OMEGA CAD - Der Grafik-Superstar

Wer jetzt denkt, es handelte sich um ein neues Grafikprogramm (noch eines !) darf sich freuen: denn Omega Cad ist kein banales Stück Software, sondern eine in massives braun-graues Blech gepackte Hardware-Erweiterung für den ST. Die Karte verwendet einen hochmodernen Grafikprozessor (Hitachi HD 63484), die Auflösung beträgt 1024512 Punkte, von denen bis zu 820512 gleichzeitig darstellbar sind.

Omega Cad treibt es ziemlich bunt - 256 Farben stehen gleichzeitig zur Verfügung, die dazu noch aus einer Palette von 256000 Farben ausgewählt werden können.

Die Grafikkarte hat einen eigenen Video-Speicher von 512 KByte Größe. Da der Grafikprozessor alle wesentlichen Grafikfunktionen selbständig und schnell ausführen kann, ist auch die Kommunikation zwischen Rechner und Grafikkarte problemlos.

Wer bisher immer neidvoll auf die bunten Bilder des Amiga geschaut hat, kann für ungefähr 3000.- DM eine Grafikerweiterung erstehen, die es in sich hat.

Für diesen Preis erhält man eine große Kiste, in der man nach einigem Wühlen in viel Verpackungsmaterial die Grafikerweiterung findet. Sie ist in ein ausnahmsweise nicht atari-graues, sondern braunes Blechgehäuse mit beiger Frontplatte, auf der sich nur ein dezenter Herstellerschriftzug und eine Betriebsanzeige finden, eingebaut. Das Ganze hat das Format 24207 cm und ist sehr robust und sauber verarbeitet. Leider hat die Karte kein eigenes Netzteil; Atari 520 ST+Benutzer können sich also freuen, ein weiteres externes Netzteil harrt des Anschlusses. Stilvollerweise handelt es sich bei dem mitgelieferten Netzteil sogar um ein Original-Atari Gerät, das allerdings mit einem anderen Stecker auf der Sekundärseite ausgestattet wurde.

Ansonsten sind im Lieferumfang eine Bedienungsanleitung von knapp 90 Seiten und drei Disketten mit Programmierlibraries, Demoprogrammen und einem richtigen Malprogramm enthalten.

Die Erweiterung wird an den Romport angeschlossen. Dazu dient ein erfreulich langes Flachbandkabel, so daß man die Karte auch in die hinterste Schreibtischecke verbannen kann. Schließlich gibt es auch nur ein Bedienungselement, das man ab und zu betätigen muß, und das ist der An/Aus-Schalter auf der Rückseite des Gehäuses. Dort befinden sich auch die Anschlüsse für Netzteil und Monitor.

Apropos Monitor: Die Karte benötigt einen der modernen Multiscan-Monitore, deren Synchronisierung sich selbstständig an das Eingangssignal anpaßt, weil eine sehr hohe Bildwechselrate verwendet und der sogenannte Interface-Modus (eine Fernsehtechnik, bei der jedes Bild aus zwei Halbbildern zusammengesetzt wird, um eine höhere Pseudo-Auflösung zu erhalten) nicht benutzt wird.

Das Bild ist dadurch so richtig schön flimmerfrei. Wer einmal mit einem Amiga im Interlace-Modus gearbeitet hat, weiß, wovon ich spreche.

Wir haben die Karte mit einem NEC MultiSync und einem EIZO FlexScan ausprobiert. Beide Monitore erzeugen auch bei der höchsten Auflösung der Karte ein exzellentes Bild. Scharf und ruhig steht es da, an solche Bilder könnte ich mich gewöhnen...

Mit dem Romport-Anschluß gab es bei dem Rechner des Autors (ein uralter 520 ST+) übrigens Probleme. Laut Omega könnte dies an einer Änderung der Anschlußmaße des Atari liegen, auf neueren 520ern funktioniert es. Omega schickte zwar sofort zwei Ersatzstecker, aber auch mit diesen funktionierte die Karte nicht. Mit allen Atari 1040-Modellen, die der Autor in seiner Umgebung ergattern konnte, lief aber alles einwandfrei. Da andere Hersteller es auch geschafft haben, an jedem Rechner lauffähige Romport-Erweiterungen zu schaffen, wird eine Lösung dieses Problems sicher nicht lange auf sich warten lassen.

