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BS-Handel/3 - Kaufmann inklusive

Software

Sind die Zeiten der Karteikasten und Aktenordner wirklich schon vorbei? Wird ab sofort schon alles nur noch “elektronisch" erledigt? Gibt es einen Weg um “Papierlosen BĂŒro"? Wenn Sie. liebe Leser, Computerzeitschriften aufschlagen, da wird Ihnen Blatt fĂŒr Blatt immer gerne vorgezeigt, was fĂŒr Allroundgenies die Computer mit entsprechenden Programmen sind. Aber wie sieht es in Ihrer tĂ€glichen Praxis aus? Entweder Sie haben ein Programm, das einfach alles kann, selbst das, was Sie gar nicht brauchen. Oder Sie haben ein Programm, das irgendwann einmal auf Ihre WĂŒnsche “zurechtgestrickt" wurde und lĂ€ngst nicht mehr aktuell ist.

Alles nur Extrembeispiele - meinen Sie? Seien Sie einmal ehrlich, wie ausgelastet ist Ihr Computer denn wirklich? Gerade das AbwĂ€gen auf das Machbare ist eine wichtige Voraussetzung, um vor allen Dingen die richtige Software zu finden. (Und der Autor dieser Zeilen weiß wovon er schreibt, schließlich war er drei Jahre lang im Software-Verkauf tĂ€tig.) Kann es sich ein Klein- oder mittelstĂ€ndischer Betrieb erlauben, aufs Geratewohl Software auszuwĂ€hlen? Sicherlich nicht. Gefragt sind Programme, die sowohl branchentypische TĂ€tigkeiten abdecken als auch Offenheit in andere Richtungen bieten. (Man erinnere sich an obige Extrembeispiele.)

BS-Handel ist fĂŒr die ATARI-ST Computer bereits ein Software-Klassiker. Seit 1986 auf dem Markt gehört BS-Handel im Bereich integrierte kaufmĂ€nnische Software sicher zu den ersten Programmen dieser Art auf dem ATARI ST. Jetzt ist die neue Version BS-Handel/3 lieferbar. BS-Handel/3 ist keine Update-Version, sondern stellt ein komplett neu entwickeltes Programm dar. Es beinhaltet nicht nur den Funktionsumfang der VorgĂ€ngerversion, sondern wurde in der GEM-OberflĂ€che und bei der Verarbeitungsgeschwindigkeit völlig neu ĂŒberarbeitet.

Bild 1: Eine ĂŒberschaubare Ansammlung von Pull-Down-MenĂŒs wird zur Programmsteuerung unterstĂŒtzt von den zusĂ€tzlich aktivierten Funktionstasten.

Vor den Erfolg...

Um es gleich vorwegzunehmen, ohne einen Hauptspeicher mit mindestens 1 MByte RAM und einer Festplatte mit 20 MByte sollten Sie erst gar nicht beginnen - BS-Handel/3 ist mit weniger leider nicht zufrieden! Bei einer Betriebssystemversion vor dem “Rainbow” (TOS 1.4) muß unbedingt auch das ProgrĂ€mmlein “FOLDR200.PRG" geladen werden, da es zu dem besagten “40-Ordner-Problem" kommt. Auch ein Textverarbeitungsprogramm sollte verfĂŒgbar sein. Im Handbuch liest man: ‘Das Textprogramm ist ein wichtiger Bestandteil im BS-Handel/3." Das soll aber nicht heißen, daß ein solches mitgeliefert wird, als “wichtiger Bestandteil" im Lieferumfang. Im Gegenteil: Es wird nicht mitgeliefert und ist dennoch “wichtiger Bestandteil" bei der Arbeit, denn ohne Textprogramm können keine Ausdrucke gemacht werden! BS-Handel/3 bedient sich sehr gerne 1st_Wordp!us, weil der Listengenerator darauf abgestimmt ist.

Vor den Erfolg haben die Götter bekanntlich den Schweiß gesetzt. So muß man bei BS-Handel/3 eine umfangreiche Installationsprozedur durchlaufen. Allein das Verteilen der einzelnen Dateien auf meine MEGAFILE-60 dauerte etwas mehr als 5 (in Worten: fĂŒnf) Minuten - da wird wohl der Plattentyp auch etwas schuld gewesen sein. Wenn es sich um eine sogenannte Erstinstallation handelt, erscheinen nach dem Programmaufruf verschiedene Masken fĂŒr Grundeinstellungen: Wo werden Daten. Musterformulare, Druckertreiber in welchen Partitionen in welchen Pfaden zu finden sein? Feldbeschreibungen werden eingestellt, Anreden festgelegt, Versandart. Rabattsatz, Zahlungsbedingung und...und... und. Es dĂŒrfte aber dem Erstanwender plausibel genug sein, daß solche Einstellungen beim ersten Schritt in das Programm durchaus nötig und unumgĂ€nglich sind.

