← ST-Magazin 12 / 1988

Rhothron-Streamer und Festplattenstation: Die 40-MByte Band-Scheibe

ST-Peripherie

Aus dem ComputerbĂŒro erschallt ein gequĂ€lter Schrei. Kurt-Dietrich Datenstapler steht neben seinem ergonomisch durchgestylten BĂŒrostuhl, der eigentĂŒmliche Knick in der senkrechten Körperachse (exakt 135 Grad und 27 Sekunden) verheißt nichts Gutes. Diagnose: Hexenschuß durch Platten-Crash! Die durch langes Sitzen gebeutelte Bandscheibe zwickt gar sehr, fast Ă€rger noch als der vermutete Scheibenschaden an der datengefĂŒllten Festplattenstation, die soeben mit deutlich vernehmbarem Krachen ihre Mitarbeit aufgekĂŒndigt hat.

Kompakt und leistungsstark: Die neuen Massenspeicher von Rhothron

Schweißgebadet wacht Kurt-Dietrich auf. Doch sehr bald glĂ€tten sich seine schreckverzerrten ZĂŒge. Seit kurzem gehört nĂ€mlich der böse Traum vom totalen Datenverlust durch Festplatten-Crash oder Computerviren der Vergangenheit an. In schmuckem Silbergrau ziert den Arbeitsschreibtisch das sichere Band zur schnellen Scheibe: Ein Streamer sorgt fĂŒr Entspannung an der Datenfront.

Streamer können als direkte Nachfahren der Kassettenrecorder oder »Dataset-ten« gelten, die in den GrĂŒndertagen der Personalcomputerei als externe Massenspeicher benutzt wurden. Die modernen Kassetten-Streamer bieten allerdings an Arbeitsgeschwindigkeit und Bedienungskomfort wesentlich mehr als ihre zu Recht in Vergessenheit geratenen Urahnen.

Breite Anwendung auf Personal Computern finden Laufwerke der Firma TEAC mit integriertem SCSI-(Small Computer System Interface-)Controller. Als Speichermedium verwenden sie Bandkassetten, die, oberflĂ€chlich betrachtet, bis auf einen Schlitz im GehĂ€use stark den bekannten Compact-Kassetten Ă€hneln. Bandmaterial, GehĂ€usefestigkeit und PrĂ€zision der BandfĂŒhrung sind jedoch abgestimmt auf die erhöhten Anforderungen der schnellen Datensicherung. Dies schlĂ€gt sich natĂŒrlich auch im Preis nieder: Je nach BandlĂ€nge und Anbieter muß man zwischen 70 und 100 Mark pro Kassette ausgeben.

Den ST-Anwendern bot sich bisher noch keine große Auswahl an Datensicherungs-Systemen auf Streamer-Basis. Seit der CeBIT 1988 offeriert jedoch die Firma Rhothron, die sich mit ihren Bus-Systemen (Rho-Bus und VMEbus) in der professionellen STSzene einen guten Namen gemacht hat, ein komplettes System an Massenspeichern, das Festplattenstationen verschiedener GrĂ¶ĂŸe (bis zu 120 MByte), ein Wechselplattenlaufwerk (mit SyQuest SQ555) sowie drei Streamer mit 20, 40 und 60 MByte SpeicherkapazitĂ€t umfaßt. Zum Test standen uns eine 40-MByte-Festplattenstation (Sea-gate-Laufwerk mit 40 ms mittlerer Zugriffszeit) und ein 40-MByte-Streamer (TEAC-Laufwerk) zur VerfĂŒgung. Der Streamer hat real sogar eine KapazitĂ€t von 50 MByte.

Zwei Varianten erhÀltlich

Die Rhothron-GerĂ€te sind in zwei Ausstattungs-Varianten erhĂ€ltlich. Die je nach GerĂ€t um 270 bis 400 Mark teurere sogenannte Profi-Version unterscheidet sich von der Grundversion (KunststoffgehĂ€use in den Ausmaßen der Mega STs) durch ein robustes MetallgehĂ€use mit krĂ€ftigem LĂŒfter und ein stĂ€rkeres Netzteil. Die Platten- und Streamer-Laufwerke sowie die Schnittstellenhardware sind identisch.

