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AXIS - 3D-Zeichnungen & Animationen auf ST und PC

Software

Erste Versionen von Axis Waren bereits auf der ATARI-Messe in DĂŒsseldorf im Jahre 1987 zu sehen. EndgĂŒltig vorgestellt wurde das Produkt des hollĂ€ndischen Herstellers Modern Medium aber erst auf der diesjĂ€hrigen CeBit; eine Vorstellung, die durch eine auf Videokassette verfĂŒgbare und auch verhaltnismĂ€ĂŸig lange Animation recht eindrucksvoll war. Nun, Vorhang auf fĂŒr Axis.

Axis ist ein maus-, nicht aber ein GEM gesteuertes Produkt. Dies ist umso erstaunlicher, als Axis fĂŒr die Grafikausgabe sowohl auf dem PC wie auf dem ST das GEM-Output-Programm verwendet. Die BedieneroberflĂ€che ist die eines typischen PC-Produktes:

Am linken Bildschirmrand befinden sich MenĂŒtitel, die man mit der Maus anklicken kann. Daraufhin erscheinen UntermenĂŒs. Usw., bis man sich zu der gewĂŒnschten Option durchgehangelt hat. Das hört sich zwar in der Beschreibung Ă€hnlich komfortabel an wie Pull-Down-MenĂŒs, ist es aber leider nicht; erstens gibt es die HauptmenĂŒs in mehreren Modi, zweitens gibt es sehr viele UntermenĂŒs, und drittens muß man jeden MenĂŒpunkt explizit anklicken, draufzeigen genĂŒgt nicht.

Am oberen Bildschirmrand ist eine freie FlĂ€che, die das Programm fĂŒr Dialoge mit dem Benutzer verwendet, in der rechten oberen Ecke werden wichtige Statusinformationen angezeigt.

Auch fĂŒr die Auswahl von Dateinamen wird keine Fileselektorbox verwendet; aber wenigstens kann man sich die vorhandenen Dateien anzeigen lassen (den Namen muß man dann aber trotzdem eintippen). Alles in allem also ein recht ungewohntes Erscheinungsbild fĂŒr ein ST-Programm. Davon sollte man sich jedoch zunĂ€chst nicht abschrecken lassen, denn fĂŒr eine bestimmte Klasse von dreidimensionalen Objekten ist die Arbeitsweise von Axis recht komfortabel.

Konstruktion

Axis ist offensichtlich vor allem fĂŒr die / von der hĂ€usererrichtende(n) Zunft konzipiert; die vorhandenen primitiven Objekte lassen doch sehr deutlich darauf schließen. Es gibt innerhalb von Axis nicht die ĂŒblichen Konstruktionswerkzeuge, wie man sie von Programmen wie CAD 3D oder Cyber Sculpt her kennt. Man kann also nicht eine zweidimensionale Figur oder Schablone per Rotation oder Translation in einen dreidimensionalen Körper verwandeln, jedenfalls nicht in diesem allgemeinen Sinn.

Die vier Grundelemente des Axis-Designs sind die horizontale (xy-)Ebene. die Mauer (die aus einem Grundriß-Polygon und einer Höhe gebildet wird), das Haus (einfaches Klötzchen mit Giebeldach) und der Zylinder (der recht flexibel ist - schiefe TĂŒrme sind kein Problem - ebensowenig Zylindersegmente oder Ausschnitte). Alle Grundformen werden aus Polygonen zusammengesetzt.

ZusĂ€tzlich gibt es noch zwei ‚freie‘ Objektformen, die sich sehr Ă€hnlich sind und sich eigentlich nur in der Art der Eingabe unterscheiden: Beide sind letztlich einfache im Raum positionierte Polygone, deren Eckpunkte per Tastatur eingegeben werden mĂŒssen. Die Axis-Grundelemente sind durch einige Parameter variierbar: das Haus baut auf einer viereckigen GrundflĂ€che auf, wobei Haus- und Giebelhöhe frei wĂ€hlbar sind. Die Eckpunkte fĂŒr alle Grundobjekte können wahlweise per Maus (mit Snap-Funktionen) oder per Tastatur eingegeben werden. Zu-sat/parameter wie Höhe oder Farbe miiv sen immer den Weg ĂŒber die Tastatur nehmen.