Bild 2: So ist der prinzipielle Aufbau von BS-HANDEL/3 zu verstehen: Funktionell eigenstĂ€ndige Module arbeiten “Hand in Hand'.

Einblicke, Ausblicke, Überblicke

BS-Handel/3 bietet uns im Einstiegsbild eine Desktop-Leiste mit nur vier MenĂŒs und eine Funktionstastenleiste am unteren Bildrand. Dies ist erfreulich, denn die hĂ€ufigsten Aufrufe erreicht man per Funktionstaste, selbst die weniger wichtigen Unterpunkte der Pull-Down-MenĂŒs sind per Alt-Sequenzen zusĂ€tzlich ansteuerbar. Klar strukturiert sind die MenĂŒs selbst: Stammdatenverwaltung, Auftragssteuerung, Ausgabevorbereitung und div. Kleinarbeit (hier MenĂŒ “Anweisung” Alles ist logisch zusammengefaßt. Interessant ist ein Druck auf Funktionstaste >F1<. Da rollt sich ein Pop-Up-MenĂŒ genau dort auf, wo gerade der Mauszeiger steht. Verbesserungsvorschlag von mir: Warum nicht eine Zweitbelegung der Funktionstasten vorsehen? Denn erst >F1< und dann Abkehr zur Maus und in MenĂŒs ist nicht sehr ergonomisch.

Bild 3: Ein Beispiel fĂŒr die Installationsprozedur: FĂŒr die verschiedenen Karteimasken sind die hier vorgestellten Feldnamen fĂŒr branchenspezifische Anpassungen verĂ€nderbar.

Die Kartei bringt’s

Ordnungsbegriff Nummer 1 ist die “Kartei”. Sie beinhaltet gewissermaßen alle Stammdaten wie “Adressen”, “Lager”, “Preise” usw. Die nĂ€chste Ordnungseinheit ist der “Auftrag”, der alle TĂ€tigkeiten im Hinblick auf Kunden und Lieferanten bereithĂ€lt. Punkt 3 sind die umfangreichen Ausgabemöglichkeiten an ein externes Textverarbeitungsprogramm.

Wenngleich wir bei der Installation die Globaldaten eingegeben hatten, mĂŒssen natĂŒrlich jetzt Adressen von Kunden und Lieferanten, Artikel, Preise und AnfangsbestĂ€nde des Lagers erfaßt sein. Mit einem Druck auf >F1 < und der Auswahl “Adressen" des besagten Pop-Up-MenĂŒs wird nunmehr die maßgebende Kartei ausgewĂ€hlt. Ab sofort wirken die Angaben im MenĂŒ “Stammdaten" nur auf diese eine Kartei. Also hinein in den MenĂŒpunkt “Erfassen".

Eine ausfĂŒhrliche Maske erscheint, und man wird nach Name, Straße. Wohnort und alledem gefragt. Von hieraus kann in drei weitere Masken verzweigt werden, die zusĂ€tzliche Angaben zur ‘Adresse’ (z.B. Branche, Kreditlimit. Individualrabatt usw.), zur Umsatzstatistik dieser ‘Adresse' und einen Notizblock aufnehmen. Nun muß nur noch festgelegt werden. ob es sich um einen Kunden oder einen Lieferanten handelt, denn diese zwei Adressentypen werden getrennt voneinander abgespeichert, ln Ă€hnlicher Manier werden Artikel. Bestandsdaten. Preise, Rabatte und Zahlungsbedingungen aufgenommen.

Bild 4: Die Erfassung von Stammdaten. ZusÀtzlich zu den Adressangaben werden weitere Informationen in zusÀtzlichen Masken festgehalten.