Alle GerĂ€te lassen sich direkt an den DMA-Port des ST anschließen. Als Anschlußbuchsen kommen nicht die AtariĂŒblichen 19poligen Sub-D-Buchsen zur Anwendung, sondern die weit verbreiteten Buchsen mit 25 Polen. Zum Lieferumfang gehören entsprechende Anpassungskabel zwischen der 19poligen DMA-Welt des STs und den 25poligen Rhothron-AnschlĂŒssen.

Der DMA-Bus ist vollstĂ€ndig ĂŒber Leitungstreiber gepuffert (auch die DMA-Reset-Leitung) und durchgeschleift. Die Pufferung arbeitet sehr effektiv. Im Testbetrieb konnten wir sechs DMA-Einheiten fehlerfrei betreiben (mehr standen uns nicht zur VerfĂŒgung). Neben zwei Atari-Festplatten und dem Atari-Laser-Drucker SLM804 waren zwei Rhothron-Streamer und eine 40-MByte-Rhothron-Festplatte angeschlossen. Dabei prĂ€sentierte sich das Druckbild des Laser-Druckers einwandfrei.

Das Rhothron-Massenspeicher-System basiert auf einer eigens entwickelten Hostadapter-Karte mit SCSI-Bus, die als BrĂŒcke zwischen dem ACSI-(Atari Computer System Interface-)Bus des STs und dem SCSI-Anschluß der verwendeten Laufwerke dient. Der ACSI- und der SCSI-Bus sprechen bis zu acht physikalische GerĂ€te an.

Der Rhothron-Hostadapter weicht in einigen entscheidenden Punkten von den meisten Konkurrenzprodukten und der originalen Atari-Lösung ab. Zwar bietet auch Rhothron nur eine SCSI-Unter-menge (es fehlt beispielsweise die Eigenintelligenz zur direkten Kommunikation der angeschlossenen SCSI-GerĂ€te untereinander), das System erfĂŒllt jedoch insbesondere hinsichtlich der Befehlssequenzen die SCSI-Norm.

Diese Norm verlangt zwei aufeinanderfolgende Bytes zur Übermittlung von Befehlen an die SCSI-GerĂ€te. Das erste Byte stellt ein sogenanntes Identifikations-Byte zur Adressierung eines bestimmten GerĂ€tes dar, das zweite Byte ĂŒbermittelt den Befehl. Das ACSI-Pro-tokoll dagegen benutzt fĂŒr beide Funktionen nur ein Byte. Bit 5 bis 7 enthalten die GerĂ€te-Identifikation, Bit 0 bis 4 den Befehlscode.

Der Atari-Hostadapter (und die dazu kompatiblen Lösungen) »entwirren« diesen Kombinationsbefehl hardwaremĂ€ĂŸig und versorgen die angeschlossenen SCSI-GerĂ€te mit dem richtigen Protokoll, also mit zwei getrennten Bytes. Aus diesem Grunde können ACSI-Trei-ber nicht den kompletten SCSI-Befehls-satz ĂŒbermitteln (5 Bit entsprechen den Befehlscodes 0 bis 31). Allerdings werden die Befehle mit den Codes grĂ¶ĂŸer als 31 nur fĂŒr Spezialanwendungen benötigt.

Als Folge der inkompatiblen Hostadapter-Hardware benötigt das Rho-tron-System eigene Treibersoftware, lĂ€ĂŸt sich also durch den Atari-Festplatten-Treiber »AHDI« nicht ansprechen. Dies ist natĂŒrlich im Hinblick auf die Ansteuerung der Streamer ohne Bedeutung, spielt jedoch beim Betrieb der Festplatten eine wesentliche Rolle. Der Rhothron-Festplattentreiber und AHDI beeinflussen sich im Mischbetrieb von Atari- und Rhothron-Festplatten im Speicher nicht.

Nach der grundsĂ€tzlichen Entscheidung zur InkompatibilitĂ€t haben die Rhothron-Entwickler gleich NĂ€gel mit Köpfen gemacht und einige UnzulĂ€nglichkeiten der Original-Atari-Lösung zur Festplattenansteuerung ĂŒberwunden. So erkennt AHDI beispielsweise Festplatten nur dann, wenn sie ab der physikalischen Einheit 0 in ununterbrochener Folge angeschlossen sind (bei zwei Festplatten also als Einheit 0 und 1).