Die Karte wird, wie gesagt, an den Romport angeschlossen. Um sie zu benutzen, muß allerdings noch ein bißchen Treiber-Software geladen werden, die als Accessory vorliegt. Da dieses Accessory nichts tut, als nach dem Laden seine Existenz anzuzeigen und die erfolgreiche oder -lose Initialisierung der Grafikkarte anzuzeigen (es gibt da nichts zu bedienen), stellt sich natürlich die Frage, ob dafür ein Accessory-Platz verschwendet werden muß. Andererseits benutzen wohl sowieso die wenigsten überhaupt regelmäßig Accessories, so daß dieser Nachteil nicht besonders ins Gewicht fällt.

Wenn die Karte erfolgreich Anschluß gesucht hat und der Treiber geladen ist, was erst zu so richtig herzlichen Beziehungen zwischen Ihren Geräten führt, kann man damit beginnen, die mitgelieferten Programme auszuprobieren.

Da wäre zuerst mal das Malprogramm Assist’. Dieses stellt alle wichtigen Malfunktionen, die man bereits von anderen Malprogrammen für den ST kennt, zur Verfügung, aber eben mit einer viel höheren Auflösung und mit 256 Farben gleichzeitig. Diese 256 Farben kann man aus einer Palette von ca. 256000 Farben auswählen, so daß selbst so richtig fließende Farbverläufe kein Problem sind. Dafür gibt es Spezialfunktionen, sowohl für das Füllen mit Farbverläufen, als auch für die Berechnung einer Palette.

Durch die hohe Zeichengeschwindigkeit des auf der Karte verwendeten Grafikprozessors geht alles wunderbar schnell... Bis zu 4 Millionen Bildpunkte kann der Prozessor pro Sekunde darstellen, Flächenfüllen ist kein Problem. Das wirkt sich aüch auf das Zeichnen von Kreisen und Rechtecken usw. aus; Keine Gummibandlinien werden gezeichnet, sondern immer gleich das richtige Objekt.

Praktischerweise verfügt die Grafikkarte auch über eine HardwareLupe. Das Vergrößern beliebiger Bildausschnitte nimmt also keine kostbare Zeit in Anspruch, sondern geschieht in Real-Time.

Selbstverständlich können Bilder geladen und gespeichert werden. Dazu wird natürlich ein eigenes Format verwendet, es ist aber auch möglich, Degas- und Neochrome-Bilder in das Spezialformat zu konvertieren.

Als besonderes Bonbon ermöglicht Assist’ es, den Zeichenablauf, der zur Entstehung eines Bildes führt, zu speichern und wieder abzuspielen. Damit lassen sich sogar Animationen produzieren, wie man an einigen mitgelieferten Beispielbildern sehen kann.

Leider erfordert Assist’ neben dem Multiscan-Monitor einen Schwarzweiß-Monitor. Dort wird dann das Assist’-Menü dargestellt, während auf dem Farbmonitor die eigentliche Zeichnung entsteht, ungestört durch platzraubende Menüs.

Das Programm wird noch weiterentwickelt, z.B. zusätzliche Funktionen, die man schon von den besseren Farbmalprogrammen des ST kennt. Aber schon jetzt ist das Programm sehr brauchbar.

Axiomega

’Axiomega’ ist ein 3D Programm, das von einer holländischen Firma entwickelt wurde. Es ist eine Portierung von einem IBM-Programm, was man der Benutzeroberfläche leider ansieht. Dieses Programm benutzt für die Benutzerführung ebenfalls den normalen Atari-Monitor, allerdings wahlweise auch in Farbe. Alle Bilder können aber auch in höherer Auflösung und Farbigkeit mit der Grafikkarte angezeigt werden.

Bilder werden aus einzelnen Objekten zusammengesetzt. Man kann einzelne Punkte der Objekte (als Text) eingeben oder aber einige Grundformen wie Zylinder, Mauern oder Hausformen grafisch editieren. Die Seiten der Objekte können mit zweidimensionalen Details versehen werden. Leider läßt der Komfort der Eingabe stark zu wünschen übrig, was man aber hoffentlich der DemoVersion zurechnen darf.

Das ganze System soll u.a. Animationen erlauben, also Kamerafahrten durch die ’Welt'.

