Die Geschichte der Kunst ist auch eine Geschichte der Plagiate. Angefangen von Variationen bekannter Klassiker (z.B. Brahms ĂŒber ein Thema von Joseph Haydn {op.56}), zieht sich der rote Faden des Ideenklaus durch die Musikbranche bis zur heutigen Zeit.
Die Technik macht jedoch alles einfacher. MuĂte man sich bei einem Plagiat frĂŒher noch Gedanken darĂŒber machen, wie der Urheber die Noten gesetzt hat, so erledigt dies heutzutage der Computer selbst. Das Zauberwort hierzu heiĂt: SAMPLING.
Problemstellung
Gerade die Computer der Atari ST-Serie sind in der Musikbranche âdieâ Computer schlechthin, und die Software-Industrie ĂŒberschlĂ€gt sich mit neuen Produkten zur Soundgestaltung im Wege des Samplings.
Sampling ist die Möglichkeit GerĂ€usche und Töne in digitale Zeichen umzuwandeln, die vom Computer gelesen und auch verĂ€ndert werden können. Diese Tonfolgen lassen sich dann anschlieĂend auch wieder hörbar machen. Ein Klangunterschied zum Original ist dabei praktisch nicht zu erkennen. Gleichzeitig können diese KlĂ€nge vom Computer gespeichert und damit jederzeit reproduziert und auch ĂŒber das Speichermedium jedem zugĂ€nglich gemacht werden. Der weitere Vorteil liegt darin, kleinste GerĂ€uschsequenzen herauszufiltem und fĂŒr eigene Zwecke zu nutzen. Die dadurch eröffneten Möglichkeiten wurden in einer Musikzeitschrift kĂŒrzlich drastisch beschrieben: âDa könnte sich Miles Davis auf einer Roland-Kaiser-Scheibe ein Solo spielen hören oder die fette Cozy-Powell-BaĂdrum auf einer Nummer dahindampfen, von der Herr Powell nicht mal weiĂ, daĂ sie existiertâ[1].
Gerade in der Rap- und Hip-Hop-Scene, die sich hĂ€ufig aus Musikzusammenmischungen auszeichnet, werden ganze MusikstĂŒcke aus Teilen fremder Melodien zusammengewerkelt.
Derzeit werden die ersten Klagen eingeleitet - Gerichtsentscheidungen liegen jedoch bislang noch nicht vor. Auch in der rechtlichen Literatur hÀlt man sich noch bedeckt, weil die Frage, ob die Verwendung von Sampling-KlÀngen rechtlich zulÀssig ist oder nicht, bislang völlig ungeklÀrt ist.
Urheberrechtliche Probleme
Das Sampling von MusikstĂŒcken kann grundsĂ€tzlich verschiedene GrĂŒnde haben. Es können dadurch Musikteile parodiert werden oder als Toncollage dienen, oder schlieĂlich dazu benutzt werden, um MusikstĂŒcke, -teile oder Klangfolgen zum Zweck des âKlang-Klausâ zu kopieren. Diese verschiedenen Ansatzpunkte bedĂŒrfen auch der unterschiedlichen urheberrechtlichen Regelung.
Ausgangspunkt der Problematik ist § 24 Absatz 2 Urhebergesetz (UrhG). Nach dieser Vorschrift darf eine Melodie aus einem anderen Werk der Musik nicht entnommen und einem neuen Werk zugrundegelegt werden.
Subsumiert man alle oben aufgefĂŒhrten GrĂŒnde des Samplings unter diese Norm, so kommt der unbedarfte Leser zwangslĂ€ufig zu dem Ergebnis, daĂ das Sampling grundsĂ€tzlich verboten ist. Dieses vorlĂ€ufige Ergebnis bedarf jedoch einiger EinschrĂ€nkungen.
So hat das Oberlandesgericht Dresden [2] in einer frĂŒheren Entscheidung die Ăberlegung aufgemacht, daĂ der unflexible Melodienschutz bei einer Persiflage nur dann anzuwenden sei, wenn das neue Werk objektiv geeignet sei, dem Originalwerk Konkurrenz zu machen und seinen Absatz zu beeintrĂ€chtigen. Daraus lĂ€Ăt sich schlieĂen, daĂ das kopierte Musikwerk nur dann urheberrechtlich unzulĂ€ssig ist, wenn es den gleichen Hörerkreis wie das Originalwerk hat, zeitlich parallel zu diesem auf den Markt gebracht wird oder ihm in sonstiger Weise erhebliche wirtschaftliche Konkurrenz macht.
