In den letzten beiden Folgen dieser Serie wurden die verschiedenen GerĂ€te und Verfahren beschrieben, mit denen Bilder aufgezeichnet und in den Computer eingelesen werden. In diesem und den nĂ€chsten beiden Artikeln wollen wir uns mit der digitalen 'Weiterverarbeitung der Bilddaten befassen. FĂŒr den ATARI sind mehrere Bildbearbeitungsprogramme erhĂ€ltlich, die auch schon in ausfĂŒhrlichen Testberichten beschrieben wurden.
FĂŒr diese Artikelserie wird das Programm Chagall der Fa. Trade iT verwendet, da dessen Konzept der beliebigen Kombination von Funktionen gut zur ErklĂ€rung auch von komplizierteren Bearbeitungsreihenfolgen geeignet ist. AuĂerdem ist es zum jetzigen Zeitpunkt das einzige Programm fĂŒr den ATARI, das Halbtonmasken zulĂ€Ăt. Trotzdem sind die meisten Resultate in Ă€hnlicher Form auch mit anderen Programmen wie Cranach Studio oder Retouche zu erreichen Deren zusĂ€tzliche Beschreibung wĂŒrde den Rahmen dieses Artikels jedoch sprengen.
Der Begriff âElektronische Bildverarbeitungâ umfaĂt die Gebiete der konventionellen Reprotechnik und der digitalen Bildgestaltung. Leider wird derselbe Be griff auch auf die analoge Videotechnik angewandt, die allerdings hier nicht be handelt werden soll. Eine EinfĂŒhrung in das Thema sollte mit der Beschreibung der wichtigsten Mechanismen beginnen, die in Bildverarbeitungsprogrammen zur Anwendung kommen.
Mehr Farben, als die Grafikkarte erlaubt
Wie in den vorherigen Folgen beschrieben, liefern Scanner und Bildspeicher (wie die Photo-CD) digitale Bilder entweder als Strichzeichnungen (schwarze und weiĂe Pixel), als Halbtonbild mit 256 Graustufen oder als Farbbild mit je 256 Helligkeitsstufen der Grundfarben Rot, GrĂŒn und Blau. (Im professionellen Bereich wird zusĂ€tzlich ein Schwarzauszug mitgespeichert, dessen Funktion spĂ€ter erlĂ€utert wird.) Die Anzahl der darstellbaren Farben ergibt sich aus der Multiplikation dieser Stufen, da jede Helligkeit mit je zwei anderen Helligkeiten kombiniert werden kann (256 x 256 x 256 = 16.777.216). Um diese Bilder in allen ihren Nuancen bearbeiten zu können, ist es eigentlich notwendig, deren Graustufen oder Farben auch auf dem Bildschirm darzustellen. FĂŒr die Bearbeitung von Halbtonbildern wĂ€ren also 256, fĂŒr die Farbdarstellung 16,7 Millionen Farben darzustellen.
Da die meisten Grafikkarten diese Farbauflösungen entweder ĂŒberhaupt nicht oder nur in einer geringen Auflösung liefern, bedient man sich eines zweistufigen Tricks, der eine (wenn auch eingeschrĂ€nkte) Farbbildverarbeitung mit nur 256 Palettenfarben ermöglicht.
In der ersten Stufe werden die Farben auf 65.000 zusammengefaĂt. Der Unterschied ist nur mit geschultem Auge wahrzunehmen. Die zweite Stufe bedient sich der Eigenschaft des menschlichen Auges, Punktmuster Ă€hnlicher Farben zu einer neuen Farbe, der Mischfarbe zu verwischen. Mit Feldern, die aus je zwei Ă€hnlichen Farben mit unterschiedlichen Anteilen bestehen, wird die Darstellung auf die vorhandenen 256 Palettenfarben reduziert. Das Verfahren ist in allen gĂ€ngigen EBV-Programmen fĂŒr Halbton- und Farbbilder ĂŒblich und wird als âDithernâ (Rastern mit gesteuertem Zufall) bezeichnet. Man kann es leicht an den regelmĂ€Ăigen Pixel-Mustern erkennen, mit denen die Farben gemischt werden. Trotz dieser KlimmzĂŒge -es wird ja nur eine von 32.768 Farben wirklich dargestellt - sind fĂŒr eine exakte Bildretusche, ebenfalls gedithert, mindestens 32.000 dargestellte Farben nötig.