Bilder können sowohl als Drahtmodelle, als auch mit schattierten Oberflächen dargestellt werden. Dabei kann man die Lichtquellen beliebig positionieren. Die Schattierungsmethode ist einfaches Po-lygonshading, d.h. alle ebenen Flächen erhalten den gleichen Farbton. Zylinder, die ja aus sehr vielen Polygonen zusammengesetzt werden, sehen, der vielen möglichen Farbtöne wegen, aber schon richtig gut aus. Überhaupt ist der Unterschied zur Atari-Grafik bombastisch.

’Axiomega’ kann zwar schon einiges, wird sich aber besonders hinsichtlich der Benutzerführung noch stark verbessern müssen.

Eine weitere Diskette enthält Demobilder, die mit einem anderen 3D-Grafikprogramm erzeugt wurden, das ebenfalls bald erhältlich sein soll. Als Besonderheit ist dieses Programm in der Lage, mit Gouraud-Shading versehene Bilder zu errechnen. Gouraud-Shading ist ein Schattierungsverfahren, das weiche Farbverläufe auf einer Oberfläche erzeugt.

Am wichtigsten ist die dritte Diskette; sie enthält Bibliotheken für so ziemlich jede wichtige Programmiersprache. Im einzelnen: das DR-Entwicklungspaket (C), Megamax C, Lattice C, Omikron und GfA-Basic, CCD Pascal, DR AR68-Assembler, Makro-Assembler und Modula II.

Über 50 Befehle, für so ziemlich jeden grafischen Zweck stehen zur Verfügung. Man kann Punkte setzen, Linien, Rechtecke, Kreise, Ellipsen zeichnen, Grafiktext verwenden. Sogar GEM-Fonts lassen sich benutzen. Apropos GEM: Mit einem Befehl kann man fast alle VDI-Befehle auf die Grafikkarte umlenken. Das ist für die Anpassung bestehender Software wichtig. Außerdem kann man die Farbpalette programmieren, ganze Speicherbereiche vom Atari zur Karte kopieren und umgekehrt, Bildschirmblöcke kopieren, die Bildschirmauflösung ändern und die Hardware-Lupe des Grafikprozessors programmieren. Auch die Maus kann praktischerweise auf den Omega-Bildschirm umgeschaltet werden. Schließlich verraten einige Befehle, daß noch Erweiterungen geplant sind: Ein Befehl namens ’digitize’ soll der Übernahme von Video Bildern in den Computerspeicher dienen.

Das CAD-Programm CAD-Projekt wird gerade an die Grafikkarte angepaßt. Man kann nur hoffen, daß sich noch andere Hersteller an solche Anpassungen machen. Wenn man sich Tom Hudsons CAD 3D auf dieser Karte vorstellt -mit erweiterten Shading-Routinen..., das wäre hübsch.

Schon jetzt gibt es zwei Versionen der Karte: eine Version mit 256 Farben ohne Farbpalette und die von uns getestete Palettenversion mit einer 18-Bit Palette, also 256000 Farben. Eine größere Palette, die 24 Bit Tiefe besitzt (16,7 Millionen Farben), soll zum Erscheinungsdatum dieser Ausgabe bereits lieferbar sein. Bald wird es auch eine Version, die tatsächlich 16,7 Millionen Farben gleichzeitig auf den Bildschirm bringen kann, geben. Diese Karte soll auch über einen Echtzeit-Videodigitalisierer verfügen, sowie über eine Synchronisiereinrichtung, die es erlaubt, Videobilder im Bildschirmhintergrund laufen zu lassen. Aber dieses Modell wird wohl noch einige Zeit auf sich warten lassen.

Fazit

Wer mit der Atari-Grafik nicht zufrieden ist und seinen Rechner für wirklich hochwertige Grafikaufgaben verwenden will, sollte einen Blick auf die Omega Grafikkarten werfen. Die Bildqualität ist ausgezeichnet, ebenso die Verarbeitung. Man kann nur hoffen, daß einiges von der existierenden Atari-Software für die Karte angepaßt wird. Sonst ist sie vor allem auf Selbstprogrammierer interessant, die mit den wirklich ausführlichen Bindings wohl keinerlei Probleme haben werden. Auch das Preis/ Leistungsverhältnis ist in Ordnung.

’Normalbenutzer’, die nicht selbst programmieren wollen, sollten zuerst auf die verfügbare Software achten. Ansonsten: empfehlenswert.

cs



Aus: ST-Computer 01 / 1988, Seite 63

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