Der Auftrag lacht

Bild 5: FĂŒr jeden Artikel hĂ€lt man hier wichtige "technische" Daten fest

Wie wird denn nun ein Auftrag abgewickelt? Stammdaten zum Kunden liegen vor, Artikel sind erfaßt, BestĂ€nde festgestellt. Die Funktionstasten >F2< bis >F5< stellen fast alle RoutinetĂ€tigkeiten in Beziehung auf den Kunden dar. >F6< (Einkauf) zeigt eine typische Handlung in Richtung eines Lieferanten. Die vollstĂ€ndige Auswahl an TĂ€tigkeiten verbirgt sich im MenĂŒ “Auftragswesen”. ZunĂ€chst wĂ€hlt man die Adresse des Kunden. Dies geschieht in einer Suchmaske, die genauso aussieht wie jene bei der Kundenerfassung. Wichtig sind nun die Feldbezeichner mit einem kleinen Pfeil davor. Dies sind die SchlĂŒsselfelder, und nurdort kann man ein Suchkriterium eingeben. Anschließend stellt sich die Frage, wie die Artikel der Kundenbestellung zusammengestellt werden sollen:

  • per Anklicken in einem Übersichtsfenster (als Liste bestehender EintrĂ€ge),
  • aufgrund einer bereits bekannten Artikelnummer (weil sie der Kunde in seiner Bestellung schon aufgefĂŒhrt hat) oder
  • als nachtrĂ€gliche manuelle Nacherfassung (wenn es diesen Artikel noch nicht in der Kartei gab).

Je nachdem, welche Verfahrensweise gewĂ€hlt wird, öffnen sich verschiedene Fenster. Im 1. Fall öffnen sich nur zwei Fenster, in der oberen HĂ€lfte das vorlĂ€ufige ‘Formular', in der unteren HĂ€lfte die ArtikelĂŒbersicht. Im 2. Fall kommt unten ein drittes Fenster hinzu, als Suchmaske, welches im 3. Fall als erweiterte Eingabemaske arbeitet. Steht nun der Artikel fest, wird er in das obere Fenster ĂŒbertragen, gewissermaßen in einen Vorratsspeicher fĂŒr den spĂ€teren Formularausdruck.

Wenn diese zwei Fenster geschlossen werden, erscheint eine Maske "Summen bearbeiten”. Wenn der Artikel bisher nur ‘in der Absicht stand’, verkauft zu werden, bedeutet die Bearbeitung als Summe, daß die Einzelartikel zusammengerechnet und gleichzeitig als interner Umsatz von Lager (als Abgang) nach Versand gebucht werden. Dies löst gleichzeitig eine Sollstellung des Rechnungsbetrages in der Kundenstatistik aus. Gespeicherte VorgĂ€nge werden alle in einen ‘SammelbehĂ€lter’ bewegt, wo sie auf die wirkliche Verarbeitung (sprich Lieferschein- bzw. Rechnungsdruck) warten. Solange die VorgĂ€nge in dieser Sammlung liegen, können sie insgesamt oder auch nur einzelne Positionen nachtrĂ€glich verĂ€ndert werden.

Bild 6: Hier wird ein Formular zusammengestellt (z.B. eine Rechnung). Die obere Liste zeigt die einzelnen Formularposten, die untere Liste eine Übersicht der bisher angesprochenen Artikel.

Auswertungen und Listen

In einem separaten MenĂŒ sind verschiedene betriebswirtschaftliche Informationen abrufbar. So zeigt eine Kundenstatistik die monatlichen und jĂ€hrlichen Umsatzsummen fĂŒr einen oder mehrere Kunden. Ähnlich ist die Aufstellung fĂŒr Lieferanten zu verstehen. Eine Artikelstatistik lĂ€ĂŸt RĂŒckschlĂŒsse auf Verkaufserfolge und Rohgewinne zu. Eine Fakturstatistik vermerkt alle bisherigen VorgĂ€nge (AuftrĂ€ge, Lieferungen, Rechnungen, EinkĂ€ufe usw.) fĂŒr fest vorzubestimmende ZeitrĂ€ume. Auch eine stĂ€ndige Inventur und LieferrĂŒckstandsmeldungen könnten aus diesem Programm teil kommen.

Irgendwann im Verlaufe der Arbeiten wird es nötig sein, die Ergebnisse zu Papier zu bringen. Dabei stellt BS-Handel/3 einen sogenannten Listengenerator zur VerfĂŒgung. Er bereitet die Daten in Verbindung mit Musterformularen so auf. daß diese komplett an die Text Verarbeitung ĂŒbergeben werden können.

Das Programm unterscheidet zwischen “Briefen" und “Listen". Briefe sind im Grunde jene ‘Textaufbauten', deren Aussehen schon durch den Globaltext gestaltet wurde. An bestimmten Stellen aber kann noch nicht feststehen, welche individuellen Textteile hinzukommen, dann sind dort sogenannte Platzhalter ersat zweise eingefĂŒgt. Deutlich wird dies am Beispiel eines Serienbriefes: Der Globaltext sind all jene Stellen, die in jedem Brief gleichbleiben. Individualtext sind jene Passagen, die sich von Adressat zu Adressat Ă€ndern. Die Platzhalter, in aller Regel die Feldnamen, kennzeichnen all jene Positionen, die durch Feldinhalte spĂ€ter ersetzt werden (z.B. Name, Vorname, Straße usw.). Die Abarbeitung eines Briefes wiederholt sich solange, und zwar vollstĂ€ndig, wie noch (meist vorher selektierte) DatensĂ€tze zur VerfĂŒgung stehen.