Intern immer TRUE COLOR
Weil nur die Darstellung in ihrer Farbtiefe reduziert wird, bleiben die Bilddaten in ihren 16 Millionen Farben erhalten und können mit entsprechenden Filtern und Werkzeugen bearbeitet werden. Die Werkzeuge sind dabei nichts anderes als lokal eingesetzte FĂ€rb- oder Kontrastfilter. Die Werkzeuge können nur dann sinnvoll zur Retusche benutzt werden, wenn ihre IntensitĂ€t abgestuft werden kann. So kann man sich mit mehrfachem Ăbermalen mit geringer Wirkung an das gewĂŒnschte Ergebnis heranarbeiten. Die IntensitĂ€t eines z.B. deckenden Werkzeugs - in Chagall die der Simulation eines Tuschestiftes -entspricht seiner Deckkraft. Entsprechend dieser IntensitĂ€t wird die Farbe des Stiftes in das bestehende Bild hineingemischt. Bei voller IntensitĂ€t wird der Hintergrund deckend ĂŒbermalt. Des weiteren sind durch Abnahme der Deckung zum Rand hin Werkzeuge möglich, die wie eine SprĂŒhdose arbeiten.
Stufenlos
Bisher war Computergrafik immer daran zu erkennen, daĂ Diagonalen und Bögen treppenartige Pixel-SprĂŒnge zeigten. Wie die Abbildung zeigt, können durch EinfĂŒgen von Zwischentönen VerlĂ€ufe erzeugt werden, so daĂ die Kante in OriginalgröĂe nicht mehr stufig erscheint. Dieser Effekt wird als âAntialiasingâ bezeichnet.
Wird ein Bild um einen kleinen Winkel gedreht oder um einen nicht gradzahligen Faktor skaliert, machen sich Treppen in den Kanten besonders unangenehm bemerkbar. Das freie Skalieren oder Drehen um beliebige Winkel ist daher ohne Antialiasing nur mit groĂem QualitĂ€tsverlust möglich.
Masken, nicht ganz dicht
Eine Hauptaufgabe von Bildverarbeitung ist es, Bildteile aus verschiedenen Quellen herauszuschneiden und neu zu montieren. Jeder kennt diese Collagen aus Kaufhauskatalogen und Werbeanzeigen. Das Freischneiden erlaubt es einerseits, den Hintergrund beim Fotografieren zu vernachlĂ€ssigen und andererseits Motive zu kombinieren, die an verschiedenen Orten oder zu verschiedenen Zeiten aufgenommen wurden. Bildteile werden zunĂ€chst maskiert, d.h. vor weiterer Bearbeitung geschĂŒtzt. Wird das Bild nun gelöscht, eingefĂ€rbt oder mit einem anderen Bild ĂŒberschrieben, bleibt der maskierte Block unverĂ€ndert. Die Masken konnten bisher (in PC-Programmen) nur die ZustĂ€nde âgeschlossenâ und âtransparentâ annehmen. Diese âbinĂ€reâ FunktionalitĂ€t machte sich besonders dann störend bemerkbar, wenn, wie im vorherigen Absatz beschrieben, die Maske gedreht oder diagonale Kanten maskiert wurden. Durch das Fehlen der ZwischenintensitĂ€ten erzeugt eine solche Maske Treppen, obwohl im Bild eigentlich genĂŒgend Zwischenfarben fĂŒr die GlĂ€ttung vorhanden wĂ€ren. Fein zisellierte Konturen wie Haare oder unscharfe Körperkanten wirken wie mit der Schere ausgeschnitten.
In neueren Bild Verarbeitungsprogrammen wie Chagall oder Photoshop 2.5 (auf Mac) sind Masken in 256 DurchlÀssigkeiten abgestuft. Neben dem Antialiasing beim Abdecken bzw. Freischneiden können solche Halbtonmasken zur pixelgenauen IntensitÀtssteuerung der Filter und Werkzeuge benutzt werden.
Die Abbildung zeigt das Wirkprinzip dieser Maskierungstechnik, wobei als Maske der Halbtonauszug eines Farbfotos zum Durchpausen mit einem beliebigen Werkzeug benutzt wird.