BezĂŒglich des Samplings als Toncollage ist anzumerken, daĂ hier grundsĂ€tzlich der Musikschutz des §24 II UrhG greift. Melodiecollagen sind daher grundsĂ€tzlich keiner freien Benutzung zugĂ€nglich. Voraussetzung ist jedoch immer, daĂ es sich bei der Melodie um eine persönliche geistige Schöpfung handelt [3]. Dies ist aber dann fraglich, wenn nur kleine Musikteile (sog. Licks) verwertet oder als Vorlage benutzt werden. Aus diesem Grund kann ein MusikstĂŒck durchaus aus ĂŒber 100 Einzelteilen zusammengestĂŒckelt sein. Bei solchen EinzelfĂ€llen erscheint dann eine SchutzwĂŒrdigkeit des originĂ€ren Rechtsinhabers fragwĂŒrdig und eine gerichtliche Ahndung abwegig.
Der komplizierteste Fall ist jedoch das Sampling im Bereich des âKlang-Klausâ. Hierbei werden einzelne Instrumentalbereiche (z.B. Schlagzeugfiguren, BaĂlĂ€ufe, Keyboardeinstellungen oder auch nur Stimmen oder Stimmteile) mit Sampling-GerĂ€ten kopiert und ĂŒber Sound-Datenbanken gewerblich weiterverĂ€uĂert. Einigkeit besteht in der Literatur noch nicht einmal darĂŒber, ob diesen Musikteilen ĂŒberhaupt urheberrechtlicher Schutz zukommen kann, weil es sich bei diesen Mitschnitten nicht um Melodien iSd. §24 II UrhG, sondern nur um KlĂ€nge handelt. Die Tendenz lĂ€uft jedoch zum Urheberrechtsschutz von Keyboard-Einstellungen und Stimmen, da diese im Gegensatz zu Schlagzeug und BaĂlĂ€ufen Klangfarbe besitzen und nicht reine Rhythmuselemente sind [4].
Bedenken bezĂŒglich dieser Auffassung ergeben sich jedoch aus der Tatsache, daĂ gerade die Kunst der Popmusik weniger in der Melodiegebung als in der Rhythmisierung und der Ausnutzung besonderer Klangeffekte liegt. So erweisen sich bestimmte Sounds hĂ€ufig als Erkennungsmerkmal bestimmter KĂŒnstler, die zeit- und kostenintensiv durch Studioaufnahmen produziert wurden. Somit besteht die Gefahr, daĂ die Popmusik ihrer kreativsten Teile beraubt werden kann. Im Ergebnis ist zunĂ€chst jedenfalls festzuhalten, daĂ ein Urheberrechtsschutz nur unzulĂ€nglich besteht.
Wettbewerbsrechtliche Probleme
Auch in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht bestehen Bedenken. Ein WettbewerbsverstoĂ liegt nĂ€mlich nach §1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) dann vor, wenn im geschĂ€ftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Handlungen vorgenommen werden, die gegen die guten Sitten verstoĂen.
Das Merkmal âim geschĂ€ftlichen Verkehrâ ist im Fall des Samplings von MusikstĂŒcken oder -teilen unproblematisch zu bejahen. Das Merkmal âzu Zwecken des Wettbewerbsâ fĂŒhrt dagegen schon dann zu Problemen, wenn die nun digitalisierten KlĂ€nge von KĂŒnstlern herrĂŒhren, die in der Musikscene schon als veraltet gelten, weil sie auch nicht mehr am Musikwettbewerb teilnehmen. Soweit die Sampling-Produkte den gleichen Markt wie ihre Vorbilder ansprechen und den eigenen Absatz zu Lasten des Konkurrenten fördern können [5], liegt der Wettbewerbszweck vor.
Die gröĂten Schwierigkeiten bereitet jedoch das Merkmal der âSittenwidrigkeitâ. Zwar ist das Kopieren fremder Arbeitsergebnisse nach herrschender Meinung eine sittenwidrige Wettbewerbshandlung, da ein solches Schmarotzen den Mitbewerber um die verdienten FrĂŒchte seiner Arbeit bringt [6]. Das fremde Arbeitsergebnis durch das Sampling muĂ jedoch identisch oder nahezu identisch mit dem Original sein. Zwar entsteht nach dem Sampling eine identische Kopie des Originals. Dieses Arbeitsergebnis wird jedoch nicht unbedingt direkt in das neue MusikstĂŒck ĂŒbernommen. Nur dann lĂ€ge eine sittenwidrige Wettbewerbshandlung vor. Vielmehr werden aber nach Transformation und Modifizierung von kleinen Tönen oder Tonfolgen hĂ€ufig neue Tonsequenzen geschaffen, die durch zusĂ€tzliche Programmierung der Entlastung des Musikers zugunsten komplizierter und origineller Sequenzen dienen [7]. Soweit somit Unterschiede in der tatsĂ€chlichen Verwertung des Originals nach dem Sampling-Vorgang bestehen, ist der Nachweis einer Wettbewerbs Verletzung gering.