Der Rhothron-Treiber dagegen fĂ€hrt beim Start ein umfangreiches Testprotokoll, das die Belegung des DMA-Busses aufschlĂŒsselt, dabei die angeschlossenen Festplattentypen (Atari oder Rhothron) ermittelt und sich auf die physikalischen GerĂ€teadressen der Rhothron-Festplatten einstellt. In einer editierbaren Datei legt man die Partition-Konfiguration einschließlich einer Bootpartition fĂŒr Accessories und Auto-Ordner fest.

Der Rootsektor (physikalischer Sektor 0) der Rhothron-Festplatten ist ebenfalls nicht kompatibel zum Atari-Rootsektor. Dank des eigenen Formates lĂ€ĂŸt der Treiber bis zu acht Partitions pro Festplatte zu. Leider beraubt sich Rhothron damit der Autoboot-FĂ€higkeit, ein Mangel, der bei bestimmten Anwendungen (zum Beispiel bei der Programmentwicklung) die Eignung einer Rhothron-Festplatte als einziges Festplatten-System problematisch erscheinen lĂ€ĂŸt.

Die Betriebsprogramme zu Festplatte und Streamer sind in eine GEM-Ober-flĂ€che eingebunden, die Pull-Down-MenĂŒs und Dialogboxen als Bedienungselemente bereitstellt. Das Dienstprogramm fĂŒr die Festplatten erkennt die PlattenkapazitĂ€t automatisch. Alle Funktionen wie Formatieren, Partitionieren, Löschen von Partitions und das Markieren von defekten Sektoren sind sehr komfortabel zu steuern und arbeiten störungsfrei.

Die Geschwindigkeitswerte beim Laden und Kopieren stellen der Rhothron-Festplatte ein gutes Zeugnis aus. Trotz des mit 40 ms mittlerer Zugriffszeit deutlich langsameren Laufwerkes erreicht das TestgerĂ€t Zeiten, die an das sehr schnelle Festplattenlaufwerk SyQuest SQ555 (25 ms) heranreichen. Dies bestĂ€tigen auch die Ergebnisse mit »SPEEDTEST«, einem Rhothron-Programm zur Messung der DatenĂŒbertragungsrate. Die Übertragungsrate der Rhothron-Platte liegt nur kapp 10 Prozent unter dem Wert der SQ555 mit Atari-Hostadapter und AHDI-Treiber.

Die komfortable Streamer-Software »STREAMER.PRG« erlaubt (im Rahmen der DMA-Bus-BeschrÀnkung auf acht GerÀte) die gleichzeitige Verwendung mehrerer Streamer und Festplatten. Vor Beginn des Sicherungs- oder Restaurierungslaufes wÀhlt der Benutzer das entsprechende Festplatten-Streamer-Paar aus. SelbstverstÀndlich lassen sich auch Atari-Festplatten sichern.

Zum Speichern der Festplattendaten auf ein Band bieten sich zwei Verfahren an, nĂ€mlich dateiweises Kopieren und das sogenannte Image-Backup, bei dem die Daten von der Festplatte sektorweise auf die Bandkassette geschrieben werden. Dieses Verfahren arbeitet besonders schnell, kann jedoch beim Restaurieren Probleme erursachen, wenn zwischen Sicherungsvorgang und Restaurieren zusĂ€tzliche Sektoren defekt geworden sind. Eine Image-Restore-Software darf keinesfalls die Schreibroutinen des TOS benutzen, da beim Schreiben auf einen defekten Sektor die Restaurierung abgebrochen wĂŒrde. Sicherlich haben Sie diesen Effekt bei der Disketten-Kopie des ST-Betriebssystems schon beobachtet.

STREAMER verzichtet aus GeschwindigkeitsgrĂŒnden beim Sichern auf die Datei-Kopie und arbeitet ausschließlich nach dem Image-Backup-Verfahren. Eine Festplatte lĂ€ĂŸt sich entweder als physikalisches Laufwerk (physikalisches l:l-Abbild der Spuren und Sektoren) oder als Images der einzelnen Partitions auf das Band ĂŒbertragen. Image-Backups sind in beliebige Partitions zurĂŒckzuschreiben, sofern sie mindestens die Partition-Große des Image besitzen. Beim Restaurieren in grĂ¶ĂŸere Partitions bleibt der Bootsektor auf Wunsch erhalten.