Jedes in Axis definierte Polygon, sei es nun einzeln definiert oder Teil eines Hauses oder Zylinders, kann mit sogenannten Details versehen werden. Das sind ‚Strichzeichnungen’, mit denen die OberflĂ€che quasi verziert werden kann. Auf eine Hauswand könnte man zum Beispiel Fenster und TĂŒren malen.

SelbstverstÀndlich enthÀlt Axis auch Funktionen, mit denen man nachtrÀglich einzelne Eckpunkte eines erzeugten Objektes edieren kann, Fehler sind jederzeit korrigierbar.

Um aus den doch recht beschrĂ€nkten Grundformen komplexe Objekte erzeugen zu können, enthĂ€lt Axis sogenannte Gruppenfunktionen. Hiermit kann ein Objekt oder eine Gruppe von Objekten kopiert, gespiegelt, rotiert und verschoben werden. Die meisten Funktionen normaler Konstruktionsprogramme, z.B. Rotationskörper. lassen sich so, bei eingeschrĂ€nktem Komfort, simulieren. Andererseits lassen sich mit der Funktion sehr komfortabel komplexe Szenen aus Sequenzen von einfachen Objekten zusam mensetzen. Im Handbuch sind dazu zwei Beispiele enthalten: Die sehr mĂŒhsame Erzeugung einer Kugel und die extrem einfache Konstruktion einer Wendeltreppe aus einzelnen Stufen. Das funktioniert so: Bei der Kopierfunklion (um ein Beispiel herauszugreifen) kann man an geben, wieviele Kopien erzeugt werden sollen. Jede Kopie kann aber um jede Achse rotiert oder verschoben werden. Die Wendeltreppe entsteht also sehr schnell, indem man eine Stufe konstruiert und diese dann ein paarmal kopiert, jeweils um einen bestimmten Winkel um den Treppenpfosten verdreht und entlang desselben verschoben. Die Gruppenfunktionen verdienen auf jeden Fall ein großes Lob.

Bild 1: Die ArbeitsoberflÀche von AXiS

Durch die doch recht stark koordinatenbezogene Eingabetechnik wird es sehr schwierig und unintuitiv. Objekte in einer Richtung zu manipulieren, die nicht auf irgendeine einfache Weise an den Hauptkoordinatenachsen orientiert sind. Wie zahlreiche ergonomische Tests beweisen, ist das abstrakte rĂ€umliche Denken der wenigsten Menschen so beschaffen, daß Rotationen um eine beliebige Raumachse per Winkeleingabe der Teilrotationen um die drei Hauptachsen effizient möglich sind. Dies ist ĂŒberhaupt das Hauptproblem im Design der Benutzerschnittstelle von Axis: Zwar ist die BedieneroberflĂ€che recht effizient, sie ist jedoch in weiten Teilen ĂŒberhaupt nicht intuitiv, was aber gerade fĂŒr 3D-Konstruktionsprogramme, die als echte Werkzeuge den Zeichentisch auch bei kreativen Prozessen ergĂ€nzen sollen, ganz besonders wichtig ist, was die oben bereits erwĂ€hnten Erkenntnisse ĂŒber das rĂ€umliche Denken des Menschen belegen. Axis legt demjenigen, der in Koordinaten zu denken imstande ist, beileibe keine Hindernisse in den Weg; wer damit jedoch Schwierigkeiten hat (wohl die große Masse der Anwender), wird in der BedienerfĂŒhrung von Axis wenig Hilfe Finden.