Einen schnellen Ăberblick ĂŒber die Funktionsprinzipien von EBV erhĂ€lt man am besten durch das Nachvollziehen von Beispielen. Im Gegensatz zu einfacheren Mal- und Zeichenprogrammen, die fertige Effekte mit einem Button-Klick erzeugen, sind die Ergebnisse hier nur durch eine geschickte Kombination von möglichst einfachen, aber zahlreichen Bearbeitungsschritten zu erzielen. Der Nachteil der komplizierteren Bedienung kann so durch eine Vielzahl von Effekten ausgeglichen werden, die selbst bei der Programmentwicklung noch gar nicht vorhersagbar waren. So ist es möglich, daĂ selbst die Programmierer durch die Ergebnisse der Anwender ĂŒberrascht werden. Zwei dieser Beispiele sollen zeigen, wie die Kombination von Werkzeugen und Filtern mit der Idee eines gewĂŒnschten Effektes und einigen grafischen Techniken zu interessanten Resultaten fĂŒhrt.
Der Trick mit dem Trick
Um zu vermeiden, daĂ der Hintergrund bei mehrmaligem Ăbermalen mit einem Werkzeug mittlerer Deckung ganz verschwindet, merkt sich das Programm die bereits ĂŒbermalten Stellen und schaltet dort das Werkzeug ab. Diesen Trick können wir nun fĂŒr einen rĂ€umlich wirkenden Effekt benutzen. Neben ihrer Transparenz können Werkzeuge statt mit einer einzelnen Farbe auch mit einem ausgeschnittenen Teil des Bildes malen, was allgemein als Stempelfunktion bezeichnet wird.
In unserem Beispiel wurde ein Stempelinhalt konstruiert, der an die Darstellung einer verchromten Kugel angelehnt ist (Grafiker deuten Chrom durch eine scharfe Horizontlinie mit einem Schwarz-Braun-Verlauf nach unten und einem WeiĂ-Blau-Verlauf nach oben an). LĂ€uft dieser Stempel in kleinen Schritten auf einem Pfad, verschmelzen die einzelnen Kugeln zu einem Wurm. Bereits bestehende Teile dieses Wurms werden nicht ĂŒbermalt, so daĂ der Wurm von vom nach hinten zunimmt.
Der trockene Tropfen
Im zweiten Beispiel soll ein Foto so bearbeitet werden, daà es unter einem Wassertropfen zu liegen scheint. Die realen optischen Eigenschaften des Tropfens, seine Transparenz, die Lichtbrechung und die Spiegelungen an der OberflÀche werden durch Werkzeuge und Filter nachgebildet.
Am scharfen Rand des Tropfens wird das Licht so gebrochen, daĂ er als dunkle, zur Mitte hin hellere Begrenzung dargestellt werden kann. Zuerst wird die Tropfenform aus einer geschlossenen Maske herausgeschnitten. Der Rand wird nun mit einer schwarzen SprĂŒhdose, d.h. einem unscharfen Werkzeug, nachgezeichnet. Mit der scharfen Begrenzung durch die Maske auf der einen, der abnehmenden Wirkung des Werkzeugs auf der anderen Seite kann die Brechung gut simuliert werden. Die zweite Eigenschaft der FlĂŒssigkeit ist die Linsenwirkung, die das durchscheinende Bild unscharf werden lĂ€Ăt. Ein leichtes Verwischen mit dem Schwamm kann in unserem Bildbeispiel diese UnschĂ€rfe erzeugen. Als dritter Effekt sorgen Spiegelungen von Lampen, sogenannte Glanzlichter, fĂŒr die rĂ€umliche Bildwirkung. Der scharfe Aufhellstift ist hierfĂŒr das geeignete Werkzeug.Wie die beiden Beispiele zeigen, wird in der Bildverarbeitung eine Vielzahl von Techniken aus den Gebieten Grafik, Reprografie, Fotografie, Design etc. miteinander kombiniert. Die QualitĂ€t des Programms besteht also darin, so variable Werkzeuge anzubieten, daĂ möglichst viele Effekte erreicht werden können. Mit einer durchdachten BenutzeroberflĂ€che ist es mit eigener Phantasie und etwas Zeit möglich, vorzeigbare Ergebnisse zu erzielen.
In der nÀchsten Folge werden wir genauer auf die Manipulation von Bildern, vorzugsweise eingescannter Fotos, eingehen. Einerseits sollen dabei die Retusche, d.h. die Reparatur von Reproduktionsfehlern, andererseits die beliebige VerÀnderung oder Verfremdung des Bildinhaltes behandelt werden.