Unter Listen versteht BS-Handel/3 Textanordnungen, die in ihrer Anzahl stark variieren können. Wenn ein Kunde 5 verschiedene Artikel bestellt hat, stehen eben die 5 untereinander. Bei anderen Kunden entsprechend mehr oder weniger. Hierbei wiederholt sich die Abarbeitung innerhalb eines Formulars so lange, wie gleiche Komponenten (hier: Artikelangaben) zur VerfĂŒgung stehen. Auch hier gibt es Platzhalter, die die einzelnen Positionen bezeichnen. Platzhalter mĂŒssen aber nicht nur Feldnamen sein, die stellvertretend diese Druckposition einnehmen, es sind auch ausfĂŒhrliche Formeln oder Entscheidungsanweisungen möglich.

Die Bereiche Mahnwesen und Zahlungen wurden mit Absicht in ein kleines Separatprogramm gepackt. Der Grund liegt darin, daß beim Bearbeiten der Buchungen mit BS-FiBu/3 andere VorgĂ€nge ablaufen, als wenn nur das Programm BS-Handel/3 zur VerfĂŒgung steht.

Bild 7: Einzelne Faktoren fĂŒr die Abwicklung eines Auftrags sind hier zusammengetragen.

Im Ganzen betrachtet

Ich will ganz ehrlich sein: BS-Handel/3 stellt eine Vielzahl an Funktionen zur VerfĂŒgung, die ich unmöglich in der (verhĂ€ltnismĂ€ĂŸig) kurzen Zeit abschĂ€tzen konnte. Auch wĂ€re es unmöglich, alle VorgĂ€nge hier auch nur aufzuzĂ€hlen. Wichtig ist allein die Tatsache (und das kann man mit ein paar wenigen Artikeln und Adressen auch schon sehen), daß das Konzept logisch aufgebaut, durchgĂ€ngig und plausibel ist. Nach kurzer Einlernphase wird es dem ernsthaften Benutzer möglich sein, seinen kompletten Kundenstamm und das Lager zu verwalten. Es gibt kaum einen Punkt zur Beanstandung (jedenfalls habe ich keinen dramatisch schlimmen gefunden). An ein paar Kleinigkeiten könnte allerdings noch gefeilt werden.

Beispiele: der Wechsel zwischen Funktionstasten und MenĂŒs bei “Kartei"; der Wechsel in ein externes Textprogramm beim Ausdruck.

Schön ist zum Beispiel, daß alle Bedienungspunkte nicht nur per MenĂŒ, sondern immer auch mit Tastenkombinationen erreichbar sind. Die Verarbeitungsgeschwindigkeit soll gegenĂŒber der Version 2 um mindestens 400% beschleunigt worden sein (was ich mangels Vergleichsobjekt leider nicht ĂŒberprĂŒfen konnte). BS-Handel/3 lĂ€uft auch auf dem ATARI TT und soll dort noch einmal um 500% schneiler sein quod erat demonstrandum.

Das Handbuch hat mir ebenfalls gut gefallen. Die 235 Seiten beinhalten viel Information und sind ausreichend bebildert. Die ErklĂ€rungen sind ausfĂŒhrlich, und in dem gestalterischen Aufbau findet man sich leicht zurecht. Es ist flĂŒssig und stellenweise etwas fröhlich geschrieben. Besonders die Kapitel zum Listengenerator und einigen Anwendungsbeispielen sind sehr ausfĂŒhrlich und leicht nachvollziehbar.

Ein getrenntes Referenzhandbuch zeigt noch einmal in knapper Form alle Funktionselemente.

BS Handel/3 kostet 698,- DM. Der Preis bewegt sich durchaus im vertretbaren Rahmen. Es existiert ein Update-Service fĂŒr die VorgĂ€ngerversionen.

DK

Bezugsquelle
Bavaria-Soft Datentechnik GmbH Otto-Hahn-Straße 25 BO 12 Ottnbrunn bei MĂŒnchen

Bild 8: BSH/3-GIRO ist ein kleines Zusatzprogramm, das die Buchung von ZahlungsvorgĂ€ngen und das Mahnwesen ĂŒbernimmt