Auch wenn eine Kopie nachgewiesen wurde, steht der Unwertgehalt noch nicht fest, da nach herrschender Meinung eine InteressenabwĂ€gung erforderlich ist [8]. So kann trotz Vorliegens einer direkten Kopie das Interesse des Betroffenen zurĂŒckgestellt werden, wenn der âSoundâ des Musikers in Vergessenheit geraten ist und als Oldie vor sich hin modert. Der Leistungsschutz des §1 UWG garantiert ihm nĂ€mlich nur einen begrenzten Zeitraum zur eigenen Nutzung seiner Leistungen [9]. Die Dauer der Alleinnutzungsfrist kann allerdings nicht abstrakt festgelegt werden. Hier ist vielmehr auf den Einzelfall abzustellen, in welchem der Ertolg eines MusikstĂŒckes (sei es als aktueller Hit oder als Oldie) bezĂŒglich des aktuellen Umsatzes EinfluĂ auf die Dauer der Nutzungsberechtigung ausĂŒbt.
Sampling fĂŒr Programme
Gerade bei Spielen finden sich mitunter faszinierende Melodien, die einen durchaus bekannt Vorkommen können. Die Programmierer machen sich hierbei nicht unbedingt die MĂŒhe, sich zur Programmierarbeit eines Spiels auch noch Melodien auszudenken. Viel einfacher ist es, auf bekannte MusikstĂŒcke zurĂŒckzugreifen und zur entsprechenden Spielsituation die passende Melodie aus dem Fundus des Bekannten auszuwĂ€hlen. Was liegt daher nĂ€her, als das Sampling bekannter MusikstĂŒcke?
Hierzu gilt jedoch grundsĂ€tzlich das oben Gesagte. Eine unterschiedliche rechtliche Beurteilung eines Musikers, der sich fremde Ideen zu eigen macht, und dem Programmierer, der das gleiche unternimmt, ist unangemessen. Daher liegtauch beim Sampling von MusikstĂŒcken zum Zweck der Programmiereinbindung eine Urheberrechtsverletzung vor. Die oben genannten EinschrĂ€nkungen gelten selbstverstĂ€ndlich auch hier.
Allerdings ist zu bedenken, daĂ eine Wettbewerbsverletzung hier nicht vorliegen kann, weil der Programmierer nicht zu Zwecken des Wettbewerbs tĂ€tig wurde. Zwar geht er mit seinem Programm auf den Markt, um dieses mit gröĂtmöglicher Gewinnspanne zu verĂ€uĂern. Jedoch nimmt der Programmierer nicht am Musikwettbewerb teil. Aus diesem Grund scheidet ein Wettbewerbsverletzung aus. Ein WettbewerbsverstoĂ liegt jedoch dann vor, wenn das durch Sampling kopierte MusikstĂŒck selbst aus einem anderen Programm stammt, oder wenn die Musikeinlage disassembliert und in das eigene Programm eingebaut wurde. In diesem Fall liegt der VerstoĂ nĂ€mlich auf der gleichen Wettbewerbsebene. Dann steht dem Betroffenen auch ein Unterlassungsund Schadensersatzanspruch zu, wenn er selbst Urheber der Melodie ist und sie nicht selbst durch Sampling oder andere Methoden wettbewerbswidrig âgeklautâ hat.
Zusammenfassung
Die rechtliche Beurteilung des Samplings ist durch die Rechtsprechung noch nicht eindeutig geklĂ€rt. Vieles ist ungeklĂ€rt und strittig. Aufgrund dieser Unsicherheit gibt es zur Zeit kaum KĂŒnstler, die gegen das Sampling anderer vorgehen, da das Kostenrisiko noch unabwĂ€gbar ist. Ein Ausweg bietet sich jedoch dann, wenn ein Musterfall beispielsweise durch die GEMA durchgezogen wird, anhand dessen sich der gordische Knoten der Rechtsunsicherheit auflösen wird. Man darf gespannt sein.
Rechtsanwalt Christoph Kluss
Kurhessenstr. 31
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[1] M.Brem, Sampling., Die Revolution aus dem Mikro-Chip. In ME/Sounds 311987, 67-71 (69)
[2] OLG Dresden in GRUR 1909/332 (336 ff.) SelbstverstĂ€ndlich bezog sich diese Entscheidung nicht auf das Soundsampling, sondern nur auf das ânormale Kopierenâ einer musikalischen Idee.
[3] vgl. Schricker/Gerstenberg, Urheberrechtskommentar, MĂŒnchen 1990 §24 Rz.23
[4] ebd
[5] BGHZ 191392 (393)
[6] Baumbach/Hefermehl, UWG-Kommentar, §1 Rz.444 f.
[7] Brem aaO. S.68
[8] Baumbach/Hefermehl, aaO., §1 UWG, Rz.449
[9] Bundesgerichtshof in BGHZ 51/41 (48i