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Kraftwerk

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Irgendwie ist mir der belanglose Satz noch immer im GedĂ€chtnis geblieben: „Wozu Kernkraftwerke, bei uns kommt der Strom doch aus der Steckdose.“ Seitdem spektakulĂ€re Katastrophen im Atomkraftwerksbetrieb bekanntgemacht bzw. aufgedeckt wurden, sind die BĂŒrger sensibler geworden und interessieren sich zunehmend fĂŒr die Frage, wie unsere allzu notwendige elektrische Energie ĂŒberhaupt gewonnen wird.

Neben den riskanten Atommeilern und den stark umweltgefĂ€hrdenden Kohlekraftwerken besteht das RĂŒckgrat unserer heimischen Energiegewinnung auch aus sogenannten WĂ€rmekraftwerken, die vornehmlich mit Gas angetrieben werden. Als Brenngase kommen dort hauptsĂ€chlich Erdgas und Nebenprodukte aus der Industrie wie Gichtgas vom Hochofenprozeß oder Koksgas aus der Kokerei in Frage.

Kaum einer der Außenstehenden macht sich einen Begriff von den VorgĂ€ngen in einem Kraftwerk, die zur Energiegewinnung nötig sind. Auch BetriebsrundgĂ€nge oder schlaue BĂŒcher können die komplexen ZusammenhĂ€nge nicht anschaulich genug machen. Erst dann, wenn der Gesamtzusammenhang ĂŒberschaubar, meßbar und kontrollierbar wird, kommt man der Sache nĂ€her.

Das Programm KRAFTWERK zeigt uns den Leitstand eines WĂ€rmekraftwerkes. Dort sind in schematischer Symbolik alle hauptsĂ€chlichen GerĂ€te aufgezeichnet. In Wahrheit sind die Leitungs- und Funktionskreise weit vielfĂ€ltiger und komplizierter. KRAFTWERK will als Simulation verstanden werden, das auf einfachste Art und Weise einen Einblick in die Betriebstechnik eines Kraftwerkes erlaubt. Der Programmautor spricht von einem „entfeinerten“ Modell. Das tut dem Gesamtbild und der Übersichtlichkeit aber keinen Abbruch.

Irgendwie hatte ich doch ein klein wenig Herzklopfen, als ich ‘mein’ Kraftwerk startete. Erst den SpeisewasserbehĂ€lter fĂŒllen und gleich die Hilfsölpumpe vorlaufen lassen. Wenn der Wasserstand 8 dm erreicht hat, darf ich die Speisepumpe einschalten. Aber Achtung! Weil die Anlauflast bis 700% annehmen kann und dadurch die Motoren sehr heiß werden, darf man pro Stunde nur drei Anlaufversuche wagen.

Dann wird der Hauptkessel vorbelĂŒftet und mit der Koksklappe auf 2% angefahren. Mit dem Trommelablaßventil halte ich den Wasserstand immer zwischen -5cm und +5cm. Durch vorsichtiges VerĂ€ndern der Einspritzwassermenge, der Brennstoffmenge und des Anfahrventils halte ich den Frischdampfdruck immer auf 22 bar, die Anfahrdampfmenge auf ca. 10 t/h und die Frischdampftemperatur zwischen 460 und 480 Grad. Schließlich wird die Turbine angeworfen.

Im Leitstandbild sieht man stĂ€ndig diverse Temperaturen, DrĂŒcke, Wassermengen, Motorbelastungen. Falls nötig, kann man auf sogenannte Punktschreiber umschalten, die den bisherigen Verlauf verschiedener Parameter der Aggregate mitprotokollierten. Sehr schön sind auch die ErlĂ€uterungen zu möglichen Toleranzen mit Angaben, was im Regelkreis passiert, auch ob eine Automatik sich einschaltet, wenn bestimmte Grenzen ĂŒber- bzw. unterschritten werden. Auch eine Bilanz am Ende der Betriebsphase gibt uns eine Energiebilanz, Abnutzungsgrad und EffektivitĂ€t der Energieausbeute.

KRAFTWERK ist eine hervorragende Simulation, die alles im ĂŒberschaubaren Rahmen hĂ€lt. Es befinden sich fĂŒnf ladbare BetriebszustĂ€nde auf Diskette, mit denen man interessante Versuche „fahren“ kann (bitte aber den Kessel nicht explodieren lassen). KRAFTWERK dĂŒrfte sich durchaus auch zur Auflockerung manchen Physikunterrichtes eignen. Und wenn Ihnen das Programm gefĂ€llt, dann sollten Sie dem Autor die 10 DM zuschicken - verdient hat er es allemal.

DK

Kraftwerk
ST-PD 446