  Rhothron 40MB-Platte SH205 SyQuest SQ555
Laden 1st Word plus 4,19 4,84 4,06
Laden Adimens 5,16 5,47 4,72

Werte in Sekunden, ermittelt auf einem Mega ST 4 unter dem neuen Atari-TOS

komplettes Laufwerk
Image-Backup 10 min 15,9 s
Image-Verify 11 min 46,0 s
Image-Restore 10 min 38,5 s
Partition mit 10,8 MByte
Partition-Backup 2 min 35,9 s
Partition-Restore 2 min 35,5 s
2 Partitions mit 10,4 und 6,1 MByte
Partition-Backup 7 min 14,3 s
(einschließlich Umspulzeiten)

Zeiten des 40-MByte-Streamers von und auf eine 44-MByte-SQ555 einschließlich der Umspulzeiten

Der Rhothron-Streamer erreicht hohe Backup- und Restaurierungs-Geschwindigkeiten. Etwas mehr als zehn Minuten fĂŒr eine 44-MByte-Festplatte entsprechen einer effektiven DatenĂŒbertragungsrate von ungefĂ€hr 70 KByte pro Sekunde. Das ÜberprĂŒfen der Festplattenkopie auf dem Band (Verify) und die Restaurierung nehmen nur unwesentlich lĂ€ngere Zeit in Anspruch.

STREAMER verschafft sich vor je-dem(!) Partition-Backup ein genaues Bild von der Bandbelegung. Dazu liest das Programm zunĂ€chst das gesamte Band, legt ein Verzeichnis im Speicher ab, spult zum Anfang zurĂŒck, spult wieder vor (hinter das letzte Partition-Image) und beginnt dann erst mit der Sicherung der angewĂ€hlten Partition. Selbst ohne Wechseln der Kassette lĂ€uft bei jeder weiteren Partition-Sicherung, abgesehen vom Lesen des Gesamtbandes, der gleiche Vorgang (RĂŒckspulen, Vorspulen, Sichern) erneut ab.

Was das Restaurieren betrifft, trauen die Software-Entwickler ihrer Hardware offensichtlich mehr zu. Beliebige Partition-Images lassen sich unmittelbar an-fahren und ohne zeitraubendes Hin- und Herspulen direkt restaurieren.

In allen Restaurierungen fÀngt die Software bei Schreibfehlern die entsprechenden Fehlermeldungen des TOS ab und setzt die Restaurierung fort. Auf diese Weise geht trotz Image-Restore schlimmstenfalls die Datei verloren, in deren Bereich sich der defekte Sektor befindet.

Erst nach Ende unseres Tests fertiggestellt wurde ein Zusatzprogramm, das den Streamer mit Partition-Images als logisches Nur-Lese-Laufwerk ins Betriebssystem einbindet. Auf diese Weise lĂ€ĂŸt sich die Geschwindigkeit des Image Backups mit der FlexibilitĂ€t des dateiweisen Restaurierens verbinden.

Das Rhothron-Massenspeicher-System mit Festplatte und Streamer ist eine gute Medizin gegen Datenunsicherheit. Hoffen wir mit Kurt-Dietrich Datenstapler, daß Sie von Rhothrons guter Streamersoftware nur die Backup-Funktionen benötigen: Denn der Normalfall in der Datensicherung sollte stets das Backup bleiben, nie jedoch die Restaurierung! (uh)

Vertrieb: Rhothron GmbH, Rudolfstr. 14, 7500 Karlsruhe, Tel. 0721/60311

Wertung

Produkt: Festplatten und Streamer
Hersteller: Rhothron GmbH, Karlsruhe

Festplatten Profiversion Normalversion
40 MB 2499 Mark 2198 Mark
60 MB 2839 Mark 2392 Mark
80 MB 3979 Mark —
100 MB 4549 Mark —
120 MB 5119 Mark —
Streamer
20 MB — 2107 Mark
40 MB 2611 Mark 2300 Mark
60 MB 2838 Mark 2506 Mark

StÀrken:
□ sicherer Betrieb □ effektive DMA-Bus-Pufferung □ Profi-Versiori sehr robust □ komfortable Software

SchwÀchen:
□ Festplatten nicht autobootfĂ€hig □ umstĂ€ndliches Partition-Backup □ Datei-Backup nicht vorgesehen

Fazit: professionelles Massenspeichersystem

Wolfgang Fastenrath