Rendering

Axis stellt, wie auch CAD 3D, Objekte entweder als Drahtmodelle oder mit Hilfe der sogenannten ‚Flat Shading’ genannten Schattierungsmethode dar. ‚Flat Shading’ bedeutet, daß die Beleuchtung (und damit die Helligkeit) eines beliebigen Polygons einmal berechnet wird, und dann fĂŒr das ganze Polygon konstant bleibt. Ein aus Polygonen zusammengesetzter Zylinder sieht dann eben aus wie ein aus Polygonen zusammengesetzter Zylinder. Auf einem PC ist dieser Ansatz auch vernĂŒnftig, weil alle Techniken, die einen aus Polygonen zusammengesetzten Zylinder bei der Darstellung rund aussehen lassen, erstens mit 16 Farben kaum sinnvoll einsetzbar und zweitens auch wegen ihres hohen Bedarfes an Rechenleistung kaum fĂŒr PCs geeignet sind.

Aus dem vorigen Absatz folgert der auf merksame Leser, daß es möglich ist, Lichtquellen zu positionieren, die die Szenerie ausleuchten.

Bild 2: Ein BĂŒro im Drahtmodell...

Eine Darstellung mit ‚Flat Shading’ erfordert natĂŒrlich auch die Berechnung der verdeckten FlĂ€chen; nur diejenigen RĂ€chen der Szene dĂŒrfen gezeichnet werden, die vom Standpunkt des Betrachters aus auch wirklich sichtbar sind. Da alle Verfahren hierfĂŒr recht aufwendig sind, kann man sich auch behelfen, indem man die FlĂ€chen zumindest in der richtigen Reihenfolge zeichnet, von hinten nach vorne nĂ€mlich. Dabei werden die hinten liegenden von weiter vorne liegenden ĂŒbermalt, so daß nachher nur die richtigen FlĂ€chen zu sehen sind. Diesem Ansatz, bekannt unter dem Namen ‚Painters Algorithm’ (weil man wie ein Ölmaler ein Objekt ĂŒber ein anderes malt), folgt, wie praktisch alle 3D-Programme auf Mikrocomputern, auch Axis. Dabei stehen zwei QualitĂ€tsstufen zur VerfĂŒgung: ‚Simple’ und ‚Extended’. Der erste Modus ist schnell, macht aber viele Fehler, wĂ€hrend der zweite um einiges langsamer, aber auch entsprechend korrekter arbeitet. Ein allgemeines Problem des Algorithmus’ ist seine UnfĂ€higkeit, mit bestimmten SpezialfĂ€llen (z.B. zyklischer Überlappung von Polygonen) fertigzuwerden. Bei typischen aus den Axis-Primitiven zusammengesetzten Szenen sind die Ergebnisse aber sehr gut.

NatĂŒrlich sind sowohl perspektivische als auch parallele Projektionen möglich und Betrachterstand- und Blickpunkt sind selbstverstĂ€ndlich frei wĂ€hlbar.

Eine besondere Zusatzfunktion verbessert die Resultate noch: Wenn man Objekte (z.B. HĂ€user) auf einer horizontalen Ebene positioniert, kann man den Schattenwurf dieser HĂ€user auf der Ebene fĂŒr eine bestimmte Lichtposition berechnen lassen. Diese SchattenwĂŒrfe werden auf der Ebene behandelt wie Details und können auch entsprechend bearbeitet und gefĂ€rbt werden. Eine gute Idee.

Die Ergebnisse von Axis speziell fĂŒr Architekturbilder sind wirklich erstaunlich, wenn man den geringen Kostenaufwand berĂŒcksichtigt, den das Programm verursacht. Im Demo-Video wird ein Flug ĂŒber Rotterdam dargestellt, der auf einem PC berechnet wurde. Beachtlich.

Bild 3: ... und mit Hidden-Surface-Berechnung

Animation

Axis beherrscht noch eine weitere Dimension, nĂ€mlich die Zeit. Der Zustand eines Objektes (z.B. die Position) kann ĂŒber die Zeit verĂ€ndert werden. Genauso ist es auch möglich, die einzelnen Phasen eines Gruppenkommandos (z.B. Kopieren) als Animationsphasen zu verwenden und so etwa die Entstehung der vielgerĂŒhmten Wendeltreppe zu betrachten. Auch der Beobachter kann sich bewegen. Die Ergebnisse einer Animation können als Bildfolge auf Diskette (bzw. besser auf Harddisk) abgespeichert und dann mit einem Abspielprogramm gezeigt werden. Die maximal mögliche FilmlĂ€nge hĂ€ngt dabei natĂŒrlich vom verfĂŒgbaren Rechnerspeicher ab. Modem Medium bietet aber auch als Sonderservice die Übertragung von Bildfolgen auf VideobĂ€nder an.

