Portables. Er besticht durch besonders schnellen Bildaufbau. Während der Mauszeiger auf anderen LC-Displays bei ruckartigen Bewegungen verschwindet oder sein Bild verwischt, zeigt der Apple-Monitor den Zeiger stets klar und an der richtigen Stelle. Auch beim Verschieben von Fenstern verschmieren die Konturen nicht. Das Geheimnis des sog. "Active Matrix Displays" liegt in einer Transistorsteuerung für jeden einzelnen Bildpunkt (siehe HAPPY-COMPUTER 9/89), statt eines Transistors für eine Pixel-Gruppe. Das Display besitzt einen Durchmesser von knapp 10 Zoll, stellt 640 x 400 Bildpunkte monochrom mit quadratischen Pixeln dar und ist wie beim Macintosh SE etwa so breit wie eine DIN-A4-Seite.
Gewohntes auch bei der Tastatur: Sie hat die Macüblichen 63 Tasten inklusive der Umlaute, und ihr Layout entspricht der Standard-Tastatur des Macintosh. Allerdings ist ein Trackball an der Stelle des numerischen Tastenblocks eingesetzt. Der Trackball, von Apple "Integralmaus" genannt, funktioniert wie die gewohnte Maus, nur daß man direkt die Kugel dreht, statt das Kästchen und damit die eingebaute Kugel über den Tisch zu bewegen. Der Vorteil liegt auf der Hand: Man braucht keinen zusätzlichen Platz für die Mausbewegungen, was im Flugzeug von Vorteil ist.
Das leicht schräggestellte Tastaturfeld (der Portable ist auf der Rückseite 5 cm höher) birgt mehr Geheimnisse, als es auf den ersten Blick preisgibt. Linkshänder können beispielsweise den Trackball herausnehmen, die Tastatur verschieben und den Trackball auf der linken Seite wieder ersetzen. Er funktioniert dort ohne Probleme. Wer den Portable auf dem Schreibtisch stehen hat, kann auch die mitgelieferte Maus anschließen (die übrigens weniger Strom verbraucht als die bisherige Mac-Maus) und den Trackball durch ein numerisches Tastenfeld (Zusatzausstattung) ersetzen. Und wer gar die AT-ähnliche Mac-Tastatur bevorzugt, findet auf der Rückseite den passenden Anschluß.
Dort liegen auch sieben weitere Stecker für:
Auf der Platine befindet sich allerdings auch ein Steckplatz für eine 2400-Baud-Modemkarte, die vorerst nur in den USA angeboten wird. Apple Deutschland erwartet die notwendige ZZF-Zulassung für Anfang 1990. Die deutsche Version des Modems wird drei spezielle Stecker besitzen, mit denen man es an jede bestehende Telefonbuchse anschließen kann. Damit entfallen die lästigen Anschlußschwierigkeiten, mit dem alle privaten Modembesitzer bis jetzt kämpfen müssen.
Einen weiteren Steckplatz besitzt der Portable für spezielle RAM-Karten, die den 1 MByte großen Speicher auf bis zu 9 MByte erweitern. Bislang gibt es aber nur eine 1-MByte-Erweiterung, weil die besonderen, stromsparenden 1-MBit-Speicherchips SRAM (statisches RAM, das teurer ist als herkömmliche RAM-Chips) noch nicht erhältlich sind.
Ebenfalls auf der Portable-Premiere vorgestellt: das neue Tischgerät "Macintosh Ilci". Es arbeitet mit einem Motorola-68030-Prozessor, der mit 25 MHz getaktet ist und damit um knapp 50 Prozent schneller ist als das bisherige Spitzenmodell Macintosh IIx mit 16-MHz-Takt. Auf der Platine gibt es einen zusätzlichen Steckplatz für eine neuentwickelte Cache-Karte, die die Geschwindigkeit des Macintosh Ilci im Vergleich zum Ilex um weitere 25 Prozent steigert.
Neu ist auch das 512 KByte umfassende ROM, das bereits die neue 32-Bit-Grafik unterstützt, also 32 Bit pro Pixel. Mit 1 Bit lassen sich zwei Farben, mit 32 Bit gigantische 4,2 Milliarden Farbtöne (2 hoch 32 Farben) gleichzeitig darstellen. Werbefilme mit Computergrafik kommen in der Regel mit 16 Millionen Farben aus.
Äußerlich ähnelt der Macintosh Ilci dem schmalen Mac Ilex, der auf der CeBIT diesen Jahres vorgestellt wurde. Er besitzt drei sog. "NuBus"-Steckplätze für Erweiterungskarten, die allesamt frei sind. Die Grafikkarte. die beim Ilex noch einen Steckplatz belegt, ist beim Ilci auf der Platine integriert.
Der Macintosh IIci wird im Fachhandel rund 19000 Mark kosten.
Die beiden neuen Computer machen Apples Führungsanspruch deutlich: Einerseits wollen John Sculley & Co. das Laptop-Feld nicht mehr kampflos den PCs überlassen. Und andererseits bietet der Macintosh Ilci den schnellen 386- und 486-PCs die Stirn, die in den letzten Jahren den Macintosh in Sachen Geschwindigkeit deutlich übertrafen. Jetzt steht es wieder unentschieden, und die PC-Hersteller müssen sich überlegen, wie sie auf Apples Herausforderung reagieren. Denn die Pläne für den 33-MHz-Macintosh mit 68040-Prozessor liegen angeblich schon bei Apple in der Schublade — er wird aber wahrscheinlich erst 1991 vorgestellt. gn