Leider gibt es keinen Preview-Modus, aber das wÀre von einem ST wohl auch etwas viel verlangt.

Dateien

Axis-ST kann mit seinen PC-Kollegen kommunizieren, ebenso, wichtig fĂŒr Konstrukteure, mit AutoCAD. DXF-Dateien können sowohl fĂŒr Objekte als auch als Details auf Objekten verwendet werden.

Bild 4: Ein Teil Londons, Covent Garden, im Drahtmodell...

Handbuch

Das deutsche Handbuch zu Axis, das ĂŒbrigens in englischer Sprache gehalten ist, kann man nur noch als katastrophal bezeichnen. Es handelt sich um eine Übersetzung aus dem HollĂ€ndischen, die aber sprachlich unter aller Kritik ist. Man kann sich zwar hindurchwursteln, aber das Lesen ist eine Qual. Trotz der recht engen Sprachverwandschaft zwischen HollĂ€ndisch und Deutsch: Eine schlechtere Übersetzung ist mir bisher nicht untergekommen. Auch inhaltlich könnte einiges besser erklĂ€rt sein, so z.B. der Animationsteil. Große Bitte an den deutschen Vertrieb: Eine Neufassung des Handbuches ist dringend nötig.

ErgÀnzungen

Außer dem bereits erwĂ€hnten Video-Service bietet der Hersteller auch Trainingskurse zu Axis an. Auch ein ‚Konstruktionsservice’ existiert, so daß Filme nach Vorlage als Dienstleistung berechnet werden können. Dabei können ĂŒbrigens bis zu 350000 Farben verwendet werden, was die QualitĂ€t des Ergebnisses im Vergleich zu ST-Ausgaben noch einmal erheblich verbessert.

ZusĂ€tzlich zu Axis und dem Abspielprogramm fĂŒr Animationen enthĂ€lt die ST-Version ein Programm, das die VerknĂŒpfung einer Axis-Animation und eines Degas-Bildes erlaubt. Eine gute Idee.

Fazit

Axis ist ein sehr ambitioniertes Programm, das sich durch einen professionell orientierten Support auszeichnet. Ein 3D-Programm fĂŒr den Einsatz in kreativen Berufen muß aber heute meines Erachtens mehr IntuitivitĂ€t und Einfachheit in der Bedienung mitbringen. Selbst auf PCs gibt es in diesem Bereich bereits ĂŒberzeugendere Programme. Die Funktionen selbst sind sehr leistungsfĂ€hig, besonders Archtitekturmodelle sollten sich mit den vorhandenen Primitiven meist in ertrĂ€glichen Zeiten erzeugen lassen.

Dennoch, im direkten Vergleich mit der Cyber-Serie (Cad 3D. Cyber Sculpt, Cyber Paint, im Vertrieb M&T) kann Axis eigentlich nur die Pluspunkte ProfessionalitĂ€t des Supports und PortabilitĂ€t (besonders wegen der Ausgabemöglichkeit mit mehr Farben und höherer Auflösung) verbuchen. Der Preis fĂŒr diese Pluspunkte ist allerdings als Extra zu bezahlen und seine Höhe ist uns unbekannt. Auch Architekturmodelle lassen sich wahrscheinlich in vielen FĂ€llen leichter mit Axis erstellen, solange eben nicht Formen auftauchen, die erst mĂŒhsam ĂŒber die Gruppenfunktionen erzeugt werden mĂŒssen. Das kreativere und vielseitigere Werkzeug fĂŒr den ambitionierten Amateur-Animator ist jedoch eindeutig die Cyber-Serie.

SĂ€mtliche Farbbilder sind auf einem PC mit einer 256 Farbenkarte berechnet.

CS

Bezugsadresse:

Modern Medium Deutschland Hans Richter Hagener Str. 65 5820 Gevelsberg

Bild 5: ... und mit Hidden-Surface-Berechnung